Aus dem Staat Friedrichs des Großen. Gustav Freytag
Читать онлайн книгу.wahr, sein Heer war vorläufig dem österreichischen an Zahl und Kriegstüchtigkeit weit überlegen, und nach der Vorstellung der Zeit war die Masse des Volkes nicht in der Weise zur Ergänzung des Heeres geeignet, wie jetzt. Und wenig ahnte er die Größe Maria Theresias. Aber schon in den Vorbereitungen zum Einmarsch bewies der König, daß er lange darauf gehofft, sich mit Österreich zu messen, in gehobener Stimmung begann er einen Kampf, der für sein Leben und das seines Staates entscheidend werden sollte. Wenig kümmerte ihn im Grunde das Recht, welches er auf schlesische Herzogtümer etwa noch hatte und durch seine Federn vor Europa zu erweisen suchte. Die Politik der despotischen Staaten des 17. und 18. Jahrhunderts sorgte darum überhaupt nicht. Wer seiner Sache einen guten Schein geben konnte, benutzte auch dieses Mittel; im Notfall war auch der unwahrscheinlichste Beweis, der schalste Vorwand genug. So hatte Ludwig XIV. gekriegt, so hatte der Kaiser gegen die Türken, Italiener, Deutschen, Franzosen und Spanier sein Interesse verfolgt, so war dem Großen Kurfürsten ein Teil seiner Erfolge durch andere verdorben worden. Gerade da, wo das Recht der Hohenzollern am deutlichsten gesprochen hatte, – wie in Pommern, – waren sie am meisten verkürzt worden. Durch niemand mehr als durch den Kaiser und das Haus Habsburg. Jetzt suchte ein Hohenzollern die Rache. »Sei mein Cicero und beweise das Recht meiner Sache, ich werde dein Cäsar sein und sie durchführen,« schrieb Friedrich seinem Jordan nach dem Einmarsch in Schlesien. Leicht mit beflügeltem Schritt wie zum Tanze betrat der König die Felder seiner Siege. Immer noch war heiterer Lebensgenuß, das süße Tändeln mit Versen, geistvolles Geplauder mit seinen Vertrauten über die Freuden des Tages, über Gott, Natur und Unsterblichkeit, was er für das Salz seines Lebens hielt. Aber die große Arbeit, in die er getreten war, begann ihre Wirkungen auf seine Seele schon nach den ersten Wochen, bevor er noch die Feuerprobe der ersten großen Schlacht durchgemacht hatte. Und sie hat seitdem an seiner Seele gehämmert und geschmiedet, bis sie sein Haar grau färbte und das feurige Herz zu klingendem Metall verhärtete. Mit der wundervollen Klarheit, die ihm eigen war, beobachtete er den Beginn dieser Änderungen. Wie ein Fremder sah er schon damals auf sein eigenes Leben. »Du wirst mich philosophischer finden, als du denkst,« schreibt er dem Freunde, »ich bin es immer gewesen, bald mehr bald weniger. Meine Jugend, das Feuer der Leidenschaft, das Verlangen nach Ruhm, ja, um dir nichts zu verbergen, auch die Neugierde, endlich ein geheimer Instinkt haben mich aus der süßen Ruhe getrieben, die ich genoß, und der Wunsch meinen Namen in den Zeitungen und der Geschichte zu sehen, hat mich seitab geführt. Komm her zu mir, die Philosophie behält ihre Rechte, und ich versichere dich, wenn ich nicht diese verdammte Vorliebe für den Ruhm hätte, ich würde nur an ruhiges Behagen denken.« Und als der treue Jordan in seine Nähe kommt und er den Mann des friedlichen Genusses furchtsam und unbehaglich im Felde sieht, da empfindet der König plötzlich, daß er ein anderer und Stärkerer geworden ist. Der Ankommende war von ihm so lange als der Gelehrtere geehrt worden, er hatte ihm Verse gebessert, Briefe stilisiert, in Kenntnis der griechischen Gelehrtenschulen war er ihm weit überlegen gewesen. Und trotz aller philosophischen Bildung machte er dem König jetzt den Eindruck eines Mannes ohne Mut; mit herbem Spotte fuhr der König gegen ihn los. Und in einer seiner besten Improvisationen stellt er sich selbst als Krieger dem weichlichen Philosophen gegenüber. So unbillig die Spottverse waren, mit denen er ihn immer wieder überschüttete, so schnell war doch auch die Rückkehr der alten herzlichen Empfindung. Aber es war auch der erste leise Fingerzeig des Schicksals für den König selbst; noch oft sollte ihm das gleiche begegnen, er sollte werte Männer, treue Freunde einen nach dem andern verlieren, nicht nur durch den Tod, noch mehr durch die Kälte und Entfremdung, welche zwischen seinem und ihrem Wesen sich auftat. Denn der Weg, den er jetzt betreten hatte, sollte alle Größe, aber auch alle Einseitigkeiten seiner Natur immer stärker ausbilden, bis an die Grenze des Menschlichen; je höher er sich selbst über die andern erhob, desto kleiner mußte ihm ihr Wesen erscheinen; fast alle, die er in späteren Jahren mit dem eigenen Maße maß, waren wenig imstande, dabei zu bestehen. Und das Mißbehagen und die Enttäuschung, die er dann empfinden sollte, wurden wieder schärfer und rücksichtsloser, bis er selbst auf einsamer Höhe aus Augen, die wie Horn in dem versteinerten Antlitz standen, auf das Treiben der Menschen zu seinen Füßen heruntersah. Immer aber bis zu seinen letzten Stunden wurde der kalte Strahl seines prüfenden Blickes unterbrochen durch den hellen Glanz einer warmen menschlichen Empfindung. Und daß diese ihm blieb, macht die große tragische Gestalt für uns so rührend.
Jetzt freilich im ersten Kriege sieht er auf die stille Ruhe seines »Remusberg« noch mit Sehnsucht zurück und tief fühlt er den Zwang eines ungeheuren Geschicks, der ihn bereits umgibt. »Es ist schwer, mit Gleichmut dies Glück und Unglück zu ertragen,« schreibt er; »wohl kann man kalt scheinen im Glück und unberührt bei Verlusten, die Züge des Gesichts können sich verstellen, aber der Mann, das Innere, die Falten des Herzens werden deshalb nicht weniger angegriffen.« Und hoffnungsvoll schließt er: »Alles, was ich von mir wünsche, ist doch nur, daß die Erfolge nicht meine menschlichen Empfindungen und Tugenden verderben, zu denen ich mich immer bekannt habe. Möchten meine Freunde mich so finden, wie ich immer gewesen bin.« Und am Ende des Krieges schreibt er: »Sieh, dein Freund ist zum zweitenmal Sieger. Wer hätte vor einigen Jahren gesagt, daß dein Schüler in der Philosophie eine militärische Rolle in der Welt spielen werde? daß die Vorsehung einen Dichter ausersehen würde, das politische System Europas umzustürzen?« [2] – So frisch und jung empfand Friedrich, als er aus dem ersten Kriege im Triumphzuge nach Berlin zurückkehrte.
Zum zweitenmal zieht er aus, Schlesien zu behaupten. Wieder ist er Sieger, schon hat er das ruhige Selbstgefühl eines erprobten Feldherrn, lebhaft ist seine Freude über die Güte seiner Truppen. »Alles, was mir bei diesem Siege schmeichelt,« schreibt er an Frau von Camas, [3] »ist, daß ich durch den schnellen Entschluß und ein kühnes Manöver zur Erhaltung so vieler braven Leute beitragen konnte. Ich wollte nicht den geringsten meiner Soldaten um eitlen Ruhm, der mich nicht mehr täuscht, verwunden lassen.« Aber mitten in den Kampf fiel der Tod von zwei seiner liebsten Freunde, Jordan und Kayserlingk. Rührend ist seine Klage. »In weniger als drei Monaten habe ich meine beiden treuesten Freunde verloren, Leute, mit denen ich täglich gelebt habe, anmutige Gesellschafter, ehrenwerte Männer und wahre Freunde. Es ist schwer für ein Herz, das so empfindsam geschaffen wurde wie das meine, den tiefen Schmerz zurückzudrängen. Kehre ich nach Berlin zurück, ich werde fast fremd in meinem eigenen Vaterlande, isoliert in meinem Hause sein. Auch Sie haben das Schicksal gehabt, auf einmal viele Personen zu verlieren, die Ihnen lieb waren; ich bewundere Ihren Mut, aber nachahmen kann ich ihn nicht. Meine einzige Hoffnung ist die Zeit, die mit allem zu Ende kommt, was es in der Natur gibt. Sie fängt an, die Eindrücke in unserm Gehirn zu schwächen, und hört damit auf uns selbst zu vernichten. Ich fürchte mich jetzt vor allen den Orten, welche mir die traurige Erinnerung an Freunde, die ich für immer verloren habe, zurückrufen.« – Und noch vier Wochen nach dem Tode schreibt er derselben Freundin, die ihn zu trösten versuchte: »Glauben Sie nicht, daß der Drang der Geschäfte und Gefahren in der Traurigkeit zerstreut, ich weiß aus Erfahrung, das ist ein schlechtes Mittel. Leider sind erst vier Wochen vergangen, seit meine Tränen und mein Schmerz begann, aber nach den heftigen Anfällen der ersten Tage fühle ich mich jetzt ebenso traurig, ebensowenig getröstet, als im Anfang.« Und als ihm sein würdiger Erzieher Duhan aus der Hinterlassenschaft Jordans einige französische Bücher schickt, die der König begehrt hatte, schrieb der Fürst noch im Spätherbst desselben Jahres: »Mir kamen die Tränen in die Augen, als ich die Bücher meines armen geschiedenen Jordan öffnete; ich habe ihn so sehr geliebt und es wird mir sehr schwer zu denken, daß er nicht mehr ist.« – Nicht lange und der König verlor auch den Vertrauten, an den dieser Brief gerichtet ist.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «Литрес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на Литрес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой
2
Oeuvres T. XVII. Nr. 140, p. 213.
3
Oeuvres T. XVIII. Nr. 10.