Dr. Norden Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Читать онлайн книгу.angekommen, drehte er sich noch einmal um.
»Du findest, dass ich noch behandlungsbedürftig bin?«, fragte er frech grinsend, und Tatjana lachte laut heraus.
»Eigentlich nicht. Und wenn, dann bekommst du eine Sonderbehandlung von mir«, gab sie anzüglich zurück.
»Nichts anderes wollte ich hören.« Danny warf ihr eine Kusshand zu, bevor er hinüber ins kleine Bad ging.
Tatjana indes machte es sich zufrieden lächelnd wieder im Bett bequem. Ihre Strategie war aufgegangen, und sie musste sich keine Sorgen mehr machen. Wenn das nicht der beste Tagesanfang war, den man sich wünschen konnte! Abgesehen von einem leckeren Marmeladencroissant vielleicht …
*
Auch Daniel Norden war guten Mutes, als er am nächsten Morgen gemeinsam mit seiner Frau direkt in die Behnisch-Klinik fuhr. Seit sein ältester Sohn in die Praxis mit eingestiegen war, hatten beide Ärzte mehr Freiheiten und konnten sich auch intensiver um die Patienten kümmern, die eine Weiterbehandlung in der Klinik brauchten.
»Ich bin wirklich gespannt, wie die Schmerztherapie bei Leon anschlägt«, sprach er den Gedanken aus, der ihn im Augenblick am meisten beschäftigte.
»Und ob er damit wirklich wieder Tennis spielen kann, ohne die Bandscheibe noch mehr zu schädigen«, ergänzte Fee, während sie Seite an Seite mit ihrem Mann über den Flur in Richtung Pädiatrie ging, als ihnen auf halbem Weg Jenny Behnisch entgegen kam. Sie ging so schnell, dass die Blätter in ihrer Hand flatterten. Als sie ihre langjährigen Freunde und Kollegen sah, lächelte sie erleichtert.
»Hallo, Daniel, Fee, guten Morgen. Ein Glück, dass ich euch treffe. Ich hatte schon befürchtet, dass ihr die Therapie bei dem jungen Matthes schon begonnen habt.«
Sämtliche geplante Maßnahmen hatten die beiden Ärzte mit der erfahrenen Klinikleiterin abgestimmt.
»Wir waren gerade auf dem Weg zu ihm«, erwiderte Dr. Norden überrascht. »Gibt es Probleme?«
»Er war gestern noch einmal zur Blutabnahme hier, und ich habe heute Morgen die Laborergebnisse bekommen.« Jenny wedelte mit den Unterlagen durch die Luft. »Eine Schmerztherapie kommt auf keinen Fall in Frage. Durch die vielen Medikamente, die sein Trainer ihm offenbar nebenbei verabreicht hat, sind die Blutwerte grenzwertig. Ein Nierenschaden wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wir müssen vorsichtig sein.«
Das Ehepaar tauschte erschrockene Blicke.
»Das ist ja furchtbar«, entfuhr es Felicitas.
»Damit hatte ich in der Tat nicht gerechnet«, seufzte Dr. Norden und dachte angestrengt nach. »Gut, dann werde ich jetzt gehen und ihm die Botschaft überbringen. Erfreut wird er darüber nicht gerade sein.« Er nahm den Laborbefund, den Jenny ihm reichte.
»Bestimmt nicht«, teilte sie das Bedauern ihres Freundes. »Aber immer noch besser, als den Rest seines Lebens an der Dialyse zu hängen.«
»Das stimmt allerdings.« Daniel lächelte schmal.
»Soll ich dich begleiten?«, bot Fee bereitwillig an, doch er schüttelte den Kopf.
»Es reicht, wenn Leon einem den Kopf abreißt.« Er zwinkerte seiner Frau zu und machte sich dann auf den Weg zu Leon.
Der wartete schon ungeduldig in Gesellschaft seines Trainers auf den Beginn der Therapie.
»Herr Dr. Norden, da sind Sie ja!«, begrüßte er den Arzt, der das Behandlungszimmer mit bedauernder Miene betrat.
Toni Kroith hingegen lächelte hoffnungsvoll.
»Ich freue mich wirklich, dass Sie doch noch einen Weg gefunden haben, Leon auch ohne Operation zu helfen.«
Daniel Nordens Herz wurde schwer, als er in die erwartungsvollen Gesichter blickte.
»Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten«, hielt er mit seiner Botschaft nicht länger hinter dem Berg. Je schneller er es hinter sich brachte, umso besser.
Angesichts seiner ernsten Miene erlosch das erwartungsfrohe Lächeln auf Leons Gesicht.
»Was ist los?«, fragte er schroff.
Toni Kroith begnügte sich mit einem stummen Blick.
»Wir haben heute früh die Laborergebnisse bekommen. Deine Blutwerte lassen eine Schmerztherapie nicht zu«, erklärte Dr. Norden ernst.
»Was soll das heißen?«, machte der Trainer keinen Hehl aus seinem Entsetzen. »Und wieso so plötzlich?« Seine Stimme war forsch und unfreundlich, und Daniel spürte, wie er zornig wurde.
»Diese Frage müssten Sie wohl am allerbesten beantworten können«, wies er ihn barsch zurecht. »Hätten Sie Ihrem Schützling nicht wahllos Schmerzmittel verabreicht, wäre das nicht passiert«, konnte er ihm einen Vorwurf nicht ersparen.
Im ersten Augenblick machte der Trainer den Eindruck, als wollte er etwas erwidern. Doch dann verzichtet er darauf. Beleidigt presste er die Lippen aufeinander und schwieg.
Doch Leon war außer sich.
»Das glaub ich einfach nicht!«, rief er und schlug mit der Faust auf die Behandlungsliege. »Das kann doch nicht wahr sein.« Er wusste nicht, auf wen er wütender war: Auf seinen Trainer, der seine Gesundheit so leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte. Oder auf sich selbst, weil er ihm so kritiklos gefolgt war. Als er Toni Kroith wütend anstarrte, senkte der den Kopf.
»Es tut mir leid. Das wollte ich nicht«, murmelte er eine kaum verständliche Entschuldigung.
»Was soll ich mit Ihrem Mitleid?«, schimpfte Leon unbarmherzig weiter. »Sie haben mir so große Hoffnungen gemacht. Fast mein ganzes Leben lang hab ich auf alles verzichtet, was Spaß macht. Und jetzt das!«
»Tennis macht dir doch auch Spaß …«, wagte der Trainer einen vorsichtigen Einspruch.
»Ach ja?« Leon lachte hämisch. Plötzlich musste er wieder an Anneka denken, daran, was sie alles erlebt, wie viel Spaß sie bisher in ihrem Leben gehabt haben musste. Ihre fröhliche Ausstrahlung, das zufriedene Leuchten in ihren Augen sprachen eine deutliche Sprache. »Aber das Leben besteht nun mal nicht nur aus Tennis, auch wenn Sie mir das weismachen wollten. Und fast wäre es Ihnen gelungen.« Vor Wut und Verzweiflung standen ihm Tränen in den Augen, und hilflos wandte sich Toni Kroith an Daniel Norden.
»Ich flehe Sie an, Herr Doktor. Das können Sie Leon nicht antun«, überging er den Vorwurf seines Schützlings einfach. »Bitte lassen Sie ihn nicht im Stich. Sie sind unsere ganze Hoffnung! Irgendeine Möglichkeit muss es doch geben.« Ein Gedanke kam ihm in den Sinn, und seine Augen leuchteten auf. »Vielleicht wurden die Untersuchungsergebnisse ja vertauscht. Sie könnten noch einmal Blut abnehmen …«.
Es kam nicht oft vor, dass Daniel Norden wütend würde. Doch in diesem Augenblick war es so weit.
»Sie zweifeln allen Ernstes lieber die Kompetenz der Mitarbeiter an statt Ihren eigenen Fehler einzusehen?«, fragte er scharf.
»Aber …«.
»Kein Aber!« Mit einer resoluten Handbewegung schnitt Dr. Norden dem Trainer das Wort ab. »Ich habe jetzt keine Zeit mehr. In der Praxis warten Patienten, die meine Hilfe nötiger brauchen. Sie entschuldigen mich.« Bevor er ging, wandte er sich noch einmal an Leon. »Falls du dich doch zu einer Operation entschließt oder meinen Rat und ärztliche Hilfe brauchst, kannst du mich jederzeit anrufen. Meine Nummer hast du ja«, erinnerte er den jungen Mann an die Visitenkarte, die er ihm bei seinem letzten Besuch gegeben hatte.
Einen Moment lang sagte Leon nichts. Dann nickte er.
»Ich melde mich«, sagte er leise. Seine Worte klangen fast wie ein Versprechen.
*
Versonnen saß Anneka in ihrem Zimmer am Schreibtisch und starrte aus dem Fenster. Der Himmel war eisgrau und die Luft kalt. Kein Lüftchen regte sich, kein spielendes Kind war zu sehen und kein Vogel saß in einem der Bäume und zwitscherte ein fröhliches Lied. Man hätte meinen können, dass die Welt still stand. Von alledem bemerkte