Dr. Norden Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Читать онлайн книгу.Schulter möglich war, zog er sie an sich.
»Und mir tut es leid, dass ich dir den Abend verdorben habe!«
Mit dieser Entschuldigung hatte Tatjana nicht gerechnet.
»Im Ernst?« Hoffnung blitzte in ihren Augen auf.
»Klar«, versicherte Danny und küsste sanft ihre kalte Nasenspitze. »Schläfst du heute Nacht bei mir?«
Über diese Frage dachte Tatjana kurz nach. Dann schüttelte sie den Kopf und löste sich sanft aus der Umarmung.
»Nein, ich glaube, es ist besser, wenn wir uns mal ein bisschen Abstand gönnen. In letzter Zeit waren wir ziemlich oft zusammen. Vielleicht liegt deine schlechte Laune daran, dass ich dir auf die Nerven gehe.«
»Wie kommst du denn auf so eine Idee?«, fragte Danny entrüstet und sichtlich enttäuscht.
Tatjana legte den Kopf schief und musterte ihn eingehend. Im Dunkel der Nacht und nur beschienen vom matten Licht einer Straßenlaterne konnte sie nicht viel von seinem Gesicht erkennen.
»Wann hast du mich zum letzten Mal vermisst? Ich meine, so richtig. Dass du Sehnsucht nach mir hattest?«, fragte sie forschend.
»Vor zehn Minuten, als ich die Mäntel geholt habe«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen und Tatjana musste lachen. Seine Worte gaben den Ausschlag und sie nahm seine Hand, ehe sie sich umdrehte und ihn zu einer der Taxis zog, die am Straßenrand auf Kundschaft warteten.
*
Fee Norden erwachte mitten in der Nacht von einem Geräusch, das sie zunächst nicht einordnen konnte. Eine Weile lag sie wach im Bett, während ihre Mann Daniel neben ihr den Schlaf des Gerechten schlief. Sein leiser Atem beruhigte sie. Doch das wummernde Geräusch irgendwo im Haus hielt sie wach. Endlich beschloss sie, der Ursache auf den Grund zu gehen, und schlug die Bettdecke zurück. Kaum hatte sie die Schlafzimmertür geöffnet, wusste sie, was los war. Sie machte Licht und huschte auf bloßen Füßen über den Flur zum Zimmer ihres zweitältesten Sohnes.
»Felix, bist du verrückt geworden?« Fee bückte sich und zog mit einer resoluten Handbewegung kurzerhand den Stecker der Stereoanlage aus der Dose.
Erschrocken fuhr der junge Mann vom Bett hoch und starrte seine Mutter an, die, umgeben von einer Aureole von Licht, in der Tür stand.
»Mum, was machst du denn hier? Hab ich dich geweckt?«, fragte er schuldbewusst.
»Nein, es ist ganz normal, dass ich um diese Uhrzeit durchs Haus schleiche und meine Kinder erschrecke«, konnte sich Fee einen ironischen Kommentar nicht verkneifen. »Was glaubst du wohl, warum Nathaniel Baldwin im Jahr 1910 die ersten Kopfhörer erfunden hat?«
»Damit eine arme, geplagte Mutter im einundzwanzigsten Jahrhundert in Ruhe schlafen kann«, erwiderte Felix zerknirscht und wollte aufstehen und seine Mutter umarmen, als er stöhnend auf die Matratze zurücksank.
Fee erschrak.
»Was ist los?«
»Sport ist wirklich Mord. Ich schwöre, dass ich nie wieder Hallenfußball spiele. Ich muss mir einen Muskel im Oberschenkel gezerrt haben. Wegen diesen Schmerzen kann ich auch nicht schlafen.«
»Du Armer!« Sofort verflog Fees Ärger auf die Rücksichtslosigkeit ihres Sohnes, und sie setzte sich auf die Bettkante. »Warum hast du beim Abendessen nichts davon gesagt? Dein Vater hätte dir ein Schmerzmittel gegeben.«
»Ich wollte nicht jammern«, gestand Felix, dem der mütterliche Zuspruch sichtlich gut tat. Wie ein kleiner Junge lehnte er den Kopf an Fees Schulter und ließ es sich gefallen, dass sie ihm sanft den Rücken streichelte. »Außerdem sind Tabletten nicht gut für die Nieren.«
»Oh, mein kluger Sohn. Aber Schlaflosigkeit wegen Schmerzen ist sicher auch nicht angenehm.«
»Ich glaube, jetzt ist es schon viel besser«, seufzte Felix zufrieden. Er kuschelte sich noch enger an seine Mutter und schloss die Augen. »Wenn ich ein Kater wäre, würde ich jetzt anfangen zu schnurren.«
Felicitas lachte belustigt auf.
»Bist du zum Glück aber nicht, so dass jetzt hoffentlich Ruhe im Haus ist und wir beide schlafen können.« Auch sie war müde und sehnte sich nach ihrem wohlverdienten Schlaf.
Sie drückte Felix einen sanften Kuss auf die Stirn, wartete, bis er sich hingelegt hatte, und zog ihm – ganz wie in alten Zeiten – die Bettdecke bis hinauf zum Kinn. »Gute Nacht, mein Schatz«, flüsterte sie. Sein regelmäßiger Atem war Antwort genug, und so kehrte sie glücklich in ihr Bett zurück.
Als Fee sich hingelegt hatte, spürte sie, wie sie zwei Arme von hinten umschlangen.
»Wo warst du denn, mein Liebling?«, murmelte Daniel verschlafen und drückte sein Gesicht in ihr duftendes Haar. »Ich hab dich vermisst.«
»Felix hat Schmerzen und konnte nicht schlafen. Da war ich kurz bei ihm«, erwiderte sie und zog die Arme ihres Mannes noch enger um sich. Daniels Nähe tat ihr gut, beruhigte sie, und sie liebte es, in seinen Armen zu liegen.
»Was hat er denn?«
»Offenbar hat er sich beim Hallenfußball einen Muskel gezerrt.«
»Sport ist Mord.« Daniel unterdrückte ein Gähnen, und Fee lachte leise.
»Man merkt, dass ihr verwandt seid. Felix hat vorhin dasselbe gesagt. Aber vielleicht müsstet ihr einfach nur vernünftig sein und euch ordentlich aufwärmen. Dann passiert sowas nicht.«
»Meine kluge Fee. Was täte ich nur ohne dich und deine weisen Ratschläge?«, raunte Daniel ihr ins Ohr und küsste zärtlich ihren Hals.
»Schlafen«, murmelte sie, schon halb im Reich der Träume, bevor sie sich endgültig von seiner zärtlichen Umarmung gefangen nehmen ließ.
*
Es war kurz nach sechs Uhr, als der Wecker klingelte. Zuerst wusste Danny Norden nicht, wo er war. Seine schmerzende Schulter hatte ihn die halbe Nacht wach gehalten. Erst im Morgengrauen war er in einen unruhigen Schlaf gefallen und fühlte sich dementsprechend gerädert. Doch seine Freundin Tatjana kannte keine Gnade.
»Ich hab soooo schrecklich Hunger!«, seufzte sie und schob die Hand unter der Bettdecke hervor, um den Wecker auszuschalten.
Danny wusste, was diese Bemerkung bedeutete.
»Nein, vergiss es. Bei dieser Kälte gehe ich auf keinen Fall raus und schon gar nicht zum Bäcker.« Er schlug die Bettdecke zurück und setzte sich auf. Dabei rieb er sich die schmerzende Schulter. »Mal abgesehen davon, dass ich schwer verletzt bin.«
»Bewegung ist gut für verspannte Muskeln«, erwiderte Tatjana erbarmungslos. »Außerdem willst du doch sicher nicht, dass ich einen grausamen Hungertod sterbe.«
»Und was ist mit meinem Kältetod?«, hielt Danny dagegen. Inzwischen war er aufgestanden und lugte vorsichtig durch den Spalt zwischen den Gardinen hinaus in den unfreundlichen Wintermorgen. Dicke Schneeflocken fielen von einem eisgrauen Himmel, und schon jetzt wusste er, dass die Fahrt zur Praxis eine einzige Rutschpartie werden würde.
»So schnell stirbt es sich nicht«, gluckste Tatjana vergnügt. »Das sagst du doch selbst immer.«
Kopfschüttelnd drehte sich Danny zu ihr um. Nur der blonde Haarschopf, die blitzenden blauen Augen und die Nasenspitzte schauten unter der Decke hervor, und am liebsten wäre er sofort wieder zu ihr ins Bett gekrochen, um sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Doch leider ließ das zu erwartende Verkehrschaos diese Maßnahme nicht zu.
»Was hast du eigentlich da, wo andere Menschen ein mitfühlendes Herz haben?«, fragte er und begnügte sich damit, ihre verführerischen Lippen zu küssen.
»Hunger!«, antwortete Tatjana ohne Zögern, und Danny musste so sehr lachen, dass sich sofort wieder der Schmerz in der Schulter meldete.
»Eigentlich habe ich dich gestern ja nur mitgenommen, damit du mich heute pflegen kannst«, stöhnte er so gequält auf, dass Tatjana doch ein