Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг
Читать онлайн книгу.Bravo! Bravo!« rief der Maharadscha, als der Hengst der Faust des Reiters gehorchte. »Tarvin Sahib, sie sollen meine regulären Reiter kommandieren!«
»Lieber zehn Millionen irreguläre Teufel!« rief Tarvin höchst unverbindlich. »Zurück, du Luder! Zurück!«
Unter dem Druck des Zaums legte sich der Kopf des Pferds tief auf die mit Schaumflocken bedeckte Brust, aber eh’ es ganz nachgab, bohrte es wieder die Vorderbeine in den Sand und bockte gerade so heimtückisch, wie eines von Tarvins eigenen Steppenpferden daheim im Westen.
»Beine strecken und Brust heraus,« murmelte Tarvin vergnügt vor sich hin, während der Gaul munter weiterbockte. Jetzt war der Reiter in seinem Element und fühlte sich ganz nach Topaz versetzt.
»Maro! Maro!« rief der König. »Jetzt hauen, aber scharf!« »Ach nein, den Spaß kann man ihm schon gönnen,« bemerkte Tarvin heiter. »Ich hab’s ganz gern.«
Als der Hengst müde wurde, mußte er richtig zehn Schritte rückwärts machen.
»So, jetzt kann’s weiter gehen,« sagte Tarvin, an des Maharadscha Seite in Trab fallend. »Ihr Fluß ist voll Gold,« bemerkte er nach kurzem Schweigen, als ob er ein eben abgebrochenes Gespräch fortsetzte.
»Als ich noch jung war, pflegten wir hier im Frühling den Eber mit dem Schwert zu jagen. Damals waren noch keine Engländer hier. Da drüben bei den Felsblöcken habe ich mir einmal das Schlüsselbein gebrochen.«
»Voll Gold, Maharadscha Sahib. Wie meinen Sie, daß man’s heben könnte?«
Tarvin kannte des Königs Neigung, Gespräche abzulenken, war aber nicht gesonnen, nachzugeben.
»Was verstehe ich davon!« warf der König hin. »Fragen Sie den Vertreter Sahib!«
»Aber, Maharadscha Sahib, wer beherrscht diesen Staat, Sie oder der Oberst?«
»Sie wissen es. Sie haben genug gesehen,« erwiderte der König und setzte, nach Norden und nach Süden deutend, hinzu: »Hier eine Eisenbahnlinie, dort eine Eisenbahnlinie, ich bin wie eine Ziege zwischen zwei Wölfen.«
»Aber das Land zwischen den beiden Linien ist jedenfalls Ihr Eigentum, womit Sie schalten können nach Belieben.«
Sie waren jetzt zwei oder drei Meilen vom Weichbild der Stadt entfernt und ritten längs dem Ametfluß dahin; die Pferde versanken bis über die Fesseln in dem weichen Sand. Der König blickte über die schlangenartigen Windungen des trägen, schimmernden Wassers nach den weißen mit Buchen bewachsenen Erdwellen der Wüste und der aus weiter Ferne herüberschimmernden Linie von Granithügeln, wo der Amet entsprang. Es war kein Anblick, der eines Herrschers Herz erfreuen konnte.
»Ja, ich bin der Herr dieses Landes,« sagte er, »aber der vierte Teil meiner Einkünfte bleibt in den Taschen derer, die sie einziehen, ein Viertel verweigern mir die schwarzgesichtigen Kamelzüchter des Sandmeers, und ich darf nicht gegen sie zu Feld ziehen, ein Viertel erhalte ich vielleicht, aber die Leute, die mir das letzte schuldig wären, wissen nicht, wohin sie es schicken sollen – jawohl, das nennt man einen reichen König!«
»Unter allen Umständen müßte der Fluß Ihr Einkommen verdreifachen.«
Der Maharadscha sah Tarvin aufmerksam an.
»Und was würde die englische Regierung dazu sagen?« fragte er.
»Ich weiß nicht recht, was die englische Regierung damit zu schaffen hätte! Sie können Orangengärten anlegen, wo es Ihnen beliebt, und Kanäle in weitem Bogen herumführen,« – in Seiner Majestät eingesunkenen Augen leuchtete ein Verständnis auf – »den Fluß auszubeuten, wäre eine viel einfachere Sache. Sie haben es doch schon mit Goldwaschen versucht, nicht?«
»Es wurde etwas Gold aus dem Fluß gewaschen, doch nur einen Sommer hindurch. Meine Gefängnisse waren damals so überfüllt, daß ein Aufruhr der Sträflinge zu fürchten war. Zu sehen war aber nichts außer diesen schwarzen Hunden, die im Sand wühlten. Das war in dem Jahr, wo ich mit einem Schimmelpony den Punahbecher gewann.«
Tarvin schlug schallend auf den Schenkel – was fruchtete es, mit diesem schlaffen Mann über Geschäfte zu reden, der alles, was ihm das Opium an Seele übrig gelassen hatte, für eine Kurzweil hingab. Er wußte aber auch diese Neigung zu benützen.
»Ja, viel zu sehen ist allerdings nicht beim Goldwaschen,« bemerkte er. »Man müßte oben an der Gungrastraße einen kleinen Damm machen, das wäre interessanter.«
»In der Nähe der Hügel?«
»Ja.«
»Niemand hat je den Amet eingedämmt,« sagte der König. »Er steigt aus dem Grund und versinkt in den Grund und zur Regenzeit ist er so breit wie der Indus.«
»Wir wollen aber vor der Regenzeit das ganze Flußbett bloßlegen – auf einer Strecke von zwanzig Meilen,« sagte Tarvin, scharf beobachtend, welchen Eindruck dieser Gedanke auf den König mache.
»Kein Mann hat je dem Amet ein neues Bett gegraben,« war die teilnahmlose Antwort.
»Weil kein Mann es je versuchte. Geben Sie mir die nötigen Arbeitskräfte, und ich lenke den Amet, wohin ich will.«
»Und wohin kommt das Wasser?« fragte der König.
»Es soll einen andern Weg gehen, gerade wie der Kanal einen andern Weg gehen mußte, um den Orangengarten nicht zu berühren.«
»Ach! Damals sprach der Oberst noch mit mir, als ob ich ein Kind wäre!«
»Sie wissen auch, daß er ein Recht dazu hatte, Maharadscha Sahib,« sagte Tarvin kaltblütig.
Diese Vermessenheit war so groß, daß der König einen Augenblick wie erstarrt war. Er wußte ja, daß die Geheimnisse seines häuslichen Lebens Gemeingut aller Klatschmäuler der Stadt waren; denn dreihundert Weibern den Mund zu schließen, geht über Fürstenmacht; aber daß man ihm selbst gegenüber so unverhohlen darauf anspielte, wie dieser verwegene Fremdling, der ein Engländer war und doch keiner, darauf war er nicht vorbereitet.
»In diesem Fall wird der Oberst nichts gegen Ihre Absicht einwenden,« fuhr Tarvin fort, »und überdies kommt sie Ihrem Volk zu gute.« »Das auch sein Volk ist,« bemerkte der König.
Die Wirkung des Opiums ließ allmählich nach, und des Königs Haupt sank schlaff auf die Brust herab.
»Dann werde ich morgen mit der Arbeit beginnen,« erklärte Tarvin. »Dabei gibt’s viel zu sehen! Ich muß die geeignetste Stelle aussuchen für den Damm – ich nehme an, daß Sie mir ein paar Hundert Sträflinge zur Verfügung stellen können.«
»Sind Sie deshalb hierher gekommen,« fragte der König, »um meinen Fluß abzulenken und meinen ganzen Staat auf den Kopf zu stellen?«
»Weil Ihnen das Lachen gut bekommt, Maharadscha Sahid, deshalb bin ich hier. Sie wissen’s ja so gut wie ich. Ich will jede Nacht Pachisi mit Ihnen spielen, bis Ihnen die Augen zufallen, und dann hab’ ich noch ein Talent, das in diesem Erdteil selten vorkommt – ich kann die Wahrheit reden.«
»Haben Sie mir die Wahrheit gesagt über den Maharadscha Kunwar? Ist er wirklich krank?«
»Krank nicht, aber schwächlich. Dem kann indes Fräulein Sheriff vollständig abhelfen, verlassen Sie sich darauf!«
»Ist das die reine Wahrheit? Bedenken Sie, daß er nach mir den Thron besteigen soll!«
»Wenn ich Fräulein Sheriff recht kenne, wird er ihn auch besteigen. Nur keine unnötigen Sorgen, Maharadscha Sahib!«
»Sie und Fräulein Sheriff sind sehr gut Freund miteinander? Sie kommen aus dem nämlichen Land?«
»Ja, aus derselben Stadt.«
»Erzählen Sie mir von dieser Stadt.«
Tarvin, der sich darum nie vergebens bitten ließ, fing arglos zu erzählen an. Er erzählte des langen und breiten mit der Wahrscheinlichkeit, die er seinen Berichten zu verleihen wußte, und die Liebe zu Topaz und die Bewunderung seiner Stadt riß ihn derart