Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus Cusanus

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Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus


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Natur und alles, was mit ihr gegeben ist, herstammt. Auch die Tempel des Friedens, der Ewigkeit und der Eintracht, das Pantheon, in dem ein Altar des Unendlichen (termini infiniti), der keine Grenze hat, in der Mitte unter freiem Himmel errichtet war, und ähnliche Erscheinungen zeigen uns, daß die Heiden Gott nach dem Verhältnisse zu den Geschöpfen verschieden benannt haben. Alle diese Namen sind nur die Entfaltung des einen unaussprechlichen Namens, und sofern der eigentlich Gott zukommende Name unendlich ist, faßt er unzählige solche den besonderen Vollkommenheiten entnommene Namen in sich. Daher ist auch die Entfaltung dieses Namens eine vielfache, die immer der Vermehrung fähig ist, und jeder einzelne Name verhält sich zu dem eigentlichen und unaussprechlichen Namen wie das Endliche zum Unendlichen.

      Die Heiden verlachten die Juden, welche den einen unendlichen Gott, den sie nicht kannten, anbeteten, und doch verehrten sie selbst ihn in der Entfaltung seines Wesens (quem tamen ipsi in explicationibus venerabantur), da sie ihn verehrten, wo immer sie seine göttlichen Werke erblickten. Der Unterschied im ganzen Menschengeschlechte bestand damals darin, daß alle an den einen größten Gott, über dem es keinen größeren gibt, glaubten, den die einen, wie die Juden und Sissennier, in seiner einfachsten Einheit, als den Inbegriff (complicatio) aller Dinge, die andern dagegen da verehrten, wo sie die Entfaltung seiner Gottheit wahrnahmen, wobei sie das für die Sinne Bekannte als einen Wegweiser zu der Ursache und dem Prinzip nahmen (recipiendo notum sensibiliter pro manuductione ad causam et principium). Auf der letzten Stufe (in hac ultima via) dieses Weges geriet das schlichte Volk in Irrtum, das die Entfaltung (der Gottheit) nicht als Bild, sondern als Wahrheit nahm, wodurch der Götzendienst im Volke sich ausbildete, während die Verständigeren in der Regel über die Einheit Gottes richtig dachten. Das ist jedem bekannt, der Tullius (Cicero) über die Natur der Götter und die alten Philosophen mit Aufmerksamkeit gelesen hat. Wir stellen indes nicht in Abrede, daß einige Heiden nicht eingesehen haben, daß Gott, das Sein der Dinge, in anderer Weise existiere denn als eine bloße Abstraktion außerhalb der Dinge, wie z. B. die erste Materie außerhalb der Dinge nur als eine Abstraktion existiert (Non negamus tamen, quosdam ex paganis non intellexisse37, Deum, cum sit entitas rerum, aliter, quam per abstractionem extra res esse, sicut prima materia extra res nonnisi per abstrahentem intellectum existit). Diese haben Gott in den Geschöpfen angebetet und den Götzendienst auch philosophisch begründet (rationibus astruebant). Einige glaubten auch, man könne Gott in etwas hineinzaubern (Deum devocabilem putarunt), wie denn die Sissannier ihn in Engel hineinzauberten; die Heiden zauberten ihn in Bäume hinein, nach dem, was man von dem Sonnen- und Mondsbaume liest. Andere zauberten ihn durch bestimmte Zauberformeln in Luft, Wasser oder Tempel. In welch großer Täuschung sie alle waren und wie weit von der Wahrheit entfernt, geht aus dem oben Gezeigten hervor.

      SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL

      Von der negativen Theologie

      Da die Gottesverehrung im Geiste und in der Wahrheit sich notwendig auf positive Aussagen von Gott gründet, so erhebt sich jede Religion in ihrer Gottesverehrung notwendig mittelst der affirmativen Gotteslehre zur Anbetung Gottes als des Einen und Dreieinigen, weisen, gnädigen, des Lebens, der Wahrheit etc., indem sie dieser Verehrung durch den Glauben, den sie durch die Wissenschaft des Nichtwissens richtiger auffaßt (verius attingit), die Richtung gibt, durch den Glauben nämlich, der, den sie als den Einen anbetet, sei alles in Einheit, und den sie als das unzugängliche Licht verehrt, sei nicht ein physisches Licht, das die Finsternis zum Gegensatze hat, sondern das einfachste und unendliche Licht, in dem die Finsternis unendliches Licht ist, das beständig in der Finsternis unseres Nichtwissens leuchtet, aber von dieser Finsternis nicht erfaßt werden kann. Daher ist die negative Gotteslehre eine so notwendige Ergänzung der positiven, daß ohne sie Gott nicht als unendlicher Gott, sondern vielmehr als Geschöpf verehrt würde. Dies Letztere ist Götzendienst, der dem Abbilde erweist, was nur der Wahrheit gebührt. Daher dürfte es zweckmäßig sein, über die negative Gotteslehre noch einige Worte beizufügen.

      Unsere heilige Wissenschaft des Nichtwissens (sacra ignorantia) hat uns belehrt, daß Gott unaussprechlich ist, weil er größer ist als alles, was genannt werden kann. Da dies ausgemacht ist, so werden wir von ihm richtiger auf dem Wege des Ausschließens und Regierens, gleich dem großen Dionysius, der ihn weder Wahrheit noch Vernunft, noch Licht, noch irgendetwas, was sich aussprechen läßt, genannt wissen wollte, denken. Ihm folgten der Rabbiner Salomon und alle Philosophen. Nach dieser negativen Gotteslehre ist daher Gott weder Vater, noch Sohn, noch heiliger Geist, sondern nur unendlich. Die Unendlichkeit als solche ist weder zeugend noch gezeugt, noch hervorgehend. Daher hat Hilarius von Poitiers sehr scharfsinnig in der Unterscheidung der göttlichen Personen gesagt: Im Ewigen ist Unendlichkeit, Idee, Ausübung (in aeterno infinitas, species in imagine, usus in munere). Er will sagen: Obwohl wir in der Ewigkeit nur die Unendlichkeit sehen können, so kann doch die Unendlichkeit, die die Ewigkeit ist, weil negativ, nicht als zeugend aufgefaßt werden, wohl aber die Ewigkeit, weil sie die Affirmation der Einheit oder größten Gegenwart ist. Sie ist daher der Anfang ohne Anfang, die Idee (species in imagine) ist der Anfang vom Anfang (principium a principio), die Ausübung (usus in munere) ist das Hervorgehen aus beidem. Dies ist durch das früher Gezeigte ganz klar; denn obwohl die Ewigkeit Unendlichkeit ist, so daß die Ewigkeit ebensowenig Ursache des Vaters ist als die Unendlichkeit, so wird doch in der Betrachtungsweise (secundum considerationis modum) die Ewigkeit dem Vater, nicht dem Sohne und heiligen Geiste zugeschrieben, die Unendlichkeit hingegen nicht einer Person mehr als der andern, weil die Unendlichkeit als Einheit betrachtet (secundum considerationem unitatis) der Vater, als Gleichheit der Einheit der Sohn, als Verbindung beider der heilige Geist ist. Dagegen die Unendlichkeit, schlechthin betrachtet, ist weder Vater noch Sohn, noch heiliger Geist. Wenn also gleich die Unendlichkeit und Ewigkeit jede der drei Personen ist und umgekehrt jede Person Unendlichkeit und Ewigkeit, so gilt dies doch nicht nach der Betrachtungsweise der Sache. Die Unendlichkeit, als solche betrachtet, ist Gott weder Einer noch Mehreres, vom Standpunkte der negativen Gotteslehre finden wir in Gott nichts anderes als die Unendlichkeit. Er ist daher auch nach derselben weder in dieser noch in der künftigen Welt erkennbar, weil jede Kreatur, da sie das unendliche Licht nicht fassen kann, im Verhältnis zu diesem verdunkelt wird. Gott ist nur sich selbst bekannt.

      Aus dem Gesagten erhellt, daß in der Gotteserkenntnis38 die Negationen wahr, die Affirmationen unzureichend sind. Je mehr Unvollkommenheit eine Negation von dem vollkommensten Wesen entfernt, desto wahrer ist sie. So ist es wahrer, Gott sei kein Sein, als er sei nicht das Leben oder die Intelligenz, wahrer, er sei nicht die Trunkenheit, als er sei nicht die Tugend. Das Gegenteil gilt von den Affirmationen. Es ist eine wahrere Affirmation, Gott sei die Intelligenz oder das Leben, als er sei Erde, Stein, Körper. Alles dies ist aus dem früher Gesagten ganz klar.

      Als Schlußwahrheit ergibt sich, daß die präzise Wahrheit in der Finsternis unseres Nichtwissens in unerfaßbarer Weise leuchtet, und das ist die Wissenschaft des Nichtwissens, die wir gesucht haben, durch die wir allein dem größten, dreieinigen Gott von unendlicher Güte auf den Stufen dieser Wissenschaft des Nichtwissens uns nahen können, um ihn aus allen unsern Kräften ewig dafür zu loben, daß er selbst sich uns als unbegreiflich zu erkennen gibt, der über alles gepriesen sei in Ewigkeit. Amen.

      Zweites Buch

      Nachdem die Wissenschaft des Nichtwissens über die Natur des absolut Größten mittels einiger symbolischen Figuren dargestellt ist, so wollen wir nun mittels dieses Größten, das einigermaßen wie in Umrissen in uns widerscheint, in derselben Methode das untersuchen, welches alles, was es ist, durch das absolut Größte ist. Da aber das Verursachte ganz aus seiner Ursache und nichts aus sich ist, und da es sich an den Ursprung und Grund, durch den es das ist, was es ist, so nahe und so ähnlich als möglich anschließt (originem et causam quanto propinquius et similius potest, concomitetur), so ist klar, daß die Natur des Konkreten (contractionis) schwer zu erkennen ist, wenn das absolute Urbild nicht erkannt ist. Wir müssen also auch hier über unser Begreifen hinaus ein gewisses Nichtwissen als Prinzip festhalten (in quadam ignorantia nos doctos esse convenit), um, da wir die präzise Wahrheit an sich nicht erfassen, wenigstens dahin zu gelangen, daß wir dieselbe als seiend erkennen (ut ipsam esse videamus), da wir sie für jetzt nicht ganz begreifen können.

      Dies


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