Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt

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Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt - Jacob Burckhardt


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auf noch spätere Kaiser100. Als historische Quelle sind diese Reden natürlich mit Vorsicht zu gebrauchen, in gewissen Beziehungen aber höchst schätzbar und auch als literarische Arbeiten keineswegs verächtlich. Der Stil ihrer Schmeichelei ist wahrscheinlich noch ganz derselbe, welcher in den verlorenen Lobreden des dritten Jahrhunderts herrschte. Lebhaft und fast zudringlich versetzt sich der Rhetor in die möglichst veredelte Person des anwesenden Kaisers hinein und errät ihm, eins nach dem andern, seine Gedanken, Pläne und Empfindungen, was der ausgelernte Höfling klüglich bleiben lässt, weil hier schon die idealisierende Dichtung indiskret ist, geschweige denn die Wahrheit. Dies wird jedoch überwogen durch den starken Duft unmittelbaren Lobes und Entzückens, wie es dem Ohre eines Maximian angemessen war, mochte auch dieser schwerlich genug Bildung besitzen, um all die verbindlichen Beziehungen zu verstehen. Da wird101 vor allem der Beiname Herculius ausgenützt zu einer beständigen Verflechtung und Parallelisierung mit der Geschichte des Hercules, welcher endlich gleichwohl zu kurz kömmt, insofern Maximians Bagaudensieg doch etwas ganz anderes sei als der Sieg des Alciden über Geryon. Schon etwas weiter reicht die sonst dem altern Kaiser vorbehaltene Vergleichung mit Juppiter, dessen Kindheit bekanntlich, wie die des am Donaustrand aufgewachsenen Maximian, von Waffenlärm umgeben war. Unermüdlich häuft der Redner Bild auf Bild, um die Eintracht der Kaiser zu verherrlichen; die Regierung ist ihnen gemeinschaftlich wie das Tageslicht zweien Augen; wie sie beide an einem Tage (vgl. S. 64) geboren sind, so ist ihre Herrschaft eine Zwillingsherrschaft gleich derjenigen der Heraklidenkönige in Sparta; Rom ist jetzt glücklicher als unter Romulus und Remus, deren einer den andern totschlug; es darf sich jetzt Herculea und Iovia zugleich nennen. Wie auf Maximian die Geschichte des Hercules, so wird nämlich auf Diocletian der Mythus von Zeus angewandt, zumal in Betreff der Allgegenwart, welche durch die kaiserlichen Schnellreisen gewissermassen nachgeahmt schien. Aber aus der wohlbemessenen Kadenz dieser Phrasen heraus klingt eine sehr kecke, selbst unverschämte Bevorzugung Maximians, welcher dergleichen vielleicht ohne eine Miene zu verziehen ganz gerne anhörte. »Durch Übernahme der Mitherrschaft hast du dem Diocletian mehr gegeben als von ihm empfangen . . . Du ahmst den Scipio Africanus nach, Diocletian aber dich« – dies und ähnliches wagte Mamertin im Palast zu Trier vor dem ganzen Hofe zu deklamieren. Freilich strömt dazwischen ungehemmt der Blütenregen gemeinschaftlicher Huldigungen für beide. »Wie der Rhein seit Maximians jenseitigen Eroberungen getrost vertrocknen darf, so braucht auch der Euphrat Syrien nicht mehr zu decken, seit Diocletian ihn überschritten . . . Ihr verschiebt die Triumphe um immer neuer Siege willen; ihr eilt zu immer grössern Dingen hin . . .« Auch viel kleinere Taten werden kühnlich zu grossen aufgestutzt. Bei Anlass der Zusammenkunft des Jahres 291, als Diocletian aus dem Orient, Maximian über die Alpen mitten im Winter nach Mailand eilten, ruft zum Beispiel Mamertinus aus: »Wer nicht mit Euch reiste, konnte glauben, Sonne und Mond hätten Euch ihr tägliches und nächtliches Gespann geliehen! Gegen den strengen Frost schützte Euch die Macht Eurer Majestät; während alles erfror, folgten Euch laue Frühlingslüfte und Sonnenschein. Geh doch, Hannibal, mit deiner Alpenreise!« – Wozu ganz wohl passt, dass seit der Herrschaft dieser Kaiser selbst die Erde plötzlich fruchtbarer geworden sei. In ähnlichem, nur mehr bukolischem Ton hatte einige Jahre vorher der Dichter Calpurnius Siculus (in der achten oder vierten Ekloge) den Caesar Numerian besungen, in dessen Gegenwart die Wälder vor Ehrfurcht schweigen, die Lämmer munter werden, die Wolle und die Milch reichlicher, Saaten und Bäume üppiger, denn unter seiner sterblichen Gestalt birgt sich ein Gott, vielleicht der höchste Juppiter selber. – Etwas feiner weiss der Redner Eumenius mit dem gebildeten Caesar Constantius Chlorus umzugehen102, wenn er zum Beispiel die Jugend Galliens vor die grosse Weltkarte zu führen verspricht, welche in der Halle zu Autun (zwischen dem Apollstempel und dem Kapitol mit dem Heiligtum der Minerva) auf die Mauer gemalt war. »Dort lasst uns nachsehen, wie Diocletians Milde das wild empörte Ägypten beruhigt, wie Maximian die Mauren niederschmettert, wie unter deiner Rechten, o Herr Constantius, Batavien und Britannien das verkümmerte Antlitz wieder aus Wäldern und Fluten emporheben, oder wie du, Caesar Galerius, persische Bogen und Köcher zu Boden trittst. Denn jetzt erst ist es eine Freude, den gemalten Erdkreis zu betrachten, da wir nichts mehr darauf erblicken, was nicht unser wäre.« Neben der schwungvollen Schilderung dieses erneuten »goldenen Zeitalters« mag man dem Redner die spielende Symbolik gerne nachsehen, welche er mit der Vierzahl der Regenten treibt. Sie erscheint ihm als Grund und Fundament der Weltordnung in den vier Elementen, den vier Jahreszeiten, selbst den vier Weltteilen103; nicht umsonst folgt je nach vier abgelaufenen Jahren das Lustrum; am Himmel sogar fliegt ein Viergespann vor dem Sonnenwagen, und wiederum sind den zwei grossen Himmelslichtern, Sonne und Mond, zwei kleinere, Morgenstern und Abendstern beigegeben. – Es sollte uns nicht wundern, wenn irgendwo im alten Gallien etwa ein Mosaikboden ausgegraben würde, welcher diese Ideen zu einer grossen Prachtkomposition verarbeitet enthielte. Die bildende Kunst und die Rhetorik mussten bei Aufgaben dieser Art oft auf die gleichen Mittel angewiesen sein. Eumenius zeichnet sich übrigens nicht bloss durch Takt und Talent vor den andern Lobrednern aus; wir werden in ihm einen ganz ehrwürdigen Patrioten kennenlernen, der nicht zu eigenem Vorteil schmeichelte. Hier wie in tausend Fällen muss das geschichtliche Urteil das, was die Zeit und die Umgebung dem einzelnen auferlegt, und das, was er kraft eigenen Entschlusses tut, sorgfältig zu scheiden suchen.

      Ob am Hofe Diocletians die Sprache um einige Grade knechtischer und mehr mit Phrasen der Anbetung vermischt war, wissen wir nicht. Jedenfalls muss das Zeremonienverhältnis, soweit es die kaiserliche Person betraf, noch ziemlich unentwickelt und unschuldig gewesen sein; gewiss hielt es noch keinen Vergleich aus mit dem spätern byzantinischen Hofe, wo Kaiser Constantinus Porphyrogennetos im zehnten Jahrhundert in Person den Hofmarschall machen muss, um Mit- und Nachwelt durch ein systematisches Buch in jenes Labyrinth heiliger Bräuche einzuweihen, deren Knechtschaft die allerheiligsten und gottgeliebtesten Autokratoren sich allmählich hatten gefallen lassen, seitdem kirchliches und höfisches Zeremoniell sich gegenseitig durchdrungen und gesteigert hatten.

      Wenn nun auch vom Throne abwärts das Titel- und Rangwesen allmählich die römische Gesellschaft überwältigte, so ist dies nicht notwendig die Schuld Diocletians. Der natürliche Erstarrungsprozess des antiken Lebens musste unvermeidlich diese Form annehmen; seit langer Zeit war die Regierung eine fast vollständige Soldatenherrschaft gewesen; eine solche aber wird jederzeit auch die ganze Staatsmaschine nach ihrem Bilde, das heisst mit strenger, äusserlich kennbarer Ordnung nach Graden und Würden umschaffen, weil die Subordination ihre Seele ist. Viele äussere Einrichtungen dieser Art, die man Diocletian beizulegen geneigt ist, können schon unter frühern Kaisern eingetreten sein; die definitive Umgestaltung des Staatswesens aber erfolgte erst unter Constantin.


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