Der Sufi-Weg. Osho

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Der Sufi-Weg - Osho


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von denen er keine Ahnung hat. Euer Bewusstsein steht auf einer sehr niedrigen Sprosse der Leiter. Ihr lebt in einem dunklen Tal voller Trauer und Unglück, und aus euren dunkelsten Abgründen heraus beurteilt ihr sogar noch einen Buddha. Selbst einen Buddha könnt ihr nicht gelten lassen, ohne ihn zu beurteilen. Selbst über einen Jesus sitzt ihr zu Gericht. Ihr urteilt nicht nur über ihn, ihr kreuzigt ihn sogar. Er wird von euch vor Gericht gezerrt, für schuldig befunden, verurteilt und bestraft.

      Ihr lebt im tiefen, nassen Tal. Nicht einmal in euren Träumen habt ihr die Gipfel gesehen. Ihr könnt sie euch nicht einmal vorstellen, denn selbst dazu müsst ihr wenigstens einmal einen Schimmer von ihnen gesehen haben. Von etwas, das euch absolut unbekannt ist, könnt ihr nicht einmal träumen; denn was ihr träumt, entsteht aus dem, was ihr kennt. Ihr könnt von Gott nicht träumen, weil ihr euch Gott nicht vorstellen könnt; ihr könnt euch den Gipfel nicht vorstellen, das Leben nicht vorstellen, das in einem Buddha pulsiert. Aber ihr urteilt.

      Ihr sagt: „Ja, dieser Mann ist ein Buddha, und der da ist keiner; dieser ist erleuchtet, und der nicht.“ Einem Erleuchteten könnt ihr damit nicht schaden, weil niemand ihm schaden kann, aber euch selber schadet ihr mit euren Urteilen.

      Sobald du geurteilt hast, hörst du geistig zu wachsen auf. Urteilen heißt stehen bleiben. Alle Bewegung hat aufgehört, alles Forschen, alle Mühe weiterzuwachsen. Dein Urteil steht fest; die Akten sind abgeschlossen. Und der Verstand liebt es, von festen Urteilen auszugehen, weil ihm jede Bewegung unbequem ist. Ein nicht abgeschlossener Prozess ist immer ungewiss, gefährlich. Aber wer zu einem endgültigen Schluss gekommen ist, hat ‚das Ziel erreicht‘; jetzt ist die Reise vorüber.

      Wer die Reise zum Höchsten antreten will, muss sich grundsätzlich davor hüten zu urteilen. Sicher, leicht ist es nicht, es ist fast unmöglich – denn ehe du dich versiehst, hat dein Verstand schon ein Urteil parat. Aber wenn du dir Mühe gibst, bildet sich in dir nach und nach eine hochempfindliche Wachheit aus. Und in diesem Zustand kannst du einfach das Urteilen sein lassen. Und sobald dir das gelingt, bist du religiös geworden. Dann weißt du nicht mehr, was richtig und was falsch ist.

      Normalerweise nennen wir gerade die Leute religiös, die „alles“ wissen – die genau wissen, was gut und was böse ist, was man tun darf und was man lassen soll. Sie tragen die zehn Gebote unterm Arm. Das macht die ‚religiösen‘ Leute so selbstgerecht und dickhäutig. Sie sind am Ziel angelangt. Sie haben aufgehört zu wachsen. Ihr Fluss ist zum stehenden Tümpel geworden. Wer wachsen will, wer fließen will – und alles Wachsen und Fließen geht bis ins Unendliche weiter, denn Gott ist kein fester Punkt, sondern die ständige Bewegung allen Lebens, der Schöpfung überhaupt – wer also mit Gott mitgehen will, der muss immerzu in Bewegung bleiben, immerzu unterwegs sein.

      Es ist wirklich so: die Reise geht nie mehr zu Ende. Wo ein Weg endet, beginnt der nächste. Und hinter jedem Berggipfel entdeckst du noch einen höheren. Du erreichst diesen Gipfel, du willst dich gerade ausruhen in dem Gedanken, jetzt endlich dein Ziel erreicht zu haben – und plötzlich siehst du einen noch höheren Gipfel vor dir. Von Gipfel zu Gipfel geht es weiter, eine endlose Reise. Gott ist eine Reise ohne Ende… Nur die Allerentschlossensten, nur diejenigen, die so mutig sind, jeden Gedanken ans Ziel aufzugeben, einfach nur unterwegs zu sein und sich vom Leben, vom Fluss tragen zu lassen, nur im Augenblick zu leben – und zwar restlos –, nur solche Menschen sind fähig, mit Gott zu gehen.

      Erfolgsstreber sind mittelmäßig. Alle eure Erfolgshelden sind Durchschnittsmenschen. Was kann man schon erreichen? Wenn sich das Höchste ‚erreichen‘ ließe, dann wäre es schon deshalb nicht das Höchste, weil es sich erreichen lässt. Wenn du es erreichen kannst, wie kann es da das Höchste sein?

      Wie kannst du das Ziel erreichen? Du?! Dann wäre das Ziel ja kleiner als du. Nein, das Ziel ist unerreichbar. Es gibt überhaupt kein Ziel – und das ist auch gut so. Und weil es so ist, gibt es für das Leben keinen Tod. Jedes Ziel würde es töten. Und nach dem Ziel würdest du überflüssig.

      Jemand, der zuviel urteilt, hindert sein eigenes Wachstum auf allen Ebenen. Haben sich deine Urteile erst einmal festgesetzt, wirst du unfähig, überhaupt etwas Neues zu sehen. Dein Urteil stellt sich in den Weg und lässt es sich nicht gefallen, durch etwas Neues in Frage gestellt zu werden. Von da an lebst du mit geschlossenen Augen. Keineswegs als Blinder – blind ist keiner – aber alle benehmen sich wie Blinde; dazu kommt es ganz automatisch: sie lassen sich durch ihre Urteile blenden. Wer die Augen aufmacht, muss erst die Angst überwinden, dass er vielleicht etwas sehen könnte, vielleicht einer Wirklichkeit in die Augen schauen muss, die er nicht wahrhaben will; die Angst, dass sein Urteil als falsch entlarvt wird.

      Deshalb sind Vorurteile so bequem. Du hast dich in einem Haus niedergelassen, und jetzt ist die Landstrasse vergessen und die Reise und all die Anstrengungen und die ewige Bewegung, die Gefahren und die Unsicherheit. Du hast dich vor dem Abenteuer verschanzt. Du hast dich in einem kleinen Haus verkrochen, wo es mollig warm und bequem ist. Inzwischen hast du schon Angst, aus dem Fenster zu sehen; also machst du lieber auch noch die Fensterläden zu. Jetzt hast du Angst, die Tür zu öffnen. Denn wer weiß – eine unbekannte Wirklichkeit könnte eintreten und deinen ganzen Komfort und deine ganze Gemütlichkeit und deine Sicherheit durcheinander wirbeln.

      Und darum stellt ihr euch lieber wie Blinde an. Aber ihr seid nicht blind – ihr seid nur schlau. Aber eure Schläue hat euch blind gemacht. Euer Verstand hat immer sofort ein Urteil parat. Und mit diesem Trick meidet ihr die unbequeme Reise. Urteilen ist eine Ausflucht. Es kommen viele Leute, alle möglichen Menschentypen zu mir, aber im Grunde können sie in zwei Grundtypen aufgeteilt werden: in diejenigen, die bereit sind, die Augen aufzumachen, und diejenigen, die sich weigern, die Augen aufzumachen.

      Mit einem, der bereit ist, die Augen zu öffnen, kann viel geschehen. Mit einem, der nicht dazu bereit ist, kann gar nichts geschehen. Er ist lebendig begraben, er lebt schon nicht mehr. Er lässt keinen frischen Wind durch sein Dasein wehen, er lässt keine neuen Blumen in sich aufblühen. Er lässt nichts Unbekanntes zu. Er hat Angst. Er fährt in eingefahrenen Gleisen, immer nur im Kreis herum, denn ein Kreis ist das Sicherste, was es gibt. Man stößt ständig auf die immer gleichen Dinge – er lebt wie eine Grammophon-Nadel auf einer Schallplatte: wieder und wieder und wieder dieselben Rillen. Und dann klagt ihr darüber, wie langweilig alles ist! Daran seid nur ihr selber schuld. Einer, der sich langweilt, ist einer, der mit geschlossenen Augen lebt. Langeweile ist nur die Folge davon. Einer, der mit offenen Augen lebt, langweilt sich nie.

      Das Leben ist ein solcher Zauberwald, es ist so magisch – ein ewiges Wunder! Augenblick für Augenblick geschehen um dich herum Millionen von Wundern – du aber lebst mit geschlossenen Augen, hinter deinen Vorurteilen. Du gehst an einer Blume vorbei, und wenn jemand sagt: „Wie schön!“, dann siehst du hin, ohne wirklich hinzusehen. Du sagst: „Ach ja, eine Rose, wie schön!“, aber du wiederholst damit nur eine Erinnerung aus der Vergangenheit wie eine Schallplatte. Dieselben Worte hast du schon oft und oft gesagt, viel zu oft. Jeder Blume hast du das gleiche gesagt. Leere Worte ohne Bedeutung. Du sagst es nur, weil es dir unangenehm wäre, nichts zu sagen. Neben dir sagt einer: „Schöne Blume!“ und wenn du nichts darauf sagst, dann macht das einen schlechten Eindruck. Also sagst du etwas: „Ja, wie schön“, sagst du, und alle beide habt ihr weder die Blume noch deren Schönheit gesehen. Es war ein Klischee. Und dann klagt ihr darüber, wie langweilig alles ist.

      Du liebst eine Frau – und es vergehen noch nicht einmal ein paar Stunden, die Flitterwochen sind noch nicht vorbei, und schon hat sich Staub auf deine Frau gelegt. Ganz so schön, wie sie noch vor ein paar Stunden war, ist sie jetzt nicht mehr. Ganz so wichtig wie vorhin ist sie dir nicht mehr.

      Was ist geschehen? Du meinst, sie jetzt zu kennen – dein Urteil steht fest… Jetzt ist sie für dich keine Fremde mehr – jetzt ‚kennst‘ du sie. Aber glaubst du wirklich, einen Menschen kennen zu können? Ein Mensch ist ein sich ständig verändernder Strom. Du kannst nie und nimmer einen Menschen ‚kennen‘.

      Am Morgen ist die Blume anders als am Abend – weil der Morgen anders ist! Die Sonne geht auf und die Vögel singen, und die Blume ist ein Teil des Ganzen. Auf den Blütenblättern der Blume spiegelt sich der Morgengesang der Vögel wider, sie sind durchdrungen vom Licht des neuen Tages, vom eben erwachten Leben.

      Am


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