Ekkehard. Joseph Victor von Scheffel

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Ekkehard - Joseph Victor von Scheffel


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der Tonweise: justus germinavit kamen jetzt die eintönigen schweren Klänge des Lobliedes auf den heiligen Benedictus aus dem Klosterhof zu den Wartenden gezogen, das schwere Tor knarrte auf, heraus schritt der Abt, paarweise langsamen Ganges der Zug der Brüder, die beiden Reihen erwiderten sich die Strophen des Hymnus.

      Dann gab der Abt ein Zeichen, daß der Gesang verstumme. Wie geht's Euch, Vetter Cralo, rief die Herzogin leichtfertig vom Roß, hab' Euch lange nicht gesehen. Hinket Ihr noch?

      Und er eröffnete die Bedingung, die auf den Eintritt gesetzt. Da sprach Frau Hadwig lächelnd: Solang ich den Zepter führe in Schwabenland, ist mir ein solcher Vorschlag nicht gemacht worden. Aber Eures Ordens Vorschrift soll von uns kein Leides geschehen; welchem der Brüder habt Ihr's zugewiesen, die Landesherrin über die Schwelle zu tragen?

      Sie ließ ihr funkelnd Auge über die geistliche Heerschar streifen. Wie sie auf Notker, des Stammlers, unheimlich Schwärmerantlitz traf, flüsterte sie leise der Griechin zu: Möglich, daß wir gleich wieder umkehren!

      Da sprach der Abt: Das ist des Pörtners Amt, dort steht er.

      Frau Hadwig wandte den Blick in der Richtung, die des Abts Zeigefinger wies; gesenkten Auges stund Ekkehard; sie erschaute die sinnige Gestalt im rotwangigen Schimmer der Jugend, es war ein langer Blick, mit dem sie über die gedankenbewegten Züge und das wallende gelbliche Haupthaar und die breite Tonsur streifte.

      Wir kehren nicht um! nickte sie zu ihrer Begleiterin, und bevor der kurzhalsige Kämmerer, der meistenteils den guten Willen und das Zuspätkommen hatte, vom Gaul herab und ihrem Schimmel genaht war, sprang sie anmutig aus dem Bügel, trat auf den Pörtner zu und sprach: – So tut, was Eures Amtes!

      Ekkehard hatte sich auf eine Anrede besonnen und gedachte mit Anwendung tadellosen Lateins die sonderbare Freiheit zu rechtfertigen, aber wie sie stolz und gebietend vor ihm stand, versagte ihm die Stimme, und die Rede blieb, wo sie entstanden – in seinen Gedanken. Aber er war unverzagten Mutes und umfaßte mit starkem Arm die Herzogin, die schmiegte sich vergnüglich an ihren Träger und lehnte den rechten Arm auf seine Schulter. Fröhlich schritt er unter seiner Bürde über die Schwelle, die kein Frauenfuß berühren durfte, der Abt ihm zur Seite, Kämmerer und Dienstmannen folgten, hoch schwangen die dienenden Knaben ihre Weihrauchfässer, und die Mönche wandelten in gedoppelter Reihe, wie sie gekommen, hinterdrein, die letzten Strophen ihres Loblieds singend.

      Es war ein wundersam Bild, wie es vor und nachmals in des Klosters Geschichte nicht wieder vorkam, und ließen sich von Freunden unnützer Worte an den Mönch, der die Herzogin trug, ersprießliche Bemerkungen anknüpfen über das Verhältnis der Kirche zum Staat in damaligen Zeiten und dessen Änderung in der Gegenwart...

      Ich bin Euch wohl schwer gefallen? sprach die Herzogin sanft.

      Hohe Herrin, Ihr mögt kecklich sagen, wie da geschrieben steht: mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht, war seine Erwiderung.

      Ich hätte nicht gedacht, sprach sie darauf, daß Ihr die Worte der Schrift zu einer Schmeichelrede anwendet. Wie heißet Ihr?

      Er antwortete: Sie nennen mich Ekkehard.

      Ekkehard! ich danke Euch! sagte die Herzogin mit anmutvoller Handbewegung.

      Er trat zurück an ein Bogenfenster im Kreuzgang und schaute hinaus ins Gärtlein. War's ein Zufall, daß ihm jetzt der heilige Christopherus vor die Gedanken trat?

      Dem deuchte seine Bürde auch leicht, da er anhub, das fremde Kindlein auf starker Schulter über den Strom zu tragen, aber schwer und schwerer senkte sich die Last auf seinen Nacken und preßte ihn hinab in die brausende Flut, tief, tief, daß sein Mut sich neigen wollt zu verzweifeln...

      Der Abt hatte einen köstlichen Henkelkrug bringen lassen, damit ging er selber zum Springquell, füllte ihn und trat vor die Herzogin. Der Abt soll den Fremden das Wasser darbringen, ihre Hand zu netzen, sprach er, und sich samt der ganzen Brüderschaft zur Fußwaschung –

      Frau Hadwig fügte sich. Leicht bog sie das Knie, da sie die Kutte aus seinen Händen empfing; sie warf das ungewohnte Kleidungsstück um, es stand ihr gut, faltig war's und weit, wie die Regel besagt: Der Abt soll ein scharfes Auge haben, daß die Gewänder nicht zu kurz seien für ihre Träger, sondern wohlgemessen.

      Reizend sah das lichte Frauenantlitz aus der dunkeln Kapuze.

      Für Euch gilt das Gleiche! rief nun der Abt zu der Herzogin Gefolge. Da hatte der böse Sindolt seine Freude dran, Herrn Spazzo einzukleiden. Und wißt Ihr auch, raunte er ihm ins Ohr, was die Kutte für Euch zu bedeuten hat? – Daß Ihr die Gelüste der Welt abschwöret und einen mäßigen, armen und keuschen Wandel gelobet für immerdar!

      Herr Spazzo war schon mit dem rechten Arm in das faltige Ordensgewand gefahren, schnell zog er ihn wieder zurück. Halt an, zürnte er, da muß ich Einsprache tun! Sindolt schlug ein Gelächter auf, da merkte der Kämmerer, es sei so ernst nicht gemeint, und sprach: Bruder, Ihr seid ein Schalk!

      Der Abt geleitete seine Gäste zuerst zur Kirche.

      1 enimvero hi tres, quamvis votis essent unicordes, natura tamen, ut fit, erant dissimiles. Siehe die rührende Schilderung der drei engverbundenen klösterlichen Freunde in Ekkeh. IV. casus S. Galli cap. 3 bei Pertz Monum. II. 94 u. ff., wo auch der böse Sindolt, ihr Widersacher, des näheren gezeichnet ist. Ratpert ist auch der Verfasser des Lobgesangs auf den heiligen Gallus in deutscher Sprache, von dessen Bedeutsamkeit die lateinische Übertragung Zeugnis gibt, die wir noch besitzen. Hattemer, Denkmale etc. I. 337. Das von Tutilo als Deckelplatten für eine Evangelienhandschrift geschnitzte Diptychon wird in der sanktgallischen Stiftsbibliothek aufbewahrt. Man bevorzugte bei kirchlichem Schmuck das Elfenbein, da der Elefant nach einem Ausdruck Notker Labeos in seiner Psalmenübersetzung für ein »keusches Vieh« (chiûsche fiêo) galt. Hattemer, Denkmale usw. II. 159.

      2 »Den ganzen Kreis des Wissens am Schluß des 9ten Jahrhunderts vergegenwärtigt uns das in Sankt Gallen aus der Schule Isos hervorgegangene, gemeiniglich nach dem Abtbischof Salomo III. von Konstanz genannte encyklopädische Wörterbuch (glossae Salomonis) in lateinischer Sprache. Es gibt zwar manches aus dem Schatze der alten Lexikographen, namentlich aus Isidorus, wörtlich wieder, enthält aber doch auch viele Eigentümlichkeiten zur Erläuterung damaliger Weltansichten und Verhältnisse und führt dabei die Mangelhaftigkeit der damaligen Kenntnisse und Begriffsbestimmungen vor Augen.« Stälin, wirtemberg. Geschichte Bd. I p. 405. Die von Sindolt erwähnte Glosse lautet: Rabulum = thincman. qui semper vult ad unam


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