Der kleine Fürst 254 – Adelsroman. Viola Maybach

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Der kleine Fürst 254 – Adelsroman - Viola Maybach


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ein, füllte den Rest des Kaffees in seine Thermoskanne und setzte sich dem Jungen gegenüber. Den ersten Kaffee des Tages trank er immer in Ruhe, das war wichtig für einen guten Start.

      Da er wusste, dass Marco sich für Autos interessierte, sagte er: »Wir haben gestern einen Oldtimer in die Werkstatt geliefert bekommen, an dem arbeiten wir bestimmt mehrere Wochen lang.

      Der Besitzer ist ein Liebhaber, der hat gleich mehrere davon. Ein Cadillac von 1958.«

      Tatsächlich flackerte Interesse in Marcos Augen auf. »Echt? Und was ist kaputt?«

      »Einiges«, seufzte Bernd. »Es wird wohl mehr oder weniger an mir hängen bleiben, die anderen interessieren sich eher für neue als für alte Autos. Die wissen zum Teil gar nicht mehr, was sie da machen müssten.«

      »Ich finde Oldtimer cool«, sagte Marco, »es nervt nur, dass man damit nicht schnell fahren kann.«

      Bernd lachte. »Ja, so denken die meisten, das kenne ich schon.« Er leerte seinen Becher und stand auf. »Ich muss los.«

      »Wieso eigentlich so früh?«

      »Weil ich um diese Zeit ungestört arbeiten kann. Später gibt es dauernd Unterbrechungen, aber morgens um sechs stört mich keiner. Für mich ist das die beste Zeit des Tages.«

      »Komisch, dass jemand freiwillig so früh aufsteht«, murmelte Marco.

      »Mir macht es nichts aus, für mich ist der frühe Morgen die schönste Tageszeit.«

      Bernd verließ das Haus mit dem guten Gefühl, zum ersten Mal so etwas Ähnliches wie ein Gespräch mit Marco geführt zu haben. Immerhin, das war ein Fortschritt.

      *

      Lola bemühte sich, leise zu sein, um ihre Schwester nicht zu wecken. Karina hatte ja frei, sie wollte ausschlafen, und Lola war viel zu früh aufgestanden. Sie musste noch einmal nach Hause, um ihre Schulsachen zu holen – und dann musste sie zu Daniel, wo sie sich treffen wollten, um über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Daniels Vater verließ das Haus immer sehr früh, deshalb würden sie bei Daniel ungestört sein.

      Sie hatte nur wenig geschlafen in der vergangenen Nacht. Und wenn sie eingeschlafen war, war es ein unruhiger, von wirren Träumen zerrissener Schlaf gewesen. Sie fühlte sich jedenfalls wie gerädert. Und immer wieder hatte sie auch Polizeisirenen gehört, die dem galten, was sie und ihre Freunde getan hatten. Jetzt, im Angesicht des heraufziehenden Tages kam es ihr unwahrscheinlich vor, dass sie tatsächlich den kleinen Fürsten und seine Freundin entführt und eingesperrt hatten. Das war doch Wahnsinn! Aber sie hatten es getan.

      Sie verzichtete aufs Duschen, denn das Bad lag neben Karinas Schlafzimmer, sie wäre davon sicherlich wach geworden. Sie zog sich nur schnell an, faltete das Bettzeug ordentlich zusammen und legte es ans Fußende des Sofas, auf dem sie geschlafen hatte. Dann verließ sie auf Zehenspitzen die Wohnung, nachdem sie Karina noch ein paar Dankesworte auf einen Zettel gekritzelt und diesen auf den Küchentisch gelegt hatte.

      Draußen war es noch kühl, die Luft roch frisch. Sie sah sich vorsichtig nach allen Seiten um, aber nirgends war ein Polizeiauto zu sehen. Immer wieder war sie in der Nacht aufgeschreckt, weil sie sich eingebildet hatte, es hätte an Karinas Tür geklingelt, dort stünde die Polizei und begehrte Einlass, um sie, Lola, festzunehmen.

      Sie erreichte das Haus, in dem ihre Eltern wohnten, ohne dass jemand sie anhielt und von ihr verlangte, sich auszuweisen. Als sie die Wohnung betrat, stellte sie fest, dass ihr Vater Vincent schon auf den Beinen war. Einen Moment lang überfiel sie die lähmende Angst, er könne wieder angefangen haben zu trinken, aber er grinste sie nur freundlich an und sagte: »Früh auf den Beinen!«

      »Du auch, Papa.«

      »Ich habe einiges gutzumachen bei der Arbeit«, sagte er.

      Vincent Kullmann ging seit neuestem regelmäßig zu Treffen der Anonymen Alkoholiker, und die schienen ihm tatsächlich zu helfen. Jedenfalls hatte er, seit Lolas Ausraster, als sie ihren Eltern angedroht hatte, auszuziehen und sie ihrem Schicksal zu überlassen, sollten sie nicht beide ihr Leben ändern, keinen Alkohol mehr angerührt.

      Und Lolas Mutter Brigitte hatte ihren Depressionen den Kampf angesagt und das Bett, ihren Rückzugsort, verlassen, um sich wieder dem Leben zu stellen.

      Sie arbeitete als Putzfrau in Privathaushalten, und offenbar machte sie es gut, denn sie wurde weiterempfohlen.

      »Hauptsache, du bleibst trocken«, sagte Lola. »Das Leben ist einfach schöner so, für uns alle.«

      »Ich weiß«, erwiderte ihr Vater. »Was war eigentlich los? Wieso hast du bei Karina übernachtet? Wir haben uns Sorgen gemacht gestern Abend, als du ewig nicht gekommen bist.«

      Auch das war neu: dass ihre Eltern sich Sorgen um sie machten. Früher war es eher andersherum gewesen, da hatte Lola sich beständig um ihre Eltern gesorgt, vor allem, seit Karina ausgezogen war.

      »Ich wollte mal wieder in Ruhe mit ihr reden, aber dann ist sie erst ziemlich spät gekommen. Und sie hat mir gesagt, dass überall Kontrollen auf den Straßen sind. Sie hätte mich nach Hause bringen müssen, damit ich keinen Ärger kriege, und das wollte ich nicht.«

      Lola fand, dass diese Erklärung ziemlich überzeugend klang. Sie hatte sie sich sorgfältig zurechtgelegt.

      Vincent nickte denn auch und brummte etwas Unverständliches. Gleich darauf erschien Lolas Mutter. »Du bist aber früh«, staunte Brigitte Kullmann. »Es ist ja noch nicht einmal sechs.«

      »Ich weiß, ich habe nicht so gut geschlafen bei Karina. Und wieso seid ihr so früh auf?«

      »Wenn ich nichts trinke, schlafe ich nicht gut«, erklärte Vincent leicht verlegen. »Jedenfalls werde ich früh wach, da kann ich dann ja auch aufstehen. So bin ich früher bei der Arbeit, das kommt gut an.«

      Lola konnte es sich vorstellen. Vincents Kollegen hatten ihn und seine Alkoholsucht lange gedeckt, weil er beliebt war und gut in seinem Job, so lange er nüchtern war. Aber in letzter Zeit hatten die anderen Phasen überwogen. Er hatte tatsächlich einiges gut zu machen.

      »Und ich fange heute in einer neuen Familie an«, erklärte Brigitte. »Da bin ich vorher immer ein bisschen aufgeregt. Ich habe immer noch Angst, dass ich etwas beschädige und mich die Leute dann gleich wieder rauswerfen.«

      »Ach, Mama«, sagte Lola.

      Brigitte verschwand in der Küche, um Frühstück zu machen. Lola hätte ihr gern gesagt, dass sie keinen Hunger hatte, aber sie bezwang sich. Die Devise lautete: Nicht auffallen. Marco hatte ihnen das eingeschärft, und er hatte zweifellos Recht.

      Außerdem hatte sie noch jede Menge Zeit, bevor sie sich auf den Weg zu Daniel machen musste.

      *

      Alina wachte davon auf, dass ihre Mutter ins Bad ging. Die kleine Wohnung war wirklich sehr hellhörig, hier konnte man schlecht ein Geheimnis hüten.

      Bei diesem Gedanken setzte für einen Moment ihr Herzschlag aus. Sie schloss die Augen wieder. Ihr Geheimnis! Wie hatte sie überhaupt schlafen können, angesichts ihres schrecklichen Geheimnisses?

      Sie hatten den kleinen Fürsten und seine Freundin entführt, Lola, Daniel, Marco und sie. Gestern, am späten Nachmittag. Sie hatten die beiden entführt und dann in der alten Fabrik eingesperrt, die Daniel auf seinen Erkundungsfahrten gefunden hatte. Ein idealer Ort, um dort jemanden gefangen zu halten, der nicht entdeckt werden sollte. Jetzt, um diese Zeit etwa, hatten sich Marco und Daniel auf den Weg machen wollen, um die beiden wieder zu befreien, aber das war unmöglich, weil es überall in der Stadt von Polizei nur so wimmelte, Lola und Daniel hatten es ihr gestern Abend noch erzählt.

      Und das hieß: Sie hatten nicht nur ein Geheimnis, sondern vor allem ein Problem. Denn sie konnten die beiden ja nicht ewig da draußen festhalten, sie mussten sie befreien. Schließlich hatte es eigentlich gar keine Entführung sein sollen, sondern eher eine Art Denkzettel für Menschen, die sich um nichts Sorgen machen mussten, weil ihnen von Geburt an schon alles in den Schoß gelegt worden war.

      Sie versuchte,


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