Leni Behrendt Classic 49 – Liebesroman. Leni Behrendt
Читать онлайн книгу.war doch etwas Gutes, Schönes. Komischer Kauz! Nein, er gefiel ihr nicht.
Umso mehr tat es die Gräfin. Die hatte sie bereits in ihr Herz geschlossen. Sie nahm sich vor, recht lieb zu der Ärmsten zu sein, die so jammervoll dahinvegetieren mußte. Ein Mitgefühl bemächtigte sich ihrer, das sie bis in den Traum verfolgte.
Sie zerbrach sich darin den Kopf, wie der Frau mit dem schmerzlichen Lächeln wohl zu helfen wäre. Und da ein Traum ja Unmögliches möglich machen kann, fühlte sich Holda als hervorragende Ärztin. Als sie jedoch über die Heide schritt, um im Gefühl ihres Könnens der Gräfin Heilung von ihrem Leiden zu bringen, kam diese ihr leichtfüßig entgegen. Lachend schlug sie die Laute und sang dazu das Lied, das die jetzt Träumende am Abend gesungen hatte. Sie jubelte die Weise hinaus in die blühende Heide, und ihr Sohn, der glückstrahlend an ihrer Seite schritt, tat begeistert mit.
Allein der Anblick erfreute Holda keineswegs, sondern verursachte ihr einen brennenden Schmerz, der auch noch anhielt, als sie sich erschrocken im Bett hochrichtete. Unwillkürlich griff sie nach dem Kopf und stieß dort auf ein Etwas, das gewiß nicht traumhaft schön zu nennen war. Eine Biene hatte sich im Haar der Schläferin verfangen und in ihrer Bedrängnis zugestochen.
Bienen, nein, die liebte Holda durchaus nicht. Also tötete sie das Tierchen, das mit Verlust seines Stachels sowieso sein Leben einbüßen mußte, vollends und rieb dann wehleidig die schmerzende Stelle am Kopf. Der Tag fing ja gut an!
Sie sprang aus dem Bett, trat an das geöffnete Fenster, und was sich da ihren Augen bot, ließ ihr das Herz wieder einmal aufgehen vor Entzücken. Eine weite, gepflegte Rasenfläche, die wie smaragdgrüner Samt schimmerte. In der Mitte gleichfalls ein Springbrunnen, wie in den Anlagen vor dem Schloß. Den Rasen umsäumten Blumenrabatten und die Wege hoher Bäume.
Natürlich kannte Holda so manche Parkanlagen, aber diese schienen ihr besonders schön zu sein. Andächtig verharrte sie am Fenster, bis ein Geräusch sie aus ihrer Andacht riß. Sie beugte sich vor und erspähte unten eine Terrasse, wo Gottfried den Frühstückstisch deckte. Die Wirtschafterin stand daneben.
»Guten Morgen, Frau Auguste!« rief das Mädchen fröhlich, worauf die Angesprochene hochsah.
»Guten Morgen, Fräulein Rothe«, grüßte sie gnädig zurück. »Gut, daß Sie auch schon munter sind. Da kann Ihr Gepäck gleich nach oben gebracht werden.«
Fort war sie und erschien bald darauf bei Holda, in jeder Hand einen großen Koffer, die sie mit Nachdruck abstellte.
»Daß Gott erbarm, sind die Dinger schwer! Möchte nur wissen, was Sie da alles mitgeschleppt haben! Darüber wunderten sich schon die Männer, die das Gepäck von der Bahn holten.«
»Warum mühen Sie sich nun selbst damit ab?«
»Ach was!« wurde sie unwirsch unterbrochen. »Soll etwa so ein Mannsbild die Koffer hierherbringen, wo Sie im Spinnwebennachthemd herumlaufen? Und die Hausmädchen sollen sich durch Nebenarbeit nicht versäumen.«
»Ich hätte die Koffer ja holen können«, wagte Holda einzuwenden.
Die Gestrenge funkelte sie empört an. »Im Hemd vielleicht, was? Außerdem wären Sie Heimchen unter der Wucht zusammengeknickt.«
»Aber Frau Auguste, warum sind Sie den immer gleich so böse?« Holda lachte sie treuherzig an. »Es ist gewiß nicht meine Art, im Nachthemd herumzuspazieren. Ich besitze nämlich so ein Etwas, das sich Morgenrock nennt. Schauen Sie mal.«
Sie hielt der Frau das Kleidungsstück hin, worüber diese mißbilligend den Kopf schüttelte.
»Ein Nuschtwerk ist das. Haben Sie von der Sorte noch mehr in den Koffern?«
Aha, dachte Holda amüsiert, die liebe Neugierde! Dann sagte sie harmlos: »Darin sind nur die Kleidungsstücke, die jeder Mensch haben muß.«
»Und wovon sind die Dinger denn so schwer?«
»Das machen die Bücher.«
»Wozu brauchen Sie die?«
»Um mich zu bilden.«
»Lernen also. Na, dazu dürfte Ihnen wenig Zeit bleiben. Sie stehen hier nämlich in Lohn und Brot und haben daher Ihre Pflicht zu tun, verstanden?«
»Selbstverständlich, Frau Auguste. Aber in meiner Freizeit…«
»Haben Sie wenig.«
»Na schön«, entgegnete das Mädchen friedfertig, was Guste beschwichtigte.
Es klang schon freundlicher, als sie sagte: »Man muß eben erst abwarten, ob Sie taugen oder nicht. Nun ziehen Sie sich an, in einer halben Stunde ist Frühstück. Heute werde ich Ihnen noch das Bad richten, aber bilden Sie sich nur nicht ein, daß dieses zur Gewohnheit wird.«
»Wo werde ich denn so unbescheiden sein«, tat Holda scheinheilig. »Ich kann mich als einfache Angestellte doch unmöglich von Ihnen bedienen lassen, die Sie hier eine so einflußreiche Persönlichkeit sind.«
»Nun schwingen Sie bloß nicht so große Töne.« Ihre Ehrfurcht fand bei der anderen keine Würdigung. »Von Bedienen kann hier gar nicht die Rede sein. Das gibt’s hier nicht. Die Frau Gräfin hält sich noch nicht einmal eine Zofe, weil sowas nur für gesunde Menschen ist. Bei uns gibt’s überhaupt nur so viel Dienerschaft, wie es sich für Herrschaften schickt.«
Damit verschwand sie im Badezimmer, und Holda lachte in sich hinein. Sie schloß einen Koffer auf, blickte prüfend auf die Kleider, wählte ein buntgemustertes Seidenkleidchen, dazu ein samtnes, besticktes Bolerojäckchen, breitete beides über das Bett und war gespannt, was die Gestrenge daran zu bekritteln haben würde.
Die nahm die niedlichen Sachen denn auch scharf aufs Korn und gab ihr Urteil ab: »Hm, ganz hübsch, nur zu flitterig und zu schade für den Alltag. Jetzt aber rasch angezogen! Wenn die Hofglocke klingelt, dann gibt es Frühstück. Schon das zweite; denn die Arbeit beginnt um sechs. Für Fräuleins wie Sie allerdings erst um acht, weil die Frau Gräfin dann auch erst erscheint. Sie hätte besser getan…« Was, das blieb unausgesprochen, weil die Tür hinter der Nörgelnden zuklappte.
Holda beeilte sich nun mit der Morgentoilette und war gerade damit fertig, als die Hofglocke bimmelte und es gleichzeitig im Hause gongte. Hier schien tatsächlich Pünktlichkeit zu herrschen.
Sie fand nach einigen Irrwegen die Terrasse, wo die Gräfin am Tisch saß und ihr Sohn an der Brüstung lehnte. Ein leichtes Kopfnicken des Mädchens zu ihm hin, das mit einer knappen Verbeugung erwidert wurde, dann neigte Holda sich über die feine Frauenhand.
»Guten Morgen, Frau Gräfin.«
»Guten Morgen, Fräulein Rothe. Gut geschlafen?«
»Danke, ausgezeichnet. Geweckt wurde ich weniger sanft und zwar durch einen Bienenstich am Kopf«, setzte sie lachend hinzu. »Man scheint mich hier als Eindringling zu betrachten, den man verjagen will.«
»Dagegen müssen Sie sich eben wehren«, war die lächelnde Erwiderung. Freundlich schaute dabei die Hausherrin in das reizende Mädchengesicht.
»Ja, was ist denn das?« Holda zeigte auf ein flauschiges kleines Etwas, das in einem Korbsessel saß und sie aus blanken Knopfaugen mißtrauisch musterte.
»Das ist unser kleiner Schnudel«, erklärte Frau Feline. »Ob er rasserein ist, das weiß ich nicht. Doch da mein Sohn ihn mir als Findling ins Haus brachte, besitzt das Tierchen hier Heimatrechte.«
»Du bist ja süß.« Holda näherte sich dem Hündchen, das knurrend das kleine Gebiß fletschte. Auch unter dem Tisch knurrte es. Sich bückend, bemerkte sie Jagdhund und Dackel, die sie alles andere als freundlich ansahen.
»Seid doch nicht so böse«, sagte sie schmeichelnd. »Komm einmal her, du brauner Gesell.«
Der rührte sich nicht. Dafür erhob sich der Jagdhund, ein prächtiger Bursche mit einem selten schönen gelockten Behang. Vorsichtig witternd kam er näher, setzte sich dann vor Holda und blaffte freudig auf. Das war ein Signal für den Langhaardackel, seine buschige Rute in Bewegung zu setzen, und schon