Toni der Hüttenwirt 252 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt 252 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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dir keine Vorwürfe! Die Rosel ist eine sehr schöne Frau, war immer gut angezogen. Sie hat nie geklagt, hat sich mit ihrem Leben abgefunden und nach außen hin immer so getan, als wäre alles in Ordnung. Da lässt man sich leicht blenden.«

      Martin rieb sich das Kinn.

      »Du hast recht, Walli! Jetzt muss ich mir eine Therapie überlegen. Sie braucht eine Aufgabe. Vielleicht rede ich mal mit Marie Weißgerber. Es gibt immer Engpässe bei den Gemeindehelferinnen. Marie ist sicher froh, wenn sie in Urlaubszeiten oder wenn eine der Dorfhelferinnen krank ist, einen Ersatz hat. Rosel Horbach würde sich bestimmt dafür eignen.«

      Katja stimmte zu. Aber in ihren Augen war das zu wenig.

      »Rosel braucht eine Aufgabe, die sie jeden Tag fordert. Sie sollte mehr Kontakt zu anderen Menschen haben, Martin«, sagte Katja.

      »Du meinst, im Grunde fehlt ihr jetzt die eigene Familie, die sie nie hatte.«

      »Genau das denke ich, Martin. Andere Frauen in ihrem Alter haben Kinder, vielleicht schon Enkelkinder. Was weißt du über irgendwelche Verwandte?«

      Doktor Martin Engler zuckte mit den Schultern. Er wusste darüber nicht Bescheid.

      Walli vermutete, dass es keinen näheren Angehörigen gab. Der alte Horbach hatte keine Geschwister. Sicher gab es noch Seitenlinien der Verwandtschaft, aus der Generation der Urgroßeltern. Doch zu den weitläufigen Verwandten hatte Rosel keinen Kontakt. Katja, Martin und Walli erinnerten sich an die Beerdigung des alten Horbachs. Da waren keine weiteren Verwandten gekommen.

      »Katja, Walli, uns muss etwas einfallen«, sagte Martin.

      »Zu dumm auch, das die Rosel so vermögend ist. Wenn sie wenigstens gezwungen wäre, Ferienwohnungen zu vermieten, dann wäre Leben auf dem Hof«, sagte Walli. »Aber so wie ich Rosel einschätze, würde sie den Vorschlag ablehnen. Ihr Vater wollte nicht an Feriengäste vermieten. Als braves Madl kommt sie auch noch nach dem Tode ihres Vaters seinem Willen und Wunsch nach. Es ist leider so, dass die nächste Generation die Träume ihrer Eltern verwirklicht und nicht ihre eigenen. Das habe ich oft erlebt.«

      »Das ist eigentlich traurig, Walli«, seufzte Martin.

      »Ja, das ist traurig«, stimmte Katja zu.

      Dann hatte Martin eine Idee.

      »Leute, mir kommt gerade ein Gedanke. Eines weiß ich mit Sicherheit, die Rosel hat ein großes, weiches Herz. Wir müssen bei ihr jemand einquartieren, am besten für längere Zeit, der Hilfe braucht. Vielleicht jemand, der sich aus gesundheitlichen Gründen eine längere Zeit in den Bergen erholen soll. Am besten jemanden, den Rosel richtig umsorgen kann. Essen kochen und zu Spaziergängen begleiten, so in der Art.«

      »Bist du sicher, dass du sie dazu überreden kannst, Martin?«, fragte Katja.

      »Ich appelliere an ihr gutes Herz. Ich bitte sie um Aufnahme der betreffenden Person, erst einmal nur für den Übergang. Sie wird mir die Bitte bestimmt nicht abschlagen, Katja.«

      »Einen Versuch ist es wert, Martin«, stimmte Walli zu.

      Katja und Walli hatten alle Bohnen geschnitten.

      Katja räumte den Tisch ab.

      »Mit den Bohnen machen wir nachher weiter. Erst überlegen wir, wie wir Rosel helfen können.« Katja hielt mitten in der Bewegung inne. »Und mir kommt gerade die Lösung, Martin.«

      »So? Raus damit!«

      »Wie lange ist es her, dass Felix dich besucht hat? Er hat damals von einer kleinen Patientin erzählt, deren Schicksal ihm sehr naheging. Wie war der Name des Mädchens gleich?«

      »Lena«, sagte Martin.

      Seine Gesichtszüge hellten sich auf. Er verstand Katja sofort, auch ohne viele Worte.

      Martin ging zum Telefon. Die Telefonnummer seines Studienkollegen, der in München eine Kinderarztpraxis hatte, war einprogrammiert. Doktor Felix Linder hatte Abendsprechstunde. Es dauerte etwas, dann war er am Hörer.

      »Grüß dich, Martin!«, sagte er. »Entschuldige, dass du einen Augenblick warten musstest. Ich hatte noch einen kleinen Patienten hier. Aber jetzt habe ich Zeit, Schluss für heute. Willst du mich an mein Versprechen erinnern, euch öfters zu besuchen?«

      »Das natürlich auch, Felix. Aber ich rufe aus einem anderen Grund an. Katja, Walli und ich sitzen gerade zusammen und reden so über Patienten und dies und das. Da haben wir uns an deinen Besuch erinnert. Ja, wir sollten mal wieder eine schöne Wanderung oder eine Klettertour machen. Übrigens, ich soll dir Grüße von Toni ausrichten und von Anna. Wenn er rechtzeitig weiß, wann du kommst, wird er es einrichten, dass wir zusammen zum Gipfel des Engelssteigs klettern können.«

      »Richte allen auf der Berghütte Grüße aus! Ich werde bald mal wieder kommen. Ich gebe rechtzeitig Bescheid. Also an den nächsten drei bis vier Wochenenden wird das schwierig werden. Du weißt, dass ich oft Wochenendvertretungen in der Kinderklinik außerhalb von München mache.«

      »Das ist das Stichwort. Du hast uns damals von einem Mädchen erzählt, Lena. Wie geht es ihr?«

      »Schön, dass du nach ihr fragst. Der Heilungsprozess ist so weit abgeschlossen. Die Krankenkasse hatte auch eine kurze Kur bewilligt. Aber das war in meinen Augen zu wenig. Sie ist noch ziemlich schwach und blass. Mir zerreißt es fast das Herz, wenn ich sie sehe und ihre Mutter. Die beiden sehen wirklich elend aus. Martin, ich frage mich, warum das Schicksal die einen so begünstigt und anderen so viel Leid aufbürdet?«

      »Diese Frage kann dir kein Mensch beantworten, Felix. Damit schlage ich mich auch oft herum. Aber was die kleine Lena und ihre Mutter betrifft, habe ich eine Idee.«

      »Ich höre!«

      Martin erzählte von seiner Patientin Rosel Horbach und der Idee, Lena und ihre Mutter dort für eine Weile unterzubringen.

      »Damit wäre beiden Seiten geholfen. Meinst du Lenas Mutter wäre damit einverstanden, Felix?«

      »Das weiß ich nicht. Ich müsste mit ihr sprechen. Aber ich denke, dass sie das Angebot gern annimmt. Für ihre Tochter tut sie alles.«

      Sie unterhielten sich noch eine Weile. Martin sagte, dass er mit seiner Patientin Rosel Horbach sprechen und dann zurückrufen werde. Sie verabschiedeten sich.

      Da Martin das Telefon auf ›Laut‹ gestellt hatte, hatten Katja und Walli mithören können.

      Nach dem Telefongespräch sah Martin Katja und Walli an.

      »So, dann werde ich mit Mia einen schönen Abendspaziergang machen und Rosel Horbach besuchen. Haltet mir die Daumen!«

      Katja und Walli nickten.

      »Lass dir Zeit, Martin! Wir haben genug zu tun, die Bohnen einzukochen und einzulegen. Wir essen später zu Abend. Es gibt nix Warmes. Ich richte eine kalte Brotzeit.«

      Martin holte die Hundeleine und verließ das Haus.

      *

      Doktor Martin Engler machte einen Spaziergang über die Wiesen und durch die Felder. Er ließ Mia, die Pointerhündin, von der Leine. Sie rannte fröhlich herum, schnüffelte hier und dort. Derweil war Martin in Gedanken. Er überlegte sich seine Worte, wie er Rosel die Sache nahebringen könnte.

      Als Martin zum Horbach Hof kam, goss Rosel die Geranien vor den Fensterbänken.

      »Grüß Gott, Rosel!«

      »Grüß Gott, Herr Doktor!«

      »Mei Rosel, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du des mit dem ›Herr Doktor‹ lassen sollst. Schon als kleiner Bub hab ich Rosel zu dir gesagt und du Martin. Ich bin kein anderer Mensch, nur weil ich Medizin studiert habe und dein Doktor bin.«

      »Schon gut, Martin! Ich nehme es zurück.«

      »Gut so! Hast du mal ein bisserl Wasser für Mia? Sie hat Durst.«

      »Sicher, kommt mit rein in die Küche!«

      Martin


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