Der Arzt vom Tegernsee 50 – Arztroman. Laura Martens

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Der Arzt vom Tegernsee 50 – Arztroman - Laura Martens


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versuchte, die Fahrertür zu öffnen. Sie klemmte. Eilig ging er um den Wagen herum und probierte es auf der anderen Seite. Erleichtert atmete er auf, als die Tür nachgab.

      Die jungen Leute lebten, wie der Arzt auf einen Blick erkannte, schienen jedoch ohne Bewußtsein zu sein. Er tastete am Hals der Frau nach ihrem Puls. Ganz schwach spürte er ihn unter seinen Fingern. Den Mann konnte er im Moment noch nicht erreichen.

      So schnell es ging, kehrte Eric zu seinem Wagen zurück. Es war ein Fehler gewesen, nicht gleich an seine Tasche und den Gurtschneider zu denken. Er nahm sein Handy aus dem Handschuhfach und rief den Notdienst an.

      Nur Minuten später befand sich der Arzt wieder bei dem verunglückten Wagen. Er spürte kaum, daß ihn der Regen schon bis auf die Haut durchnäßt hatte. Vorsichtig stützte er die junge Frau ab, während er den Gurt durchschnitt, dann zog er sie ins Freie und legte sie ins Gras. Bis auf einige Abschürfungen und einer blutigen Stelle an der Stirn schien sie keine äußeren Verletzungen erlitten zu haben.

      Dr. Baumann sorgte dafür, daß der Regen nicht ihr Gesicht traf, bevor er sich in den Wagen kniete, um auch den zweiten Gurt durchzuschneiden. Der Mann stöhnte auf, als er ihn berührte. »Keine Angst, Sie sind in Sicherheit«, sagte Eric. »Ihnen wird geholfen.«

      Nur ein erneutes Stöhnen antwortete ihm. Dr. Baumann faßte ihn unter die Schultern und zog ihn aus dem Wagen. Behutsam legte er ihn ebenfalls ins Gras. Der Mann schien unter einem schweren Schock zu stehen. Er hatte Schüttelfrost, und sein Blutdruck war so weit gesunken, daß es bereits gefährlich wurde. »Carmen«, murmelte er.

      »Ihre Frau lebt«, versuchte Eric ihn zu beruhigen.

      »Hochzeit… Carmen… Ich…« Der Mann wollte sich aufrichten, es gelang ihm nicht.

      »Bitte, bleiben Sie ganz ruhig liegen«, bat Dr. Baumann. Er breitete eine der beiden Decken über ihn, die er im Wagen gefunden hatte. »Ich muß mich um Ihre Frau kümmern.« Er war sich nicht sicher, ob der Mann ihn verstanden hatte, doch er rührte sich nicht.

      Routiniert untersuchte Eric die bewußtlose Frau. Es gab keine Anzeichen für einen Schädelbruch. Er vermutete, ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Je eher sie ins Krankenhaus kam, um so besser würde es sein. Er war froh, als er hörte, wie sich Polizeifahrzeuge und Krankenwagen der Unglücksstelle näherten.

      Nur wenige Minuten später wurde die Gegend vom Licht der Scheinwerfer fast taghell erleuchtet. Ein weiterer Arzt und die Sanitäter kümmerten sich um die Verletzten. Dr. Baumann half ihnen, sie zu versorgen. Die junge Frau war noch immer bewußtlos.

      »Carmen«, flüsterte der Mann. »Ich muß zu meiner Frau. Sie ist meine Frau. Sie…«

      »Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Frau«, bat Dr. Baumann. »Es wird alles für sie getan, was uns möglich ist. Sie kommen in dasselbe Krankenhaus wie Ihre Frau.« Er drückte die Hand des Verunglückten. »Wie heißen Sie? Können Sie sich daran erinnern?«

      »Thiele, wir heißen Thiele«, flüsterte der Mann. »Carmen und Christian Thiele. Berlin…« Erschöpft schloß er die Augen. Zwei Minuten später befand er sich bereits auf dem Weg nach Tegernsee.

      Eric brauchte nur ein paar Minuten, um noch mit der Polizei zu sprechen, dann stieg er in seinen Wagen und folgte den beiden Krankenwagen. Er hoffte, daß man der jungen Frau helfen konnte. Ihr Mann schien Glück im Unglück gehabt zu haben, allerdings konnte man das ohne genauere Untersuchung nicht so leicht vorhersagen. Auch wenn es keine Anzeichen für innere Verletzungen gegeben hatte, mußte das noch lange nicht heißen, daß der Schock das einzige war, worunter Christian Thiele litt.

      Vom Parkplatz des Krankenhauses aus rief Eric erst einmal seine Haushälterin an, um ihr zu sagen, daß es später wurde. Da sie wußte, wann er von München abgefahren war, hatte sie sich bereits Sorgen gemacht.

      »Bei diesem Unwetter hat es wenig Sinn, mit Franzl einen längeren Spaziergang zu machen«, meinte Katharina. »Ich werde ihn nur rasch in den Garten lassen.«

      »Ja, das ist in Ordnung«, erwiderte der Arzt. »Ich weiß nicht genau, wann ich nach Hause kommen werde, Katharina«, fuhr er fort. »Bitte warte nicht auf mich. Es reicht, wenn du mir mein Abendessen und eine Kanne Tee in die Küche stellst.«

      »Nun, wir werden sehen«, bemerkte seine Haushälterin. Sie nahm sich vor, auf jeden Fall aufzubleiben. Schließlich wollte sie alles über den Unfall erfahren.

      Als Dr. Baumann in die Aufnahme kam, erfuhr er, daß Carmen Thiele bereits zur Computertomographie in die Röntgenabteilung gebracht worden war. Es bestand der Verdacht einer Gehirnblutung. Ihr Mann lag noch in dem kleinen Raum, in dem man ihn untersucht hatte. Wie Eric vermutet hatte, hatte er einen schweren Schock erlitten, ansonsten schien ihm bis auf ein paar Abschürfungen nicht viel zu fehlen. Der Arzt ergriff Christians Hand. Er schlug die Augen auf.

      »Sie waren beim Wagen«, sagte er. »Ja, Sie waren beim Wagen. Sie…« Er schloß die Augen. »Wir haben gestern geheiratet, Carmen und ich. Ich liebe sie. Ich… Carmen… Carmen…«

      »Es wird alles gut«, versprach Eric. »Jetzt müssen Sie erst einmal gesund werden. Sie haben einen ziemlichen Schock erlitten. Nun, es ist kein Wunder. Wie ist es denn zu diesem Unfall gekommen?«

      »Regen… Der Wagen gehorchte mir nicht mehr. Er…« Christian drehte den Kopf zur Seite. Erneut begann er am ganzen Körper zu zittern.

      »Gleich wird es Ihnen bessergehen, Herr Thiele«, meinte die ältere Schwester, die mit einer Spritze in der Hand den kleinen Raum betrat. Behutsam injizierte sie ihm ein Beruhigungsmittel.

      Dr. Baumann begleitete Christian Thiele zur Station hinauf. Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu ihm ans Bett, um bei ihm zu bleiben, bis er eingeschlafen war. Alle paar Minuten schreckte der junge Mann auf und fragte nach seiner Frau.

      Es wurde elf, bis Christian Thiele endlich einschlief. Dr. Baumann verließ leise das Zimmer. Bevor er nach Hause fuhr, erkundigte er sich noch nach Carmen Thiele. Er erfuhr, daß sie inzwischen auf die Intensivstation gebracht worden war. Die junge Frau hatte tatsächlich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Der Verdacht einer Hirnblutung hatte sich zum Glück nicht bestätigt. Dennoch war sie noch immer bewußtlos.

      »Ich werde morgen anrufen, um zu erfahren, wie es ihr geht«, sagte er zu dem zuständigen Arzt. »Wissen Sie bereits, ob es jemanden gibt, den man verständigen kann?«

      »Wir haben in den Papieren nachgeschaut, die Herr Thiele dabei hatte. Wir wissen nur, daß das Ehepaar aus Berlin stammt, aber nicht, ob es irgendwelche Verwandten gibt. Nun, das werden wir noch klären.«

      Dr. Baumann verabschiedete sich von seinem Kollegen und verließ das Krankenhaus. Tief in Gedanken fuhr er nach Hause. So weit er verstanden hatte, befanden sich die Thieles auf ihrer Hochzeitsreise. Sicher hatten sie sich diese Reise in leuchtenden Farben ausgemalt, und nun lagen sie im Krankenhaus und es war ungewiß, wann die junge Frau aus ihrer Bewußtlosigkeit erwachen würde. Er hatte schon oft erlebt, daß derartige schwere Schädel-Hirn-Traumata ins Koma führten.

      *

      Dr. Baumann saß gerade mit Katharina Wittenberg beim Frühstück, als Franziskas Wagen in der Auffahrt hielt. Die Haushälterin stand auf, um die junge Frau zum Frühstück einzuladen. Eric erkannte sofort, daß Franziska in der vergangenen Nacht nicht viel geschlafen zu haben schien. Mit müden Bewegungen streichelte sie Franzl, der ihr schwanzwedelnd entgegengelaufen war.

      Katharina stellte ein weiteres Gedeck auf den Tisch und schenkte für die Krankengymnastin Kaffee ein. »Was ist passiert?« fragte sie. »Ich sage es dir nicht gern. Du siehst ziemlich gerädert aus.«

      Franziska Löbl holte ihren Block und ihren Stift aus der Rocktasche. »Ich hatte gestern einen heftigen Streit mit meinem Vater«, gestand sie. »Er will nicht einsehen, daß Manfred und ich schon vor unserer Hochzeit zusammenziehen möchten.« Ihr Verlobter und sie hatten vor einiger Zeit in Bad Wiessee ein Haus gekauft. Manfred Kessler hatte zuerst darauf bestanden, allein für die Kosten aufzukommen, hatte sich jedoch von Franziska überzeugen lassen, daß sie ein Recht darauf hatte, sich daran zu beteiligen.

      Eric


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