Dr. Norden Classic 39 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Dr. Norden Classic 39 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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      »In den Nachrichten haben sie gemeldet, dass ein Sturm aufzieht«, erklärte Felicitas Norden. Sie hielt das Telefon ans Ohr und blickte forschend durchs Wohnzimmerfenster nach draußen. »Bist du sicher, dass dein Flug geht?«

      Ihr Mann Daniel Norden hatte an einem Kongress in London teilgenommen und war im Begriff, in das nächste Flugzeug nach München zu steigen.

      »Hier ist alles in Ordnung, und es gibt auch keine Meldungen«, versuchte Daniel, Fee zu beruhigen. »Wahrscheinlich übertreiben die Medien wieder mal schamlos. Um das Sommerloch zu füllen, ist ihnen jedes Mittel recht.«

      Während er telefonierte, saß er am Tresen einer Bar, eine Cola vor sich, und beobachtete eine blonde Frau, die ein Stück von ihm entfernt ebenfalls auf einem Barhocker saß. Sie erregte nicht etwa seine Aufmerksamkeit, weil sie ein außergewöhnliches Gesicht hatte. Vielmehr war ihm aufgefallen, wie sie nervös mit den Fingern auf den Tresen aus schwarzem Marmor klopfte.

      »Schon möglich«, räumte Fee in die Gedanken ihres Mannes hinein ein und unterdrückte ein Husten.

      Seit Tagen fühlte sie sich nicht wohl in ihrer Haut und kämpfte tapfer gegen den Anflug einer Sommergrippe, wie sie vermutete.

      Aufmerksam, wie er war, bemerkte Daniel, dass etwas nicht stimmte.

      »Bist du immer noch krank?«

      »Ach, krank ist übertrieben. Ich habe ein bisschen Schnupfen, mehr nicht.« Die schmerzhaften Blasen, die sie am Morgen auf ihrer Mundschleimhaut entdeckt hatte, erwähnte sie vorsichtshalber nicht. Auf keinen Fall wollte sie ihren Mann beunruhigen. »Zum Glück hab ich mir heute Urlaub genommen. Ich werde es mir also mit meinen Büchern auf der Couch bequem machen und für meine Facharztprüfung büffeln.«

      »Mir wäre es lieber, du würdest es dir mit mir dort gemütlich machen«, entfuhr es Daniel, und Fee lachte geschmeichelt.

      »Mir auch«, ging sie auf seine sehnsüchtige Liebeserklärung ein. »Darauf kannst du Gift nehmen.«

      »Lieber nicht!«, raunte er in den Hörer. Die Frau am Tresen war inzwischen aufgestanden und wanderte rastlos auf und ab, wie er aus den Augenwinkeln bemerkte. Und auch für ihn wurde es langsam Zeit, sich auf den Weg zu machen. »Es reicht, wenn du mir die Sinne benebelst. Und das wirst du mit Sicherheit tun, wenn du wieder vor mir stehst.« Schon jetzt freute er sich auf dieses besondere Kribbeln, das ihn auch nach all den Jahren noch überfiel, wenn er seine Frau nach längerer Trennung wiedersah.

      Wieder lachte Fee, diesmal leise und verführerisch.

      »Ich werde mein Bestes geben«, versprach sie fast feierlich, bevor sie eine völlig andere Art von Kribbeln fühlte. Schnell hielt sie den Hörer vom Kopf weg und nieste herzhaft. »Bist du noch dran?«, fragte sie dann schniefend.

      »Gesundheit, mein Schatz«, wünschte Daniel mitfühlend. »Ich seh schon, es wird höchste Zeit, dass ich endlich heimkomme und dir meine Spezialbehandlung angedeihen lasse.«

      »Ich kann’s kaum erwarten.« Als Felicitas einen Kuss in den Hörer hauchte, war der angekündigte Sturm längst vergessen, und schon jetzt konnte sie es kaum erwarten, ihren geliebten Mann endlich wieder in die Arme zu schließen.

      *

      »Haben Sie Flugangst?«, erkundigte sich Dr. Daniel Norden mitfühlend bei der Frau, die neben ihm im Flugzeug Platz genommen hatte. Wie es der Zufall wollte, war es dieselbe, die er schon an der Bar beobachtet hatte.

      Sie saß noch nicht richtig, als sie sich auch schon anschnallte und mehrfach prüfte, ob der Gurt auch richtig saß. Als der Arzt sie ansprach, hielt sie inne und musterte ihn verlegen aus grünen Katzenaugen.

      »Nein!«, erklärte sie dann mit Nachdruck heraus. »Nein, ich habe keine Angst. Ich habe … na ja, ein bisschen vielleicht«, räumte sie schließlich zögernd ein. »Aber vielleicht sollte ich mich erst mal vorstellen«, wechselte sie schnell das Thema und hielt ihm verkrampft lächelnd die Rechte hin. »Mein Name ist Ricarda Schmied.«

      »Daniel Norden. Freut mich, Frau Schmied.«

      Während die Stewardess durch die Gänge ging und prüfte, ob die Fluggäste die Gurte geschlossen hatten, musterte Ricarda ihren Sitznachbarn forschend.

      »Kann es sein, dass wir uns irgendwoher kennen?«, fragte sie dann.

      »Wir waren in derselben Bar«, klärte Daniel sie lächelnd auf. »Dort habe ich bemerkt, dass Sie ganz schön aufgeregt sind.«

      »Dann ist Leugnen also zwecklos.«

      Die Maschine setzte sich in Bewegung und rollte auf die richtige Startbahn. Als sie abhob, schloss Ricarda die Augen und umklammerte die Lehnen, dass ihre Fingerknöchel weiß hervor traten. Sie entspannte sich erst wieder ein bisschen, als der Gong ertönte zum Zeichen, dass der Startvorgang abgeschlossen war.

      »Wissen Sie, dass die meisten Flugzeuge beim Start und bei der Landung abstürzen?«, wandte sie sich an Daniel, der inzwischen ein Magazin aufgeschlagen hatte. »Das ist ja schon im Normalfall nicht besonders toll. Aber ausgerechnet jetzt wäre es noch viel blöder.«

      Daniel ahnte, dass das Mitteilungsbedürfnis der jungen Frau von ihrer Nervosität rührte, und klappte das Heft wieder zu. Er hatte ohnehin keine Lust zu lesen und wandte sich an Ricarda.

      »Ach, wirklich?«

      Eine Flugbegleiterin bot Getränke an. Ricarda entschied sich für Sekt, während Dr. Norden mit einem Glas Wasser Vorlieb nahm.

      »Nicht, dass Sie denken, ich trinke tagsüber schon«, beeilte sie sich zu versichern. »Aber Alkohol beruhigt ja bekanntlich die Nerven. Allerdings sollte ich auch nicht betrunken sein, wenn mich Sebastian abholt.« Sie dankte der Stewardess und nahm das Glas mit zitternden Fingern. »Wissen Sie, Sebastian war meine erste Liebe. Damals war ich vierzehn. Aber unser Glück währte nur ein paar Wochen. Dann wurde mein Vater versetzt und wir sind weggezogen. Seitdem habe ich Sebastian nicht wiedergesehen.« Ricarda hielt inne und trank einen großen Schluck Sekt.

      »Und jetzt haben Sie sich wiedergefunden?«, fragte Daniel teils interessiert, teils aus Mitgefühl für die von Angst geplagte junge Frau.

      »Ja, ist das nicht ein Wunder?« Ricardas Augen leuchteten auf und für einen kurzen Moment vergaß sie ihre Panik. »Er hat mich auf einem sozialen Netzwerk im Internet gefunden und mich angeschrieben. Seitdem wird der Kontakt immer intensiver«, geriet sie unvermittelt ins Schwärmen. Unschwer zu erkennen, dass sie bis über beide Ohren verliebt war.

      »Und jetzt fliegen Sie zu ihm, um ihn zu besuchen?«, zog Dr. Norden den richtigen Schluss aus ihren Worten.

      Ricarda wollte antworten, als das Flugzeug einen Ruck machte. Sogar die Flugbegleiterin wurde überrascht und stolperte. Unvermittelt griff Ricarda nach Dr. Nordens Hand und umklammerte sie so fest, dass er vor Schmerz um ein Haar aufgeschrien hätte.

      »Was war das?«, keuchte sie, Panik im Blick. »O mein Gott, das ist doch Wahnsinn, was ich hier tue! In diesem riesigen Haufen Blech hoch über den Wolken zu sitzen. Ohne Fluchtmöglichkeit. Keine Chance, einen Absturz zu überleben.«

      In ihre Worte hinein gab es einen erneuten Stoß, der viel heftiger war als der erste. Diesmal war Ricarda nicht die einzige, die schrie. Auch andere Passagiere kreischten auf und umklammerten die Lehnen. Wie ein Stein stürzte das Flugzeug in die Tiefe. »Wir sterben! Wir müssen alle sterben!«, schrie Ricarda aus Leibeskräften. Taschen flogen umher, Getränke spritzten durch die Luft. Eine Flugbegleiterin war hingefallen und klammerte sich an einem Sitz fest.

      Daniel schrie nicht. Doch auch aus seinem Gesicht sprach die Angst, während er sich nach vorn beugte und den Kopf mit den Händen schützte.

      Ehe die Passagiere begriffen, was geschah, war auf einmal alles wieder normal. In die gespenstische Stille hinein rauschte und knackte der Lautsprecher.

      »Sehr verehrte Fluggäste, hier spricht der Kapitän«, tönte eine männliche Stimme aus dem Lautsprecher. »Wir sind von sogenannten Clear-Air-Turbulenzen überrascht worden. Wahrscheinlich bleibt es auch weiterhin etwas unruhig, zumal zusätzlich ein Sturmtief über Süddeutschland zieht. Es steht zu befürchten, dass wir nicht pünktlich landen können.


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