Toni der Hüttenwirt Extra 4 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.gewesen ist. Solche Burschen soll es geben. Eigentlich sollte ich das nicht sagen. Aber der Gedanke drängt sich auf. Ein Auto als gestohlen zu melden ist eine Sache. Eine Strafanzeige wegen Autodiebstahl gegen die Exfreundin ist eine ganz andere Sache.«
»Sie sagen es, Pfarrer Zandler. Außerdem ist er wohl beleidigt, dass Moni sich seine Affären nicht mehr gefallen lässt. Er will sich rächen, denke ich. Es geht ihm nicht so sehr darum, sein Auto zu bekommen, als Moni eins auszuwischen. In meinen Augen ist er ein Dreckskerl«, schimpfte Katja. »Moni hat mir so einiges angedeutet. Dass sie es so lange bei ihm ausgehalten hat, grenzt an ein Wunder. Sie hätte vor Jahren schon einen Schlussstrich ziehen sollen.«
»Katja«, sagte Martin, »es gibt Burschen, die schaffen es immer wieder, Madln zu umgarnen und sie abhängig zu machen. Dass Moni heimlich Geld zur Seite legte, lässt darauf schließen, dass sie sich doch irgendwie gewehrt hat. Schlimm ist in solchen Situationen, dass die Madln die Burschen lieben, obwohl sie wissen, dass sie ihnen nicht guttun und sie sich trennen sollten. Es ist das altbekannte Muster. Sie klammern sich an die Hoffnung, der Bursche könnte sich ändern. Er verspricht es, immer und immer wieder. Er beteuert in höchsten Tönen, dass er nur sie liebe und so weiter. Wir wissen, wie so etwas abläuft. Nur dieses Mal ist Moni nicht mehr darauf hereingefallen. Sie hat die Flucht ergriffen.«
Martin stand auf und holte die Flasche mit dem Obstler und Gläser.
»Wir dachten, es wäre gut, wenn eine neutrale Person den Wagen findet und es meldet. Walli wollte es machen. Dann kam sie auf die Idee, dass es noch besser wäre, wenn Sie die Polizei informieren würden. Es ist nämlich so, dass Moni eine Nacht auf der Krankenstation verbracht hat und wir sie jetzt versteckt haben. Wir möchten verhindern, dass die Polizei uns befragt«, fuhr Martin fort.
»Wobei wir natürlich hoffen, dass der Bursche die Anzeige zurücknimmt«, fügte Katja hinzu. »Der Kerl muss ein Unmensch sein.«
So langsam formte sich ein Bild der Zusammenhänge in Pfarrer Zandlers Kopf. Er seufzte hörbar. »In einen Kriminalfall war ich noch nicht verwickelt«, murmelte er.
»Das glauben wir Ihnen«, sagte Martin. »Dem Madl geht es schlecht, körperlich. Es hat schlimme Wochen hinter sich und ist abgemagert. Es muss sich erst einmal erholen und wieder zu Kräften kommen. Dann will Moni sich neue Papiere besorgen und sich um Arbeit und Unterkunft bemühen. Moni ist Tierarzthelferin.«
»Beate und Carl würden sich vielleicht über Hilfe in der Praxis freuen«, sagte Zandler. »Und Fellbacher kann sicher etwas mit den Papieren machen.«
Martin Engler schüttelte den Kopf. »Ersteres ist sicherlich leichter zu erreichen als Letzteres«, dämpfte er die Hoffnung des Geistlichen. »Vergessen Sie nicht, Simone Stegmüller, also Moni, ist zur Fahndung ausgeschrieben. Da sollten besser keine Papiere angefordert werden. Damit will ich nichts gegen Bürgermeister Fellbacher sagen. Aber er muss es weitermelden, und dann schnappt die Falle zu.«
»Das stimmt«, sagte Heiner Zandler. »Daran habe ich jetzt nicht gedacht.«
Martin nickte. Er warf Katja einen Blick zu. »Es gibt noch etwas, was Sie in dem Zusammenhang wissen sollten. Dass Sie es diskret behandeln, steht außer Frage. Wolfi hat sich auf den ersten Blick in das Madl verliebt. Da wusste er noch nichts von ihr. Er hat sie gesehen, und sein Herz schmolz dahin. Es war nicht nur Mitleid, es war Liebe. Und da hat er einfach ›vergessen‹, eine Aktennotiz zu machen und so weiter. Er hat das Wochenende frei. Deshalb hat er die Sache nicht weitergemeldet. Und er ist fest entschlossen, es auch am Montag nicht zu tun. Oder vielmehr, er wird nicht auf die Fahndung reagieren, wenn sie auf seinem Schreibtisch landet.«
»Wie habt ihr erfahren, dass nach Moni als Autodiebin gefahndet wird?«, fragte Zandler.
»Das war so«, erzählte Martin, »Moni wollte nicht, dass Angehörige informiert wurden. Da es ihr wirklich schlecht ging und Wolfi sehr besorgt war, ließ er heimlich, über Kollegen, die Autonummer überprüfen. Dabei kam es heraus, dass nach Moni gefahndet wird. Das war ein Schock für Wolfi. Er will sie schützen. Das ist verständlich, denn er ist in sie verliebt.«
»Herr im Himmel steh uns allen bei, Maria und Josef, das wird immer verwirrender. Ich freue mich für Wolfi, auch wenn ich ihm gewünscht hätte, dass die Liebe nicht so kompliziert beginnen würde. Und jetzt erwartet ihr von mir, dass ich zum Telefon greife und die Polizei informiere über ein Auto, das ich im Graben entdeckt habe?«
Es wurde ganz still in der großen Wohnküche. Nur das Ticken der Wanduhr war zu hören. Sie schlug zur vollen Stunde.
Nachdem die Töne verklungen waren, schwieg Pfarrer Zandler immer noch.
Die alte Walli kam herein.
»Geht es dir wieder besser?«, fragte Katja Engler.
»Natürlich geht es mir besser. Und wenn Pfarrer Zandler sich jetzt erbarmen lässt, zu telefonieren, dann werde ich mich jung und frisch fühlen.«
»Walli, du hast gelauscht«, stellte Martin fest.
»Ja, das habe ich.« Walli holte einen Becher. Sie nahm sich Kaffee, gab viel Milch dazu und Zucker. Sie rührte um. Dabei warf sie Pfarrer Zandler immer wieder einen kurzen Blick zu.
»Walli«, sprach sie der Geistliche an, »warum hast du es mir nicht erzählt?«
»Mei, ich dachte, wenn Sie nach Moni gefragt würden, dann hätten Sie lügen müssen. Das wollte ich nicht verantworten.«
»Du bist eine gute Seele, Walli«, schmunzelte Zandler. Er sah Martin und Katja an. »Und wo steckt Moni jetzt?«
Martin lächelte. »Wo wird sie schon sein? Sie ist oben auf der Berghütte, bei Anna und Toni. Dort ist sie sicher, bis sich der Sturm gelegt hat. Jedenfalls hoffen wir es. Wenn dieser Arnold, so heißt Monis Ex, sein Auto wiederhat, dann gibt er vielleicht Ruhe. Er könnte die Anzeige zurückziehen.«
»Ob das so einfach geht, das weiß ich nicht«, bemerkte Zandler. »In diesen Dingen kenne ich mich nicht aus.«
»Ach, er könnte doch so tun, als hätte er sich geirrt«, meinte Katja.
Martin schüttelte den Kopf. »Hören wir damit auf! Es ist müßig, darüber zu spekulieren, Katja. Wenn es so ist, wird Wolfi es erfahren. Bis dahin heißt es: Abwarten und einen Weg finden, damit Arnold Lehmann seinen Luxusschlitten bekommt.« Bei den letzten Worten warf er Pfarrer Zandler einen Seitenblick zu.
Der rieb sich das Kinn. »Darf ich mal telefonieren?«, fragte er.
Martin und Katja nickten.
Sie hofften, dass Zandler die Polizei anrufen wollte. Das Gespräch würde automatisch bei der Dienststelle in Kirchwalden eingehen, da die Polizeistation in Waldkogel an diesem Wochenende nicht besetzt war.
Zandler ging zum Telefon. »Träutlein, ich bin bei den Englers. Ich habe mein Handy auf dem Schreibtisch liegen lassen. Kannst du es mir sofort herbringen, bitte? Es ist dringend. Ich warte. Danke, Träutlein!« Er legte auf.
Martin, Katja und Walli sahen sich an und wunderten sich.
»Mei, jetzt müsstet ihr eure Gesichter sehen!«, lachte Zandler. »Ich kann von hier aus nicht die Polizei anrufen. Das könnte eine Spur legen. Oh Herr, in was verstricke ich mich da?« Pfarrer Zandler faltete die Hände und schaute zur Zimmerdecke hinauf, meinte aber den Himmel.
»Daran haben wir nicht gedacht. Sie haben recht«, stimmte ihm Martin zu. »Die moderne Technik hinterlässt Spuren.«
Es dauerte nicht lange, dann kam die Haushälterin Helene Träutlein und brachte das Handy.
Als sie mit dem Fahrrad auf den Hof fuhr, ging Zandler hinaus.
Durch die Fenster sahen Martin, Katja und Walli, wie er es entgegennahm und seine Haushälterin sofort heimschickte.
Dann lief Zandler auf dem Hof, zwischen dem Haupthaus, in dem Martin und Katja wohnten und wo die Praxis mit der kleinen Bettenstation untergebracht war, und dem Altenteil auf der anderen Seite der gepflasterten Fläche, auf und ab. Er telefonierte.
Es dauerte