Butler Parker 168 – Kriminalroman. Günter Dönges
Читать онлайн книгу.zu helfen. Er nahm seine stahlblechgefütterte schwarze Melone vom Haupt und schleuderte sie als eine Art Diskus dem Taxi nach.
Er traf zielsicher!
Die Melone landete auf dem Rückfenster des Taxi, zerschmetterte machtvoll die Scheibe und verschwand im Wageninnern. Das Taxi geriet aus dem Kurs, tat einen Schlenker und krachte dann mit dem Kühler gegen einen Hydranten, der freundlicherweise in unmittelbarer Nähe stand.
Es gab leider einen Auflauf in Form einer Gruppe neugieriger Passanten. Parker hielt es für unangebracht, diesmal zu sehr auf Würde zu halten. Er schritt schneller als gewöhnlich aus um möglichst schnell zum Taxi zu gelangen.
Als er sich seinen Weg durch die neugierige Menge gebahnt hatte, die von Sekunde zu Sekunde immer größer wurde, sah er auf den ersten Blick, daß die nette ältere Dame nicht mehr vorhanden war. Sie mußte es vorgezogen haben, das Weite zu suchen. Der Taxifahrer hingegen war noch zu sprechen, wenn auch nicht im Moment. Die Melone hatte ihn noch erwischt und ihn zeitweilig abtreten lassen. Der Fahrer lag ohnmächtig auf dem Steuerrad und wartete darauf, von der Polizei abgeholt zu werden ...
*
»Sie wollen mir doch nicht erklären, daß Sie rein zufällig in der Gegend waren?« Leutnant Madford von der Mordabteilung der Stadtpolizei Chikago sah den Butler mißtrauisch und cholerisch zugleich an. »Sagen Sie schon die Wahrheit, Parker, man hatte Ihnen irgendeinen Tip gegeben!«
»Ich muß bedauern«, erwiderte Parker zurückhaltend. Er stand höflich und würdevoll im Arbeitszimmer seines jungen Herrn und trug ein Silbertablett auf der rechten Hand. Er hatte Madford und dessen Sergeant McLean vor etwa zehn Minuten eingelassen und sie zu seinem jungen Herrn gebracht.
»Parker, verschweigen Sie nichts«, warf Rander unnötigerweise ein, »haben Sie wirklich nichts gewußt?«
»Ich möchte betonen, Sir, daß ich die Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt habe. Darf ich jetzt die gewünschten Erfrischungen servieren?«
»Natürlich!« Rander wandte sich an Madford, der grimmig am übergroßen Fenster stand und hinaus auf den See sah, »Sie wissen doch, wie das mit Parker ist, Madford. Sie erleben das doch nicht zum erstenmal. Er braucht sich nur ein paar Zigarren zu kaufen, und schon lauft ihm irgendein Verbrechen nach …«
Madford drehte sich um und griff mürrisch nach dem Glas, das Parker ihm auf dem Silbertablett reichte. Sergeant McLean, der breitschultrige Mann, der stets an einen Grislybären erinnerte, hatte sich bereits bedient und strapazierte mit seinem Körpergewicht einen Ledersessel.
»Was haben Sie denn über diesen Taxifahrer herausbekommen?« Rander stellte die Frage, um Madford abzulenken, »irgendein Kunde von Ihnen?«
»McLean, sagen Sie schon, was wir wissen!« Madford klein, drahtig, cholerisch, mit einem messerscharfen Bärtchen auf der Oberlippe, vergaß für einen Moment den Butler.
McLean räusperte sich und brachte damit bereits die Statik der Fensterscheibe in leichte Unordnung. Dann griff er umständlich nach einem abgewetzten Notizbuch, blätterte, quälend suchend darin herum und las vor:
»Taxifahrer, etwa fünfundvierzig Jahre alt mittelgroß, vollschlank, etwa einhundertachtzig Pfund schwer, Lücke in der oberen Zahnreihe, und …«
»Mensch, fassen Sie sich kurz!« fuhr Madford seinen vertrauten Mitarbeiter an, »ich will hier keinen Roman hören.«
»... der hiesigen Polizei unbekannt, verweigert die Nennung seines Namens und jede weitere Aussage«, las McLean ungerührt weiter vor, »das bewußte Taxi war als gestohlen gemeldet und somit wiedergefunden worden.«
»Das ist alles«, sagte Madford und nahm endlich Platz. »Mehr haben wir bisher nicht herausfinden können, Rander, mehr als mager, ich weiß, aber was sollen wir machen?«
»Keine Ahnung.«
»Sie sind sicher, daß im Fond eine ältere Dame saß?« sagte Madford und beschäftigte sich wieder mit dem Butler.
»Dafür kann ich mich verbürgen, Sir! Sie kam aus dem Juweliergeschäft, das laut Ihrer Aussage teilweise ausgeräumt wurde!«
»Die besten Stücke ließ diese Frau mitgehen«, wiederholte Madford mit tragisch verschleierter Stimme, »sie kam in den Laden und hielt plötzlich eine Pistole in der Hand. Sie bat die Verkäuferin höflich, ihr die Tasche mit ausgesuchten Schmuckstücken zu füllen!«
»Und ließ laut Aussage der Miß Ann Harper als eine Art Geschenk ein paar gestickte Taschentücher zurück«, erklärte McLean mit neutraler Stimme. »Bei der Stickerei handelte es sich um Hohl ... Hohl ... um Hohlsaumstickerei, wie unser Labor feststellte!« McLean schien sich das Wort » Hohlsaumstickerei« nicht deutlich ins Notizbuch geschrieben zu haben. Er mußte dieses Wort einige Male studieren, bevor er es herausbrachte.
»Das alles sieht aber verdammt nach dem Weihnachtsmann aus«, stellte Mike Rander fest und sah Madford fragend an.
»Sie haben vergessen, daß dieser ›Weihnachtsmann‹ bisher ein Mann war«, sagte Madford ironisch.
»Dies, Sir, nimmt man bisher an«, korrigierte der Butler aus dem Hintergrund.
»Was soll das heißen? Sie wissen also doch mehr, Parker? Raus mit der Sprache, bevor ich unangenehm werde!«
»Ich habe mir nur erlaubt, Sir, einen gewissen Zweifel zu artikulieren«, antwortete Parker gemessen.
»Wieso Zweifel, glauben Sie, daß wir es bei diesem ›Weihnachtsmann‹ mit einer Frau zu tun haben?« Madford lachte gequält ironisch auf.
»Dies, Sir vermag ich wirklich nicht zu sagen! Man muß ab warten, in welchem Aufzug der ›Weihnachtsmann‹ sich in der Zukunft präsentieren wird!«
»Zuerst war der ›Weihnachtsmann‹ groß und schwer, dann klein und vollschlank und jetzt ist er eine nette, ältere Dame.« Madford lächelte abfällig-höhnisch. »Parker, diesmal sind Sie auf dem Holzweg. Ich will Ihnen mal etwas sagen. Wir haben es nicht mit einem, sondern jetzt schon mit drei Weihnachtsmännern zu tun! Das Beispiel macht Schule, wenn Sie es genau wissen wollen. Ich möchte nicht wissen, in welcher Aufmachung sich die nächsten Gauner zeigen werden.«
*
Für den Butler war der Tag beendet, nachdem sich Lieutenant Madford und Sergeant McLean verabschiedet hatten. Mike Rander bedurfte der stillen Aufmerksamkeiten seines Butlers nicht mehr und verabschiedete sich von ihm, worauf Josuah Parker hinüber in seine Privaträume des Penthouse ging.
Für ihn war es selbstverständlich noch viel zu früh, um zu Bett zu gehen. Parker sah sich also in seiner privaten Bastelstube um und gab sich seinem Hobby hin. Er erfand und bastelte kleine hin und wieder sogar liebenswürdige Überraschungen für die Unterwelt. Dabei achtete er strickt darauf, daß diese Bastelarbeiten stets en miniature angefertigt wurden. Für extreme Kompaktbauweise hatte der Butler schon immer etwas übrig gehabt.
Josuah Parker beschäftigte sich gerade mit einem vollkommen harmlos aussehenden Kugelschreiber, den er in eine Kleinstsprühdose verwandeln wollte, als das Telefon sich meldete, Parker hatte, um seinen Herrn nicht zu stören, das Gerät umgeschaltet und brauchte nur in den Verbindungstrakt zwischen den beiden Wohnteilen zu gehen. Er hob ab und meldete sich.
»Hier spricht der ›Weihnachtsmann‹«, meldete sich eine sehr undeutliche Stimme.
»Josuah Parker. Butler des Mister Rander«, stellte Parker sich seinerseits vor, ohne auch nur die Spur von Überraschung zu zeigen, »ich bin ehrlich erfreut, von Ihnen angerufen zu werden.«
»Ob das eine Freude ist, wird sich noch herausstellen«, sagte die sehr undeutliche Stimme, von der man nicht sagen konnte, ob sie einer Frau oder einem Mann gehörte. »Sie haben sich erfrecht meine Geschäfte zu stören. Dafür werde ich Sie zur Rechenschaft ziehen.«
»Und in welcher Form, wenn ich höflichst fragen darf?«
»Ich werde Sie ermorden«, sagte der Weihnachtsmann sehr unchristlich, »ich werde Sie umbringen. Und zwar innerhalb der kommenden drei