Fürstenkrone 80 – Adelsroman. Gabriela Stein

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Fürstenkrone 80 – Adelsroman - Gabriela Stein


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Ein ständiges Wägen und Abwägen. Der Kunsthandel war ein schwieriges Geschäft, ging es doch zumeist um hohe Summen.

      »Das Risiko muss überschaubar bleiben!«, hatte Albert de Vries stets verkündet. »Allerdings darf man auch nicht zum Brötchenverkäufer mutieren.«

      Albert de Vries! Geliebter Papa und großmütiger Mensch! Musste sie wirklich Abschied von dieser Vorstellung nehmen? Er hatte ihr Leben in seine Hände genommen, aber eben mit diesem Besitzanspruch. Seine Großmütigkeit hatte totale Übergabe gefordert. Anders konnte sie es nicht sehen.

      Gab es überhaupt menschliche Selbstlosigkeit?

      Einige Tage nach dem Gespräch mit Henry Kröger und der Offenlegung des Briefes hatte die resolute Mitarbeiterin und langjährige Vertraute Constanze von Bellwange Glorias Niedergeschlagenheit nicht mehr mit ansehen können.

      Sie hatte die Brille auf die hellgrauen Locken hochgeschoben und die dunklen ausdrucksstarken Augen auf sie gerichtet.

      »Gibt es Probleme mit dem Erbe?«, hatte sie dann direkt gefragt, ahnend, dass Glorias Stimmungslage mit dem letzten Besuch bei Notar Kröger zusammenhängen musste. »Wenn ja, so sprich sie aus! Du weißt, wir sind ein Team – und wir helfen einander. Das war schon bei deinen Eltern so – und sollte auch so bleiben.«

      Constanze, die lebhafte und lebenserfahrene Sechzigjährige, hatte im Büro zwischen Verkaufsraum und Auktionssaal zwei Stühle zurechtgerückt und sie zum Platznehmen aufgefordert.

      »Also – was hast du in der Kanzlei Kröger erfahren, meine Kleine?« Ihre Stimme hatte Zuneigung erkennen lassen, schließlich kannte die treue Mitarbeiterin des Kunsthandels Gloria von Kindesbeinen an.

      »Albert de Vries war nicht mein leiblicher Vater!«, hatte Gloria hervorgestoßen, der Langvertrauten anklagend in die aufmerksamen Augen sehend.

      Constanze von Bellwange aber hatte nur genickt.

      »Du hast es gewusst?«, hatte Gloria erstaunt gefragt.

      »Sagen wir mal, ich habe es geahnt. Gesprochen wurde darüber von Seiten deiner Eltern nie.«

      Stille Sekunden des Nachdenkens hatten bei Constanze eingesetzt. Überrascht? Nein, überrascht hatte sie sich nicht gezeigt.

      »Weißt du, dein Papa war schon einmal kinderlos verheiratet gewesen, bevor er deine Mama traf. Ich denke, sie war ein Glücksfall für ihn – und die freudigen Umstände, in denen sie sich befand, ebenfalls.«

      »Sie hätten längst mit mir reden müssen …« Glorias Verletzung war nur zu deutlich.

      »Ja, das denke ich auch.« Constanze hatte das genauso gesehen. »Und Dr. Kröger hat es jetzt getan?«

      »Nein, Mama hat einen Brief hinterlassen, der mir nach ihrem Tode auszuhändigen war.«

      »Ich verstehe.«

      »Mein leiblicher Vater ist demnach Carl-Philipp Fürst von und zu Thornbach und Seeland, ein Adliger aus dem Holsteinischen.«

      »Ich bin beeindruckt!« Constanze hatte nur einen Moment lang gestaunt, bevor ihre gewohnte Nüchternheit wieder durchgekommen war.

      »Lass mich raten! Seine Durchlaucht war verheiratet?«

      »Ja, so war es wohl.«

      »Nun, dann gilt es jetzt, die Karten offenzulegen!« Constanze von Bellwange war für klare Verhältnisse gewesen.

      »Eben das möchte Mama nicht! Sie wollte mich nur über meine Herkunft in Kenntnis setzen, nicht aber auffordern, in bestehende Familienstrukturen einzugreifen.«

      »Unsinn!«, hatte Constanze ausgerufen. »Vielleicht freut der Fürst sich ja, solch eine bildschöne Tochter zu haben.«

      Die tatkräftige Mitarbeiterin hatte sich erhoben – und während sie bereits ihrem Schreibtisch zustrebte, hatte sie sich noch einmal den Namen des Adelsgeschlechts geben lassen.

      »Thornbach«, wiederholte sie, gab ihn in ihren Computer ein – und hatte Erfolg. »Komm, sieh dir das an, meine Kleine! Das nennt man einen Volltreffer landen.«

      Gemeinsam hatten sie dann das Bild einer Schlossanlage auf sich wirken lassen, welche sich nicht nur beeindruckend präsentierte, sondern gleichzeitig auch hell, freundlich und entgegenkommend wirkte.

      Und als wäre das noch nicht Einladung genug, wurde von Seiten der Schlossverwaltung auch gleich zu einer Ausstellung eingeladen, die sich mit prähistorischer Kunst beschäftigte.

      Und jetzt stand sie hier, draußen vor dem Tor, und fragte sich, was sie hier eigentlich wollte. Zwar wohnte hier angeblich ihr leiblicher Vater, aber was hieß das schon?

      Als sie seitlich vom Tor das Plakat registrierte, welches auf die Ausstellung hinwies, da verließ sie ihren Wagen – und ging darauf zu.

      »Prähistorische Kunst im Kontinentvergleich«, las sie – und darunter im Kleingedruckten die Dauer der Präsentation. Danach war diese gestern zu Ende gegangen.

      Beinahe erleichtert dachte Gloria, dass sich damit das Vordringen in dieses Reich der Unantastbarkeit erledigt hatte. War dieses geschlossene Tor nicht ein Zeichen, die Vergangenheit ruhen zu lassen?

      Nachdenklich stand sie da und blickte durch das filigrane Gitterwerk auf die makellose Schlossanlage. Und doch hätte sie ihn gern einmal gesehen, ihren leiblichen Vater.

      Als die vornehme Stille durch das Geräusch eines Rasenmähers aufgehoben wurde, füllte sich die verträumte Schönheit der Anlage mit Normalität. Nach einer Weile sah sie ihn, den Rasentraktor – und wie er gleichförmig seine Bahn auf einer der beiden Grünflächen zog. Es war eine Art Aufsitzmäher. Der Mann, der darauf saß, schien ganz auf seine Arbeit fixiert.

      Als er zum dritten Mal Glorias Blickrichtung kreuzte, hielt er das Fahrzeug jedoch an und kam mit langen Schritten auf sie zu. Auf eine junge Frau in weißen Jeans und farbiger Bluse.

      Etwas Zielstrebiges, Energisches ging von ihm aus. Gloria war sich nicht sicher, ob sie eine höfliche Anrede zu erwarten hatte oder eine barsche Zurechtweisung, dass ungebetene Besucher hier nichts zu suchen hätten.

      »Kann ich helfen?«, fragte er knapp, als er heran war.

      Andeutungsweise lüftete er dabei seinen verwitterten Allwetterhut, der aussah, als hätte er schon wiederholt alle Klimazonen dieser Welt bereist. Aber auch seine khakifarbene Kleidung trug diesen Stempel erdverbundenen Wirkens.

      Der Mann aber, der in dieser Kleidung steckte, kam schlank und voll drahtiger Energie daher. Ganz und gar unkonventionell wirkend, strahlte er eine gewisse Direktheit aus. Das schmale Gesicht im Schatten des breitkrempigen Huts war von harter Kantigkeit. Die größte Wirkung aber ging von seinen Augen aus. Ein heller, beobachtender Blick.

      Gloria de Vries musste unwillkürlich an ungezügelte Präriereiter denken, welche körpergestählt mit ihren Pferden verwachsen zu sein schienen – dabei von verwegener Unerschrockenheit, die ledernen Gesichter geprägt von Hitze und Staub, von Anstrengung und Schweiß.

      Aber wieso vermittelte ausgerechnet ein Gärtner auf dem zivilisierten Schloss Thornbach solch einen Eindruck?

      Den Blick hell auf sie gerichtet, auf ihre makellose Gepflegtheit und städtische Schönheit, öffnete er jetzt das Tor, welches zwar geschlossen – aber nicht verschlossen gewesen war.

      Und während er hindurchtrat, groß und verschwitzt, wandte sich Gloria halb dem Plakat zu und sagte:

      »Ich sehe, die Ausstellung ist bereits zu Ende gegangen …«

      Ein unsicheres Lächeln galt ihm, die Stimme seltsam matt und das schlechte Gewissen pochend wie ein Uhrwerk. Sah man ihr an, dass etwas ganz anderes sie herführte als die Ausstellung ›Prähistorischer Kunst im Kontinentvergleich‹?

      Er nahm ihre Feststellung hin, das Bedauern, welches sie enthielt. Einen gewissen Zweifel drückte dann allerdings seine höfliche Nachfrage aus:

      »Sie interessieren sich für vorgeschichtliche Forschungen?«,


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