Das Majorat. Hoffmann E. T.

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Das Majorat - Hoffmann E. T.


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Tönen hören lassen!” – So denke ich, aber das Blut gerinnt in meinen Adern – kalter Schweiß steht auf der Stirn, erstarrt bleib' ich im Lehnstuhle sitzen, nicht vermögend aufzustehen, viel weniger noch zu rufen. Das abscheuliche Kratzen hört endlich auf – die Tritte lassen sich aufs neue vernehmen – es ist, als wenn Leben und Regung in mir erwachte, ich springe auf und trete zwei Schritte vor, aber da streicht eine eiskalte Zugluft durch den Saal, und in demselben Augenblick wirft der Mond sein helles Licht auf das Bildnis eines sehr ernsten, beinahe schauerlich anzusehenden Mannes, und als säusle seine warnende Stimme durch das stärkere Brausen der Meereswellen, durch das gellendere Pfeifen des Nachtwindes, höre ich deutlich: „Nicht weiter – nicht weiter, sonst bist du verfallen dem entsetzlichen Graus der Geisterwelt!” Nun fällt die Tür zu mit demselben starken Schlage wie zuvor, ich höre die Tritte deutlich auf dem Vorsaal – es geht die Treppe hinab – die Haupttür des Schlosses öffnet sich rasselnd und wird wieder verschlossen. Dann ist es, als würde ein Pferd aus dem Stalle gezogen und nach einer Weile wieder in den Stall zurückgeführt – dann ist alles still! In demselben Augenblick vernahm ich, wie der alte Großonkel im Nebengemach ängstlich seufzte und stöhnte, dies gab mir alle Besinnung wieder, ich ergriff die Leuchter und eilte hinein. Der Alte schien mit einem bösen, schweren Traume zu kämpfen. „Erwachen Sie – erwachen Sie”, rief ich laut, indem ich ihn sanft bei der Hand faßte und den hellen Kerzenschein auf sein Gesicht fallen ließ. Der Alte fuhr auf mit einem dumpfen Ruf, dann schaute er mich mit freundlichen Augen an und sprach: „Das hast du gut gemacht, Vetter! daß du mich wecktest. Ei, ich hatte einen sehr häßlichen Traum, und daran ist bloß hier das Gemach und der Saal schuld, denn ich mußte dabei an die vergangene Zeit und an manches Verwunderliche denken, was hier sich begab. Aber nun wollen wir recht tüchtig ausschlafen!” Damit hüllte sich der Alte in die Decke und schien sofort einzuschlafen. Als ich die Kerzen ausgelöscht und mich auch ins Bette gelegt hatte, vernahm ich, daß der Alte leise betete. – Am andern Morgen ging die Arbeit los, der Wirtschaftsinspektor kam mit den Rechnungen, und Leute meldeten sich, die irgendeinen Streit geschlichtet, irgendeine Angelegenheit geordnet haben wollten. Mittags ging der Großonkel mit mir herüber in den Seitenflügel, um den beiden alten Baronessen in aller Form aufzuwarten. Franz meldete uns, wir mußten einige Augenblicke warten und wurden dann durch ein sechzigjähriges gebeugtes, in bunte Seide gekleidetes Mütterchen, die sich das Kammerfräulein der gnädigen Herrschaft nannte, in das Heiligtum geführt. Da empfingen uns die alten, nach längst verjährter Mode abenteuerlich geputzten Damen mit komischem Zeremoniell, und vorzüglich war ich ein Gegenstand ihrer Verwunderung, als der Großonkel mich mit vieler Laune als einen jungen, ihm beistehenden Justizmann vorstellte. In ihren Mienen lag es, daß sie bei meiner Jugend das Wohl der R..sittenschen Untertanen gefährdet glaubten. Der ganze Auftritt bei den alten Damen hatte überhaupt viel Lächerliches, die Schauer der vergangenen Nacht fröstelten aber noch in meinem Innern, ich fühlte mich wie von einer unbekannten Macht berührt, oder es war mir vielmehr, als habe ich schon an den Kreis gestreift, den zu überschreiten und rettungslos unterzugehen es nur noch eines Schritts bedürfte, als könne nur das Aufbieten aller mir inwohnenden Kraft mich gegen das Entsetzen schützen, das nur dem unheilbaren Wahnsinn zu weichen pflegt. So kam es, daß selbst die alten Baronessen in ihren seltsamen hochaufgetürmten Frisuren, in ihren wunderlichen stoffnen, mit bunten Blumen und Bändern ausstaffierten Kleidern mir, statt lächerlich, ganz graulich und gespenstisch erschienen. In den alten gelbverschrumpften Gesichtern, in den blinzenden Augen wollt' ich es lesen, in dem schlechten Französisch, das halb durch die eingekniffenen blauen Lippen, halb durch die spitzen Nasen herausschnarrte, wollt ich es hören, wie sich die Alten mit den unheimlichen, im Schlosse herumspukenden Wesen wenigstens auf guten Fuß gesetzt hätten und auch wohl selbst Verstörendes und Entsetzliches zu treiben vermochten. Der Großonkel, zu allem Lustigen aufgelegt, verstrickte mit seiner Ironie die Alten in ein solches tolles Gewäsche, daß ich in anderer Stimmung nicht gewußt hätte, wie das ausgelassenste Gelächter in mich hineinschlucken, aber, wie gesagt, die Baronessen samt ihrem Geplapper waren und blieben gespenstisch, und der Alte, der mir eine besondere Lust bereiten wollte, blickte mich ein Mal übers andere ganz verwundert an. Sowie wir nach Tische in unserm Zimmer allein waren, brach er los: „Aber, Vetter, sag mir um des Himmels willen, was ist dir? – Du lachst nicht, du sprichst nicht, du issest nicht, du trinkst nicht? – Bist du krank? oder fehlt es sonst woran?” – Ich nahm jetzt gar keinen Anstand, ihm alles Grauliche, Entsetzliche, was ich in voriger Nacht überstanden, ganz ausführlich zu erzählen. Nichts verschwieg ich, vorzüglich auch nicht, daß ich viel Punsch getrunken und in Schillers ,Geisterseher' gelesen. „Bekennen muß ich dies”, setzte ich hinzu, „denn so wird es glaublich, daß meine überreizte arbeitende Phantasie all die Erscheinungen schuf, die nur innerhalb den Wänden meines Gehirns existierten.” Ich glaubte, daß nun der Großonkel mir derb zusetzen würde mit körnichten Späßen über meine Geisterseherei, statt dessen wurde er sehr ernsthaft, starrte in den Boden hinein, warf dann den Kopf schnell in die Höhe und sprach, mich mit dem brennenden Blick seiner Augen anschauend: „Ich kenne dein Buch nicht, Vetter! aber weder seinem noch dem Geist des Punsches hast du jenen Geisterspuk zu verdanken. Wisse, daß ich dasselbe, was dir widerfuhr, träumte. Ich saß, so wie du (so kam es mir vor), im Lehnstuhl bei dem Kamin, aber was sich dir nur in Tönen kundgetan, das sah ich, mit dem innern Auge es deutlich erfassend. Ja! ich erblickte den graulichen Unhold, wie er hereintrat, wie er kraftlos an die vermauerte Tür schlich, wie er in trostloser Verzweiflung an der Wand kratzte, daß das Blut unter den zerrissenen Nägeln herausquoll, wie er dann hinabstieg, das Pferd aus dem Stalle zog und in den Stall zurückbrachte. Hast du es gehört, wie der Hahn im fernen Gehöfte des Dorfes krähte? – Da wecktest du mich, und ich widerstand bald dem bösen Spuk des entsetzlichen Menchen, der noch vermag, das heitre Leben grauenhaft zu verstören.” Der Alte hielt inne, aber ich mochte nicht fragen, wohlbedenkend, daß er mir alles aufklären werde, wenn er es geraten finden sollte. Nach einer Weile, in der er, tief in sich gekehrt, dagesessen, fuhr der Alte fort: „Vetter, hast du Mut genug, jetzt, nachdem du weißt, wie sich alles begibt, den Spuk noch einmal zu bestehen? und zwar mit mir zusammen?” Es war natürlich, daß ich erklärte, wie ich mich jetzt dazu ganz entkräftigt fühle. „So wollen wir”, sprach der Alte weiter, „in künftiger Nacht zusammen wachen. Eine innere Stimme sagt mir, daß meiner geistigen Gewalt nicht sowohl als meinem Mute, der sich auf festes Vertrauen gründet, der böse Spuk weichen muß und daß es kein freveliches Beginnen, sondern ein frommes, tapferes Werk ist, wenn ich Leib und Leben daran wage, den bösen Unhold zu bannen, der hier die Söhne aus der Stammburg der Ahnherrn treibt. – Doch! von keiner Wagnis ist ja die Rede, denn in solch festem redlichen Sinn, in solch frommen Vertrauen, wie es in mir lebt, ist und bleibt man ein siegreicher Held. – Aber sollt' es dennoch Gottes Wille sein, daß die böse Macht mich anzutasten vermag, so sollst du, Vetter, es verkünden, daß ich im redlichen christlichen Kampf mit dem Höllengeist, der hier sein verstörendes Wesen treibt, unterlag! – Du! – halt dich ferne! – dir wird dann nichts geschehen!”

      Unter mancherlei zerstreuenden Geschäften war der Abend herangekommen. Franz hatte, wie gestern, das Abendessen abgeräumt und uns Punsch gebracht, der Vollmond schien hell durch die glänzenden Wolken, die Meereswellen brausten, und der Nachtwind heulte und schüttelte die klirrenden Scheiben der Bogenfenster. Wir zwangen uns, im Innern aufgeregt, zu gleichgültigen Gesprächen. Der Alte hatte seine Schlaguhr auf den Tisch gelegt. Sie schlug zwölfe. Da sprang mit entsetzlichem Krachen die Tür auf, und wie gestern schwebten leise und langsam Tritte quer durch den Saal, und das Ächzen und Seufzen ließ sich vernehmen. Der Alte war verblaßt, aber seine Augen erstrahlten in ungewöhnlichem Feuer, er erhob sich vom Lehnstuhl, und indem er in seiner großen Gestalt, hochaufgerichtet, den linken Arm in die Seite gestemmt, den rechten weit vorstreckend nach der Mitte des Saals, dastand, war er anzusehen wie ein gebietender Held. Doch immer stärker und vernehmlicher wurde das Seufzen und Ächzen, und nun fing es an, abscheulicher als gestern an der Wand hin und her zu kratzen. Da schritt der Alte vorwärts, gerade auf die zugemauerte Tür los, mit festen Tritten, daß der Fußboden erdröhnte. Dicht vor der Stelle, wo es toller und toller kratzte, stand er still und sprach mit starkem, feierlichem Ton, wie ich ihn nie gehört: „Daniel, Daniel! was machst du hier zu dieser Stunde!” Da kreischte es auf grauenvoll und entsetzlich, und ein dumpfer Schlag geschah, wie wenn eine Last zu Boden stürzte. „Suche Gnade und Erbarmen vor dem Thron des Höchsten, dort ist dein Platz! Fort mit dir aus dem Leben, dem du


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