Der Malaiische Archipel. Alfred Russel Wallace

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Der Malaiische Archipel - Alfred Russel Wallace


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Stamm selbst ein Wald von Ästen und Luftwurzeln ist. Seltener noch findet man Bäume, welche aussehen, als ob sie mitten in der Luft zu wachsen angefangen hätten, und von da aus weit sich ausbreitende Zweige und eine verwickelte Pyramide von Wurzeln aussenden, die an siebzig bis achtzig Fuß bis auf den Grund hinabsteigen und sich so weit jederseits ausbreiten, dass man mitten im Zentrum stehen kann, den Baumstamm gerade über sich. Bäume ähnlichen Charakters werden über den ganzen Archipel verbreitet gefunden, und die nebenstehende Abbildung (die einen Baum auf den Aru Inseln, den ich oft besuchte, wiedergibt) wird ihren allgemeinen Charakter anschaulich machen. Ich glaube, dass sie ihren Ursprung als Schmarotzerpflanzen nehmen von Samen, den Vögel holen und in einem Gabelast eines hohen Baumes fallen lassen. Von da steigen Luftwurzeln herab, umspinnen und zerstören zuletzt den sie tragenden Baum, welcher mit der Zeit vollständig von der bescheidenen Pflanze, welche zuerst von ihm abhing, ersetzt wird. So haben wir einen wirklichen Kampf ums Dasein in dem Pflanzenreich, nicht weniger verhängnisvoll für den Besiegten als die Kämpfe zwischen den Tieren, die wir so viel leichter beobachten und verstehen können. Der Vorteil des schnelleren Zutritts zum Licht, zur Wärme und zur Luft, welchen Schlingpflanzen in ihrer Weise gewinnen, wird hier von einem Waldbaum erreicht, der also in einer Höhe ins Leben treten kann, welche andere erst nach vielen Jahren des Wachstums erreichen, und dann nur, wenn der Sturz eines anderen Baumes ihnen Platz gemacht hat. So wird in dem warmen, feuchten und gleichmäßigen Klima der Tropen jeder vorteilhafte Platz in Anspruch genommen und bietet die Möglichkeit dar, dass sich neue Formen entwickeln, die ihm speziell angepasst sind.

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       Polyalthea – Seltsamer Waldbaum – Baumfarn (nach einer Skizze des Autors; Fitch)

      Als ich Sarawak Anfang Dezember erreichte, sah ich, dass vor Ende Januar keine Gelegenheit, nach Singapur zurückzukehren, sich bieten würde. Ich nahm daher Sir James Brookes Einladung an, mit ihm und Herrn St. John in seinem Häuschen auf dem Peninjauh zuzubringen. Dieser ist ein sehr steiler pyramidenförmiger Berg von kristallinischem Basalt, ungefähr tausend Fuß hoch und mit üppigem Wald bedeckt. Auf ihm stehen drei Dajak-Dörfer, und auf einem kleinen Plateau nahe dem Gipfel befindet sich die rohe Holzbehausung, in welcher der englische Radscha sich zu erholen und kühle frische Luft einzuatmen pflegte. Es ist nur zwanzig Meilen den Fluss hinauf, aber die Straße den Berg hinan ist eine Kette von Leitern, dem Rand von Abgründen entlang, von Bambusbrücken über Vertiefungen und Klüfte und von unsicheren Pfaden über Felsen, Baumstämme und ungeheure hausgroße Rollsteine. Eine kühle Quelle unter einem überhängenden Felsen, gerade unterhalb der Hütte, erfrischte uns durch Bäder und köstliches Trinkwasser, und die Dajaks brachten uns täglich aufgehäufte Körbe voll von Mangustans und Lansats hinauf, zwei der delikatesten der säuerlichen tropischen Früchte. Wir kehrten um Weihnacht (das zweite Christfest, welches ich zusammen mit Sir James Brooke zugebracht hatte) nach Sarawak zurück, um welche Zeit alle Europäer, sowohl die aus der Stadt als auch die von den äußeren Stationen, sich der Gastfreundschaft des Radschas erfreuten, welcher in hervorragender Weise die Kunst besaß, alle Menschen um sich herum behaglich und glücklich zu machen.

      Einige Tage nachher kehrte ich mit Charles und einem malaiischen Knaben namens Ali nach dem Berg zurück und blieb dort drei Wochen, um Landmuscheln, Tag- und Nachtschmetterlinge, Farne und Orchideen zu sammeln. Auf dem Hügel selbst waren die Farne ziemlich zahlreich, und ich sammelte etwa vierzig Arten. Aber am meisten beschäftigte mich der große Reichtum an Nachtfaltern, die ich bei gewissen Gelegenheiten zu fangen imstande war. Da ich während der ganzen acht Jahre meiner Wanderungen im Osten nie einen anderen Ort fand, an dem diese Insekten überhaupt zahlreich vorkamen, so wird es interessant sein, die speziellen Bedingungen anzugeben, unter denen ich sie erhielt.

      An einer Seite der Hütte war eine Veranda, von welcher man auf die ganze Seite des Berges hinuntersehen konnte und hinauf bis zum Gipfel auf der rechten Seite auf Partien, die dicht mit Wald bedeckt waren. Die getäfelten Wände der Hütte waren geweißt und das Dach der Veranda niedrig und ebenfalls getäfelt und geweißt. Sobald es dunkelte, stellte ich meine Lampe auf einen Tisch an die Wand und setzte mich mit einem Buch in der Hand nieder, versehen mit Stecknadeln, Insektenzangen, Netz und Sammelbüchsen. Manchmal kam während des ganzen Abends nur ein einziger Nachtfalter, während sie an anderen in einem ununterbrochenen Zug hereinströmten und mir bis nach Mitternacht mit Fangen und Aufnadeln zu schaffen machten. Sie kamen buchstäblich zu Tausenden. Diese guten Nächte waren sehr selten. Während der vier Wochen, welche ich im Ganzen auf dem Hügel zubrachte, kamen nur vier wirklich gute Nächte vor, und diese waren stets regnerisch und die besten in hohem Maße feucht. Aber nasse Nächte waren nicht immer gute, denn eine regnerische Mondnacht brachte fast gar nichts. Alle Hauptgruppen der Nachtschmetterlinge waren vertreten, und die Schönheit und Mannigfaltigkeit der Arten war sehr groß. In guten Nächten war ich imstande, 100 bis 250 Nachtfalter zu fangen, und es waren jedes Mal die Hälfte bis zwei Drittel davon verschiedene Arten. Einige setzten sich an die Wand, andere auf den Tisch und viele flogen auf das Dach, und ich musste sie über die ganze Veranda hin und her jagen, ehe ich sie fangen konnte. Um die interessante Beziehung zwischen der Art des Wetters und dem Grad, in welchem die Nachtfalter vom Licht angezogen wurden, darzutun, füge ich eine Liste meiner Ausbeute während jeder Nacht des Aufenthalts auf dem Hügel bei.

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      Man sieht, dass ich in sechsundzwanzig Nächten 1386 Nachtschmetterlinge gefangen habe, aber dass mehr als achthundert davon in vier sehr nassen und dunklen Nächten gesammelt wurden. Mein Erfolg hier ließ mich hoffen, dass ich bei ähnlichen Veranstaltungen auf jeder Insel eine Unzahl dieser Insekten würde erhalten können; aber seltsamerweise war ich während der sechs folgenden Jahre nicht einmal in der Lage, Sammlungen zu machen, die sich denen von Sarawak überhaupt nur näherten. Der Grund davon liegt, wie ich sehr wohl weiß, in dem Fehlen der einen oder anderen wesentlichen Bedingungen, die sich hier alle vereinigt hatten. Manchmal war die trockene Jahreszeit das Hindernis; häufiger der Aufenthalt in einer Stadt oder einem Dorf, die nicht nahe einem Urwald lagen, und in der Umgebung von anderen Häusern, deren Lichter eine Gegenanziehung ausübten; häufiger noch der Aufenthalt in einem dunklen, mit Palmen gedeckten Haus mit einem hohen Dach, in dessen Schlupfwinkeln jeder Falter sich im Moment des Hereinkommens verlor. Dieses Letztere tat den meisten Abbruch, und es war der Hauptgrund, weshalb ich nie wieder imstande war, eine Sammlung von Nachtschmetterlingen zu machen; denn ich wohnte später nie in einem einsam stehenden Dschungelhaus mit einer niedrigen getäfelten und geweißten Veranda, die so gebaut war, dass die Insekten nicht in höhere Teile des Hauses ganz aus dem Bereich entkommen konnten. Nach meiner langen Erfahrung, meinen zahlreichen fehlgeschlagenen Versuchen und meinem einen Erfolg, bin ich sicher, dass, wenn eine Gesellschaft von Naturforschern einmal eine Nachtreise zur Erforschung des Malaiischen Archipels oder irgendeiner tropischen Gegend unternimmt und die Entomologie einer ihrer Hauptzwecke ist, es sich sehr lohnen würde, eine kleine hölzerne Veranda mitzunehmen oder ein verandaähnliches Zelt von weißem Segeltuch, das man bei jeder günstigen Gelegenheit aufstellen kann, um dadurch Nacht-Lepidopteren und auch seltene Arten von Coleopteren und anderen Insekten zu fangen. Ich gebe hier diesen Wink, weil niemand den enormen Unterschied in den Resultaten, den ein solcher Apparat hervorrufen würde, vermuten kann und weil ich es für etwas Bemerkenswertes aus der Erfahrung eines Sammlers erachte, wenn er es herausgefunden hat, dass ein solcher Apparat notwendig ist.

      Als ich nach Singapur zurückkehrte, nahm ich den malaiischen Burschen namens Ali mit, der mich in der Folge auch durch den ganzen Archipel begleitete. Charles Allen zog es vor, im Missionshaus zu bleiben und erhielt später Beschäftigung in Sarawak und in Singapur, bis er vier Jahre später auf Ambon in den Molukken wieder zu mir stieß.

10Mangustan Garcinia mangostana (Hypericineae).
Lansat Lansium sp. (Meliaceae).
Rambutan Nephelium lappaceum (Sapindaceae).
Jack Artocarpus integrifolia
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