Der Malaiische Archipel. Alfred Russel Wallace
Читать онлайн книгу.um täglich nach dem Wald zurückzugehen, und in anderen Richtungen konnte ich keine Gründe, die sich dem Insektensammeln ergiebig erwiesen, auffinden. Aber der Ort war wegen seiner Pfaue berühmt, und mein Bursche schoss bald mehrere dieser prachtvollen Vögel, deren Fleisch wir zart, weiß und delikat, ähnlich dem des Truthahns fanden. Der javanische Pfau ist eine von der indischen verschiedenen Art; der Nacken ist mit schuppenartigen grünen Federn bedeckt und der Kamm anders geformt; aber der äugige Schweif ist ebenso groß und ebenso schön. Es ist eine sonderbare Tatsache in Beziehung auf die geographische Verbreitung, dass der Pfau nicht auf Sumatra und Borneo gefunden wird, während der prächtige Argus-Fasan, die Fasanen mit feuerrotem Rücken und die augenfleckigen Fasane dieser Inseln ebenso unbekannt auf Java sind. Genau parallel damit geht die Tatsache, dass auf Ceylon und im südlichen Indien, wo der Pfau reichlich vorkommt, die herrlichen Lophophori und andere prächtige Fasane, welche Nordindien bewohnen, nicht gefunden werden. Es könnte so scheinen, als litte der Pfau keine Rivalen in seiner Domäne. Wären diese Vögel selten in ihrem Vaterland und lebend unbekannt in Europa, so würden sie sicherlich als die wahren Fürsten des Federgeschlechts angesehen werden und, was Stattlichkeit und Schönheit anbetrifft, ihnen niemand den Rang streitig machen. Wie die Sache aber liegt, so glaube ich, dass kaum jemand, den man aufforderte, den schönsten Vogel der Erde zu nennen, den Pfau nennen würde, ebenso wenig wie der Papua-Wilde oder der Bugi-Händler den Paradiesvogel dieser Ehre teilhaftig werden ließe.
Drei Tage nach meiner Ankunft in Wonosalem besuchte mich mein Freund Herr Ball und erzählte mir, dass vor zwei Abenden ein Knabe von einem Tiger getötet und gefressen worden sei nahe bei Modjo-agong. Er fuhr auf einem Ochsenkarren und kam in der Dämmerung die Hauptstraße entlang auf dem Weg nach Hause; kaum eine halbe Meile vom Dorf sprang ein Tiger auf ihn, trug ihn in den Dschungel dicht dabei und verzehrte ihn. Am nächsten Morgen fand man seine Überreste, die nur aus ein paar zermalmten Knochen bestanden. Der Waidono hatte ungefähr siebenhundert Männer zusammengebracht und wollte das Tier jagen; es wurde auch, wie ich später hörte, gefunden und getötet. Man gebraucht bei der Verfolgung eines Tigers nur Speere. Man umstellt eine große Strecke Landes und zieht sich allmählich zusammen, bis das Tier in einen vollständigen Ring bewaffneter Männer eingeschlossen ist. Wenn es sieht, dass es nicht mehr entfliehen kann, so macht es gewöhnlich einen Sprung und wird von einem Dutzend Speere aufgefangen und fast augenblicklich zu Tode gestochen. Das Fell eines so getöteten Tieres ist natürlich wertlos, und in diesem Fall war der Schädel, den ich Herrn Ball gebeten hatte, mir zu sichern, in Stücke gehauen, um die Zähne zu verteilen, die als Zaubermittel getragen werden.
Nach einem einwöchigen Aufenthalt in Wonosalem kehrte ich an den Fuß des Berges zurück in ein Dorf mit Namen Djapannan, welches von verschiedenen Waldpartien umgeben war und für meine Zwecke durchaus zu passen schien. Der Häuptling des Dorfes hatte für mich zwei kleine Bambuszimmer an der einen Seite seines eigenen Hofraumes hergerichtet und schien geneigt zu sein, mir so viel wie möglich zu helfen. Das Wetter war außerordentlich heiß und trocken, und da seit mehreren Monaten kein Regen gefallen, so waren infolgedessen Insekten und hauptsächlich Käfer sehr spärlich vorhanden. Ich ließ es mir daher hauptsächlich angelegen sein, eine gute Reihe Vögel zu erlangen, und es gelang mir auch, eine erträgliche Sammlung zu machen. Alle Pfaue, welche wir bisher geschossen, hatten kurze oder unvollkommene Schwänze gehabt, aber jetzt erhielt ich zwei prachtvolle Exemplare von mehr als sieben Fuß Länge, von denen ich einen vollständig aufbewahrte, während ich von zwei oder drei anderen nur den an dem Schwanz befestigten Schweif behielt. Wenn man diesen Vogel auf dem Boden nach Nahrung gehen sieht, so scheint es wunderbar, wie er mit einem so langen und schwerfälligen Schweif von Federn sich in die Luft erheben kann. Und doch tut er es mit großer Leichtigkeit, indem er ein kleines Stück schnell läuft und dann schief in die Höhe steigt; er fliegt über Bäume von beträchtlicher Höhe. Ich erhielt hier auch ein Exemplar des seltenen grünen Dschungelhahns (Gallus furcatus), mit einem aus bronzenen Federn schön geschuppten Rücken und Nacken und einem sanft gerandeten ovalen und an der Basis grünen Kamm von violett-purpurner Farbe. Es ist auch dadurch bemerkenswert, dass es einen einzigen großen Kehllappen hat, glänzend gefärbt mit drei roten, gelben und blauen Flecken. Der gewöhnliche Dschungelhahn (Gallus bankiva) kommt auch hier vor. Er ist fast genauso wie ein gewöhnlicher Kampfhahn, aber seine Stimme ist anders, viel kürzer und abgebrochener, woher er auch seinen inländischen Namen Bekeko hat. Sechs verschiedene Arten von Spechten und vier Königsfischer fand ich hier, den schönen Nashornvogel, Buceros lunatus, mehr als vier Fuß lang, und den hübschen kleinen Loriket, Loriculus pusillus, kaum mehr als ebenso viele Zolle.
Eines Morgens als ich gerade meine Spezimina präparierte und ordnete, sagte man mir, dass eine Gerichtsverhandlung stattfinden würde; und bald traten vier oder fünf Männer ein und hockten auf einer Matte unter dem Audienzdach auf dem Hof nieder. Dann kam der Häuptling mit seinem Schreiber und setzte sich ihnen gegenüber. Einer sprach nach dem anderen und erzählte seine Geschichte, und ich fand heraus, dass die zuerst Eingetretenen der Gefangene, der Ankläger, der Polizist und der Zeuge waren und dass der Gefangene nur dadurch sich auszeichnete, dass er ein loses Stück Tau um den Leib geschlungen, aber nicht fest zusammengebunden hatte. Es war ein Fall von Diebstahl, und nachdem die Aussage des Zeugen gemacht war und der Häuptling einige Fragen gestellt hatte, sagte der Angeschuldigte ein paar Worte, und dann wurde das Urteil gesprochen; es war ein günstiges. Die Parteien standen auf und gingen zusammen fort; sie schienen ganz freundschaftlich gegeneinander gesinnt zu sein; und von Leidenschaft oder übler Stimmung war durchaus nichts bei irgendeinem der Anwesenden zu sehen – eine sehr gute Illustration zu dem malaiischen Charaktertypus.
In einem Monat sammelte ich in Wonosalem und Djapannan achtundneunzig Vogelarten, aber eine armselige Anzahl von Insekten. Ich beschloss also, Ost-Java zu verlassen und es mit den feuchteren und üppigeren Distrikten am Westende der Insel zu versuchen. Ich kehrte nach Surabaja zu Wasser zurück in einem großen Boot, welches mich selbst, meine Diener und mein Gepäck zu einem Fünftel des Preises beförderte, den ich hatte bezahlen müssen, um nach Modjo-karta zu kommen. Der Fluss ist durch sorgfältiges Abdämmen schiffbar gemacht worden, was aber den gewöhnlichen Erfolg gehabt hat, dass das anliegende Land gelegentlich heftigen Überschwemmungen preisgegeben ist. Ein ganz bedeutender Handel nimmt seinen Weg diesen Fluss hinunter; an einer Schleuse, die wir zu passieren hatten, warteten eine Meile weit zwei beladene Boote zwei bis drei Reihen tief, die je sechs auf einmal nacheinander durchgelassen werden.
Portrait eines javanischen Häuptlings (nach einer Photographie; Baines)
Nach ein paar Tagen ging ich per Dampfschiff nach Batavia, wo ich ungefähr eine Woche in dem größten Hotel blieb und Vorbereitungen zu einem Ausflug ins Innere traf. Die Geschäftsgegend der Stadt ist nahe dem Hafen, aber die Hotels und alle Wohnungen der Beamten und europäischen Kaufleute sind in einer Vorstadt zwei Meilen davon, in breiten Straßen und Plätzen gelegen, sodass sie einen großen Flächenraum einnehmen. Das ist für den Besucher höchst lästig, da die einzigen Beförderungsmittel hübsche zweispännige Wagen sind, deren niedrigster Preis fünf Gulden (8 s. 4 d.) für den halben Tag beträgt, sodass eine Geschäftsstunde morgens und ein Besuch abends allein 16 s. 8 d. Wagenmiete per Tag kosten.
Die malerische Schilderung, die Herr Money von Batavia macht, passt sehr gut mit Ausnahme seiner »klaren Kanäle«, welche alle schmutzig waren, und seiner »glatten Kieswege«, die einer wie der andere aus groben Steinen bestanden, auf denen sich nur höchst schmerzhaft gehen ließ und die man kaum durch die Tatsache erklären kann, dass in Batavia jedermann fährt, da doch schwerlich zu glauben ist, dass die Menschen nie in ihren Gärten spazieren gehen. Das Hôtel des Indes war sehr bequem eingerichtet; jeder Gast hat ein Wohn- und Schlafzimmer, das sich auf eine Veranda öffnet, wo er seinen Morgenkaffee und Abendtee nehmen kann. In der Mitte des Vierecks steht ein Gebäude mit einer Anzahl Marmorbäder, die stets zum Gebrauch bereit sind; um zehn Uhr wird vortrefflich table d’hôte gefrühstückt und um sechs Uhr gegessen, wofür man alles in allem einen sehr mäßigen Preis per Tag bezahlt.
Ich fuhr mit einem Wagen nach Buitenzorg, vierzig Meilen landeinwärts und ungefähr tausend Fuß über dem Meer, berühmt durch sein köstliches Klima und seine botanischen Gärten.