Sophienlust Bestseller 13 – Familienroman. Anne Alexander
Читать онлайн книгу.der Fahrt geküßt.«
»Das ist doch unmöglich.«
»Bei Marion nicht.« David griff nach seiner Tasse. »Ich reise nicht am Montag ab, sondern jetzt erst am Mittwoch. Begleitest du mich und Selina morgen nach Italien?«
»Würde ich nicht nur stören?«
»Aber, Liebling!« Er nahm ihre Hände. »Wenn Selina und ich dich jemals gebraucht haben, dann jetzt. Du ersetzt ihr seit Jahren die Mutter. Sie liebt dich. Bitte, Marlene, komme mit.«
»Gut.« Die Frau nickte. »Was ist mit Selinas Tante?«
»Ich habe versucht, sie zu erreichen, aber bei ihr meldet sich niemand. Womöglich ist sie bereits in Italien.« David schnitt eine Grimasse. »Ich habe mich nie mit ihr verstanden. Wir waren von Anfang an Feinde. Wie das kommt, weiß ich auch nicht. Irgendwie hatte ich immer den Verdacht, daß Hannelore es mir übelnahm, daß ich Marion geheiratet habe. Sie betrachtete Marion als ihren höchstpersönlichen Besitz.«
»Dann können wir uns ja auf etwas gefaßt machen«, meinte Marlene.
»Und kommst du trotzdem mit?«
»Denkst du, ich lasse dich im Stich?« Sie griff mit einer Hand in sein volles braunes Haar. »Wir werden es schon schaffen, David.« Ihre Stimme klang zuversichtlicher, als sie sich fühlte. Der Gedanke, unter Umständen in einen Familienstreit hineingezogen zu werden, erfüllte sie mit leisem Grauen.
*
Selina Färber starrte aus dem Fenster auf Neapel hinunter. An und für sich flog sie gern, doch dieser Flug hatte etwas von einem Alptraum für sie gehabt. Ihre Eltern hatten sich scheiden lassen, als sie erst drei Jahre alt gewesen war. Sie hatte ihre Mutter kaum gekannt. Die wenigen Besuche bei ihr zählten da nicht. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals mit irgendwelchen Sorgen zu ihr gegangen zu sein. Ihre Mutter war fröhlich gewesen und hatte immer eine Menge Menschen um sich herum gehabt, aber für sie hatte es in ihrem Leben nie einen Platz gegeben. »Ist das nicht der Vesuv?« Marlene Hofrat wies auf einen hohen Berg, der südlich der Stadt aufragte.
»Ja«, erwiderte Selina teilnahmslos. Sie starrte weiterhin aus dem Fenster. »Da ist Capri.« Ihre Stimme vibrierte. »Und ich wollte nicht nach Capri. Ich hatte überhaupt keine Lust, meine Mutter zu besuchen. Und jetzt ist sie tot!«
»Aber Liebes, beides hat doch nichts miteinander zu tun.« David Färber griff über Marlenes Schoß hinweg nach Selinas Hand. »Glaub’ mir, deiner Mutter wäre es gar nicht recht gewesen, wenn sie wüßte, daß du dir Vorwürfe machst.«
»Woher weißt du das?« Selina wandte ihm ihr Gesicht zu. »Sie hat mich bestimmt liebgehabt, auch wenn sie nie Zeit für mich hatte. Nur ich...« Sie vergrub das Gesicht in den Händen.
»Es wird alles wieder gut, Selina«, sprach Marlene beinahe beschwörend auf sie ein. Sie schloß die Zwölfjährige in die Arme. Sie bezweifelte nicht, daß Marion Färber ihre Tochter auf eine gewisse Art geliebt hatte, doch es war eine sehr egoistische Liebe gewesen. Sie hatte sich Selinas immer nur erinnert, wenn es in ihre eigenen Pläne gepaßt hatte.
Das Flugzeug kreiste jetzt über dem Flughafen und stieß dann steil nach unten. Bereits eine Stunde später befanden sie sich in einem Taxi, das sie zum Hafen brachte. Kurz darauf betraten sie die Fähre nach Capri.
Selina stand an der Reling. Sie wirkte völlig verloren. Nicht einmal die beiden italienischen Kinder, die ganz in ihrer Nähe spielten, interessierten sie, dabei liebte sie kleine Kinder über alles.
»Wir müssen ihr Zeit lassen«, flüsterte David bedrückt. »Zu dumm, daß ich spätestens am Mittwoch nach Peru fliegen muß.«
»Ich bin ja noch einige Zeit in Stuttgart, David«, meinte Marlene.
»Dann gibt es ja auch noch Sophienlust. Frau von Schoenecker wird ihr wahrscheinlich besser helfen können als wir.« Mit einem etwas schmerzlichen Lächeln fügte sie hinzu: »Immerhin hat sie darin eine gewisse Routine.«
Die Fähre legte im Hafen von Capri an. Sie waren kaum an Land gegangen, als ein älterer Mann auf sie zutrat. »Signor Färber?« fragte er.
»Ja, woher kennen Sie mich?« Verwundert sah ihn David an.
»Angela schickt mich. Ich soll Sie und die kleine Signorita abholen. Ich bin Luigi. Ich habe die Senora oft gefahren.« Er wandte sich an Selina, die einige Schritte entfernt von ihnen stehengeblieben war. »Kennst du mich nicht mehr, kleine Signorina?«
Selina hob den Kopf. Es dauerte einige Sekunden, bis sie sagte: »Doch, Luigi.... Buon giorno!«
Luigi lachte kurz auf. »Du hast nicht verlernt, was ich dir beigebracht habe, Signorina Selina.« Er legte die Hand auf ihre Schulter. »Du bist jetzt sehr traurig, weil deine Mama gestorben ist, aber eines Tages wirst du wieder lachen.«
Selina schüttelte den Kopf. »Ich werde nie wieder lachen, Luigi«, erwiderte sie, dann schlüpfte sie unter seiner Hand hindurch und ging zu dem klapprigen Wagen, der unweit von ihnen an der Kaimauer stand.
»Traurig, sehr traurig«, sagte Luigi. »Aber was kann man machen?«
Der Professor war froh, daß ihnen die Stufen den Berg hinauf erspart blieben und sie mit Luigis Wagen fast bis zur Villa seiner geschiedenen Frau gefahren waren. Oberhalb des Hauses hielt Luigi an. »Jetzt müssen wir laufen«, sagte er und griff sich einfach den erstbesten Koffer.
Marlene stieg aus. Sie trat zum Felsabsturz und blickte hinunter. »Was für ein atemberaubender Anblick!« Sie wandte sich zu David um. »Ich kann verstehen, daß sie diesen Platz geliebt hat.«
»Er vermittelte ihr das Gefühl der Freiheit, das sie wie Luft zum Leben brauchte«, sagte er. Sein Herz zog sich schmerzlich zusammen, als er daran dachte, daß ihr dieser Drang schließlich das Leben gekostet hatte. Marion hatte noch nie Zwang ertragen können und sich stets über alle Konventionen hinweggesetzt.
Ohne sich um Marlene oder ihren Vater zu kümmern, stieg Selina die wenigen Stufen, die zum Haus hinunterführten, nach unten. Noch bevor sie den Vorgarten erreicht hatten, wurde die Gartentür aufgerissen. Eine etwas füllige, hellblonde Frau von vierzig Jahren stürzte auf sie zu und zog sie in ihre Arme.
»Selina, mein armes Häschen«, stammelte sie unter Tränen. »Jetzt bist du völlig allein. Deine arme Mutter, sie ist jetzt tot. Nun hast du nur noch deine Tante Hannelore. Ich werde schon…«
Diese stürmische Begrüßung riß Selina endlich aus ihrer Lethargie. Mit einer heftigen Bewegung befreite sie sich von den Armen, die sie umfingen. »Ich habe meinen Vater, und ich habe Marlene«, widersprach sie. »Ich bin nicht allein.«
»Pah, dein Vater!« Hannelore Nowak hob den Kopf und blickte David entgegen, der mit Marlene gerade die Treppe hinunterkam. »Dein Vater hat meine Schwester, deine Mutter, zugrunde gerichtet. Hätte sie ihn nicht geheiratet, würde sie heute noch leben. Und als wenn das nicht genug wäre, wagt er es…«
»Ich glaube, es reicht, Hannelore!« fuhr David die erregte Frau an. »Wir haben uns nie gut verstanden. Du warst von jeher gegen mich, aber…«
»Das Martyrium ihrer Ehe…« fiel ihm Hannelore Nowak ins Wort.
»Marion hatte unsere Ehe nie als Martyrium empfunden. Sie wollte lediglich ihre Freiheit haben«, fuhr David fort. »Es blieb mir nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren.« Er sah seine Ex-Schwägerin an. »Aber eines weiß ich sicher, Hannelore. Du wärst die letzte gewesen, bei der sich Marion über mich beschwert hätte.«
»Ich habe Marion geliebt. Gott allein weiß, wie sehr ich sie geliebt habe.«
»David, bitte gehen wir hinein«, bat Marlene. Sie hatte einen Arm um Selina gelegt. »Ihr könnt euch später weiter unterhalten.« Mit dem Kopf wies sie auf das Kind.
»Natürlich.« David lächelte ihr kurz zu.
»Diese Person kommt nicht in das Haus meiner Schwester!« Mit ausgestrecktem Arm zeigte Hannelore Nowak auf Marlene. »Ich werde nicht dulden, daß…«
»Es