Die Geschichte vom Galgenmännlein. Friedrich de La Motte Fouque
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Friedrich de la Motte Fouque
Die Geschichte vom Galgenmännlein
Ein Schauermärchen
In Sprache und Ausdruck modernisiert
Impressum
Covergestaltung: Gunter Pirntke
Digitalisierung und Druckvorbereitung: Gunter Pirntke
BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke
2018 andersseitig.de
ISBN
9783961187027 (ePub)
9783961187034 (mobi)
andersseitig VerlagDresdenwww.andersseitig.de
(mehr unter Impressum-Kontakt)
I
In Venezia, die weit und breit berühmte welsche Handelsstadt, zog eines schönen Abends ein junger deutscher Kaufmann ein, Reichard geheißen, gar ein fröhlicher und kecker Gesell.
Es gab eben zu der Zeit in deutschen Landen mannigfache Unruhe, um des Dreißigjährigen Krieges willen; deshalben war der junge Handelsmann, der sich gern einen lustigen Tag machte, ganz besonders damit zufrieden, dass ihn seine Geschäfte auf einige Zeit nach Welschland riefen, wo es nicht so gar kriegerisch zuging, und wo man, wie er gehört hatte, ganz köstlichen Wein und viele der besten und wohlschmeckendsten Früchte antreffen sollte, noch der vielen wunderschönen Frauen zu geschweigen, von welchen er ein absonderlicher Liebhaber war.
Er fuhr, wie sie es dort zu tun pflegen, in einem kleinen Schifflein, Gondel geheißen, auf den Kanälen umher, die es in Venezia statt der ordentlichen gepflasterten Straßen gibt, und hatte seine große Lust an den schönen Häusern und den noch viel schöneren Weibsgestalten, die er oftmals daraus hervorblicken sah.
Als er endlich gegen ein höchst prächtiges Gebäude herankam, in dessen Fenstern wohl zwölf der alleranmutigsten Frauenzimmer lagen, sprach der gute junge Gesell zu einem der Gondoliere, die sein Schifflein ruderten: »Dass Gott! wenn es mir doch einmal so wohl werden sollte, dass ich nur ein Wörtlein zu einer von jenen wunderschönen Fräulein sprechen dürfte!« – »Ei«, sagte der Gondoliere, »ist es weiter nichts als das, so steigt nur aus und geht kecklich hinauf. Die Zeit wird Euch droben gewisslich nicht lang werden.«
Der junge Reichard aber sprach: »Du hast wohl deine Lust daran, fremde Leute zu necken und meinest, in mir so einen groben Gesellen zu treffen, der nach deinen törichten Worten täte und droben im Schloss dann ausgelacht würde, oder wohl ausgewamst obendrein?« – »Herr, lehrt mich die Sitten des Landes nicht kennen«, sagte der Gondoliere. »Tut nur nach meinem Rat, sofern Ihr’s Euch gerne wohl sein lässt, und nehmen sie Euch nicht mit offnen, schönen Armen auf, so will ich meines Fährlohnes quitt und verlustig gehen.« Das schien dem jungen Burschen des Versuchens schon wert, auch hatte der Gondoliere nicht eben gelogen.
Die Schar der liebreizenden Fräulein nahm den Fremden nicht allein holdselig auf, sondern es führte ihn auch die, welche er für die Schönste aus ihnen hielt, in ihr eignes Gemach, wo sie ihn mit den auserlesensten Trink- und Esswaren bewirtete, und auch mit manchem Kuss, ja, ihm endlich ganz und gar zu Willen ward. Er musste mehrmalen bei sich denken: »Ich bin doch fürwahr in das alleranmutigste und wunderbarste Land gekommen, so es auf dem Erdboden gibt: zugleich aber kann ich auch dem Himmel nicht genugsamlich danken für die Anmutigkeiten meiner Person und meines Geistes, vermittelst deren ich den fremden Damen so sehr gefalle.«
Als er nun aber wieder von hinnen wollte, forderte ihm das Fräulein fünfzig Dukaten ab, und weil er sich darüber verwunderte, sagte sie: »Ei, junger Fant, wie vermeint Ihr doch, Euch der schönsten Kurtisane aus ganz Venedig so gar umsonst erfreut zu haben?
Zahlt nur immer frisch, denn wer nicht vorher bedungen hat, muss sich den Preis gefallen lassen, den man von ihm begehrt. Wollt Ihr aber künftig wiederkommen, so gehabt Euch klüger, und Ihr könnt für eine Summe, wie es Euch heute gekostet hat, eine ganze Woche lang in allen Freuden leben.«
Ach, wie verdrießlich es doch sein mag für einen, der dachte, er habe eine Prinzessin erobert, wenn er nun merkt, dass es eine gar gemeine Buhlschaft war, und ihm noch eine so erkleckliche Summe dabei aus dem Geldbeutel gelockt wird! Der junge Gesell aber bewies sich nicht so ergrimmt, als wohl ein andrer meinen sollte. Es war ihm mehr um eine gute Pflege seines Leibes zu tun als um viele Preislichkeiten in seiner Historie, deshalben er sich denn nach geleisteter Zahlung in ein Weinhaus fahren ließ, um dorten wegzutrinken, was ihm noch etwa von Ärger im Kopfe herumzog.
Da nun der fröhliche Bursch auf solchen Wegen war, mochte es ihm auch nicht an gar zahlreicher und vergnügter Gesellschaft fehlen. Es ging manchen Tag fort in Saus und Braus und zwischen lauter lustigen Gesichtern; ein einziges ausgenommen, das einem hispanischen Hauptmann zugehörte, der zwar allen den Späßen der wilden Bande, in die der junge Reichard sich begeben hatte, beiwohnte, aber meist ohne ein Wort zu verlieren und mit einer recht gewaltsamen Unruhe auf allen Zügen seines finstern Antlitzes. Man litt ihn dabei gern, denn er war ein Mann von Ansehen und Vermögen, der sich nichts daraus machte, die ganze Gesellschaft oft mehrere Abende hintereinander freizuhalten.
Demungeachtet, und ob sich der junge Reichard gleich nicht mehr so arg beschatzen ließ wie am Tage seiner Ankunft in Venezia, begann ihm doch endlich das Geld auszugehen, und er musste mit großer Betrübnis daran denken, dass ein so unerhört vergnügliches Leben nun bald für ihn ans Ende kommen müsse, sofern er nicht mit seinem vielen Verlustieren zuletzt all seines Geldes verlustig gehn wolle. Die andern wurden seiner Trübseligkeit inne, zugleich auch der Ursache dazu – wie sie denn dergleichen Fälle sehr häufig in ihrem Kreise erlebten – und hatten ihren Spaß mit dem ausgebeutelten Kopfhänger, der es doch immer noch nicht lassen konnte, durch die Reste seines Säckels von dem anmutigen Fliegengifte zu naschen.
Da nahm ihn eines Abends der Hispanier beiseite und führte ihn mit unerwarteter Freundlichkeit in eine ziemlich öde Gegend der Stadt. Dem guten jungen Gesellen wollte schier angst dabei werden, aber er dachte zuletzt: »Dass nicht mehr viel bei mir zu holen ist, weiß der Kumpan, und an meine Haut, sofern ihm drum zu tun wäre, müsste er doch immer erst die seinige setzen, welches er wohl für einen zu hohen Spielpreis halten wird.«
Der hispanische Hauptmann aber, sich auf die Grundmauer eines alten, verfallenen Gebäudes setzend, nötigte den jungen Kaufherrn neben sich und hub folgendermaßen zu sprechen an: »Es will mich fast bedenken, mein lieber, höchst jugendlicher Freund, als fehle es Euch an eben derselben Fähigkeit, welche mir über alle Maßen zur Last wird – an der Kraft nämlich, in jeder Stunde eine beliebige Summe Geldes herbeizuschaffen und so fortfahren zu können nach Belieben. Das und noch viele andre Gaben in den Kauf lasse ich Euch für ein billiges Geld ab.«
»Was kann Euch denn noch am Gelde liegen, indem Ihr die Gabe, es Euch zu verschaffen, loswerden wollt?« fragte Reichard.
»Damit hat es folgende Bewandtnis«, entgegnete der Hauptmann.
»Ich weiß nicht, ob Ihr gewisse kleine Kreaturen kennet, die man Galgenmännlein heißt. Es sind schwarze Teufelchen in Gläslein eingeschlossen. Wer ein solches besitzt, vermag von ihm zu erhalten, was er sich nur Ergötzliches im Leben wünschen mag, vorzüglich aber unermesslich vieles Geld. Dagegen bedingt sich das Galgenmännlein die Seele seines Besitzers für seinen Herrn Luzifer aus, sofern der Besitzer stirbt, ohne sein Galgenmännlein in andre Hände überliefert zu haben. Dies darf aber nur durch Kauf geschehn, und zwar, indem man eine geringere Summe dafür empfängt, als man dafür bezahlt hat. Meines kostet mir zehn Dukaten; wollt Ihr nun neun dafür geben, so ist es Euer.«
Während der junge Reichard sich noch besann, sprach der Hispanier weiter: »Ich könnte jemanden damit anführen und es ihm für irgendein andres Gläslein und Spielwerk in die Hände schaffen, wie mich denn selbsten ein gewissenloser Handelsmann auf gleiche Weise in dessen Besitz brachte. Aber ich denke darauf, mein Gewissen nicht noch mehr zu beschweren und trage Euch den Kauf ehrlich und offenbar an. Ihr seid noch jung und lebenslustig und gewinnt wohl mannigfache Gelegenheit,