Babys machen und andere Storys. Laurie Penny

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Babys machen und andere Storys - Laurie Penny


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Jade, die gleichzeitig mit dir eingestellt und bald schon befördert wurde, weil sie besser in die Unternehmenskultur passt. Im Restaurant pflanzt sich Jade neben die Vizepräsidentin und bestellt das Gleiche wie sie: frische Melone mit luftgetrocknetem Parmaschinken und ein Glas Prosecco.

      Wenn du dich nur mit Prosecco anfreunden könntest. Dir steigen immer die Bläschen in die Nase.

      Beim Essen betreibst du ein wenig Smalltalk, doch zwischendurch verschwinden die Ladys zum Nasepudern auf die Toilette und reden über Geschäfte, während du die Vorspeisen bewachst. Bei solchen Anlässen bist du immer der einzige Mann. Auch einer der Teilhaber ist ein Mann, wir sind ja nicht in den 1950er Jahren, aber Mr Lawrence muss immer früh gehen und sich um die Kinder kümmern, seit seine Frau nach Thailand abgehauen ist, wo sie die Ersparnisse mit Ladyboys durchbringt.

      Bei dem Gedanken überkommt dich der unwiderstehliche Drang, eine Scheibe Parmaschinken vom Teller der Vizepräsidentin zu stibitzen.

      Würde es jemand bemerken? Wahrscheinlich. Aber würde jemand etwas sagen?

      All deine kleinen Akte der Rebellion sind so. Verstohlen und irgendwie surreal. Wie neulich, als du dich nach der Arbeit in die Damentoilette geschlichen und die Binden geklaut hast. Nicht, dass du jemals etwas damit anfangen könntest. Aber es gibt dir einen Kick, sie zu Hause in deinem winzigen Bad zu horten, neben dem Waschbecken, dessen Abfluss dauernd von den Haaren deiner Mitbewohnerinnen verstopft ist.

      Du greifst nach dem Schinken, der glatt und glänzend ist wie die Zunge eines Menschen.

      Da kommt Jade von der Toilette zurück.

      »Hunger?«, fragt sie und lacht mit aufgerissenem Mund. »Du Frechdachs. Hör mal, wir wollen mit Elsa später noch einen draufmachen. Die Vizepräsidentin sagt, du sollst auch mitkommen.«

      »Ich weiß nicht«, sagst du. »Ich bin ziemlich müde. Und ihr gefällt das vielleicht sowieso nicht.« Du hast gehört, dass in Schweden alles ein bisschen anders läuft, aber Jade hat davon natürlich keine Ahnung. Sie liest andere Blogs als du. Und sie liest den Telegraph, vor allem, weil sie sich für die typische Telegraph-Leserin hält.

      »Ach, koooomm«, sagt Jade und stupst dich mit der Schulter an. Ihr Atem riecht nach Prosecco. »Du stehst doch auf so was? Deshalb mag dich die Vizepräsidentin ja auch.«

      Dieser Job ist wichtig für dich. Du zwingst dich zu einem Grinsen, du zwingst dich zu einem Nicken, und du hältst dich an deinem halben Glas warmem Bier fest.

      »Braver Junge«, sagt Jade, die drei Monate jünger ist als du. »Ich wusste, wir kriegen dich rum. Das wird lustig. Du wirst begeistert sein. Du bist doch praktisch eins der Mädels.«

      Die Vizepräsidentin und die schwedische Kundin kommen an den Tisch zurück. Elsa Norling ist eine große Frau mit einer strengen, glatt nach hinten gekämmten Frisur, die ihre markante Stirn betont. Sie lächelt nicht, zumindest nicht richtig. Wenn die Vizepräsidentin einen ihrer Witze macht, zieht sie die Winkel ihres breiten Mundes hoch, spricht aber kaum ein Wort. Doch gerade als du ein Stück öliges Parmesanhähnchen auf die Gabel spießt, fragt sie dich, was du studiert hast.

      »Äh«, sagst du überrascht. »Das war Neurobiologie.« Und heute machst du den ganzen Tag Tabellenkalkulation.

      Sie nickt, offenbar erfreut. »Ich habe auch eine Naturwissenschaft studiert«, sagt sie. »Chemie. Ich hatte einige Kommilitonen wie Sie. In Schweden studieren viele junge Männer Mathematik und Naturwissenschaften. Bis zu den höchsten Abschlüssen.«

      »Eine Menge schlaue Jungs arbeiten für unser Unternehmen«, stimmt ihr die Vizepräsidentin zu. »Ein Jammer, dass nicht mehr von ihnen die schwierigen Fächer bis zum Ende durchziehen.« Jade starrt düster auf ihr Tiramisu, aber die Vizepräsidentin lächelt dich an – das zweite Mal an einem Abend. Vielleicht reicht das ja, und du darfst früher nach Hause gehen.

      Aber nein. Nach dem Dessert hat die Vizepräsidentin noch etwas mit euch vor. »Die jungen Leute hier zeigen Ihnen noch eine typische Attraktion unserer Stadt«, sagt sie. »Das geht aufs Unternehmen. Viel Spaß!« Sie drückt Jade ein Bündel Zwanziger in die manikürten Hände und verschwindet.

      Es sind ja nur zwei Stunden, sagst du dir. Nur zwei Stunden, dann kannst du nach Hause gehen. Du musst weiß Gott einen guten Eindruck machen. Die Vizepräsidentin mag dich, hat Jade gesagt. Es ist wichtig, dass man dich mag. Es ist wichtig, dass du nett bist. Es ist wichtig, dass du Spaß hast. Wer hat nicht gern Spaß?

      Es ist nur eine kurze Taxifahrt bis zum Money Shot. Du weißt genau, wo das ist, denn du hast um die Ecke gearbeitet, in einem ähnlichen Schuppen, nicht, dass du das Jade unter die Nase reiben würdest. Auch Studenten müssen ihre Rechnungen bezahlen. Du hast dir sogar überlegt zu bleiben, aber dein Vater fragte ständig nach deiner Arbeit, das wurde langsam peinlich – Dad, ich lasse mir die ganze Nacht von widerlichen alten Frauen Dollarnoten in den Sackhalter stecken –, und außerdem lag es dir sowieso nie so richtig im Blut.

      Nur dieses eine Ding, das hattest du, von Geburt an. Das hat dich hervorstechen lassen und reichte aus, dir drei Jahre lang die Ramennudeln und die Rasierklingen zu finanzieren. Im Beruf war es allerdings keine Hilfe.

      Trotzdem überrascht dich die lange Schlange. Die Fangemeinde muss in den letzten drei Jahren gewachsen sein.

      Deine Freunde, die noch in der Szene aktiv sind, haben dir von Themenabenden erzählt – kitschige Kostüme mit allem möglichen Schnickschnack auf einer Skala von leicht rassistisch bis extrem rassistisch. Harajuku Boys, Maui-Nacht und einmal sogar Dschungelfieber. Die örtliche Presse hat darüber berichtet, und es gab haufenweise wütende Hashtags. Aber auch schlechte Presse ist gute Presse, denkst du, als du auf dem Weg zum VIP-Einlass an dem Schwarm Frauen und den vereinzelten nuttigen Boyfriends in engen Hosen vorbeikommst. Das Money Shot schadet niemandem, dir mittlerweile auch nicht. Stimmt’s?

      Der Knabe an der Tür lächelt dich an, als erkenne er dich, und das könnte auch sein, aber vielleicht empfängt er alle VIP-Party-Gäste so. Er trägt einen Helm mit gigantischen Plastikhörnern, und seine nackte Brust ist in der kühlen Nachtluft mit Gänsehaut überzogen.

      »Hallo, Ladys«, sagt er. »Willkommen zu unserer Wikinger-Nacht. Bei uns ist heute Abend alles spitz!« Er tippt mit den Fingern auf die Hörner, für den Fall, dass der Witz nicht ankommt. Seine Pupillen sind riesig. Was immer er genommen hat, hättest du auch gern. Vielleicht fragst du ihn später, ob er dir was abgibt

      Sobald du den Club betrittst, weißt du, dass es ein Fehler war, herzukommen.

      Der Saal hängt voller Plastikäxte, Stoffbahnen wurden über die billige rote Einrichtung drapiert. Dein Tisch steht direkt vor der Bühne, und ein Kellner in einem Lendenschurz aus Kunstfell, auch er mit einem gehörnten Helm auf dem Kopf, bringt schon die Cocktailkarte. Die Bühne ist leer, der Saal voll. Jade grinst.

      Die schwedische Kundin grinst nicht. Sie tut nicht einmal so, als gefiele es ihr. Eine kleine Falte gräbt sich in ihre breite schöne Stirn.

      »Wissen Sie«, sagt sie. »Das entspricht wirklich nicht dem Bild, das wir uns in Schweden von unserer Geschichte machen.«

      »Was?«, ruft Jade gegen den Lärm an.

      Jade bestellt drei »Flaming Longboat« und schiebt dem Kellner einen Geldschein unter den Gürtel. Er zuckt zusammen, als sie ihn mit ihren langen Fingernägeln kratzt. Sie merkt es gar nicht. Du schon. Du kannst dich an dieses spezielle Jobrisiko ganz gut erinnern. Mitfühlend fasst du mit einer Hand an deine Hüfte.

      Dann gehen die Lichter aus.

      Der »Ritt der Walküren« schmettert blechern aus dem Soundsystem, und fünfzig Frauen kreischen, als ein junger Mann auf die Bühne wirbelt, mit einem langen schimmernden Umhang, unter dem der Oberkörper nackt ist.

      Er ist ein Prachtstück, keine Frage. Wie die johlende Menge siehst du, dass unter den knapp dreißig Quadratzentimetern grünem Lamé sein Körper perfekt ist, eingeölt und durchtrainiert bis auf den letzten Muskel, wie aus feuchtem Gips geformt. Er lässt seinen glänzenden Bizeps spielen, schlägt den


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