Die Ex-Prinzessin. Fiona West
Читать онлайн книгу.Stand ist keine davon. Bitte denkt daran, dass internationale Heiratsverträge in jedem Land auf dem Kontinent oder über das Funkelnde Meer hinweg durchsetzbar sind, Eure Anwesenheit in einem anderen Land ist also kein Hindernis. Wir haben mit den Anführern von Gardenia im Privaten gesprochen und sie haben zugestimmt Euch an Orangiers auszuliefern, falls notwendig.«
Ein Schraubstock zog sich in Abbies Brust zusammen, ihre Angst stieg schnell in einer
stürmischen, panischen Welle. »Ich brauche etwas Zeit, um diesen Vertrag durchzuschauen«, sagte sie, ihre Stimme überraschend flach in ihren eigenen Ohren. Sie stand auf und ging zur Tür. »Würden Sie beide bitte morgen wiederkommen, sagen wir um zehn Uhr herum, so dass wir dies weiter diskutieren können?« Ihre Gedanken rasten bereits zur ihrer besten Freundin Lauren mit ihrem rechtswissenschaftlichen Diplom voraus, zu einem großen Glas Wein und zur »Lauf-Tasche« mit einem Stapel neuer Identitäten in einem Schließfach im Bahnhof, welches sie seit fünf Jahren gemietet hatte. Alles außer dem furchterregenden Gespenst einer Hochzeit in einer Kirche für tausend Personen und wieder einem goldenen Diadem auf ihrem Kopf.
»Es gibt noch etwas, Schwester.« Rubald hielt inne. Sein blasses Gesicht war ernst. »Es geht um Euren Vater.« Hierbei querte sie zum Schreibtisch und setzte sich wieder hin. Rutha erhob sich und schloss leise die Tür, die sie offen gelassen hatte.
»Er hat Euch einen Brief geschrieben. Ich habe ihn hier.« Sie streckte die Hand aus
und nahm den großen braunen Umschlag, den Rubald ihr darbot. Das Wachssiegel ihres Vaters überspannte die Lasche. Sie brach es schnell und nahm den feinen Bogen aus Leinen heraus. Er war kürzer, als sie erwartet hatte.
LIEBSTE ABBIE,
du wirst mehr vermisst, als du dir vorstellen kannst. Die Dinge laufen hier nicht gut und deine Hilfe wird benötigt. Ich bin krank. Die Menschen wünschen nicht, dass dein Bruder den Thron besteigt. Brevspor ist seit sechzehn Generationen ein Matriarchat gewesen und die Menschen akzeptieren die Art und Weise nicht, wie die Dinge jetzt sind. Sie haben meine Herrschaft, nachdem deine Mutter verschieden war, akzeptiert, da sie gewusst haben, dass du zu jung warst, um eine solche Verantwortung zu schultern, aber nicht länger.
Sie haben mir eine Petition eingereicht, dass ich deinen Heiratsvertrag erzwingen soll. Sie glauben, dass Brevspor unter deiner gemeinsamen Herrschaft mit Edward florieren würde, und ich stimme, natürlich, zu. Brevspor würde mit dir als Verwalterin als Territorium unter die Kontrolle von Orangiers kommen und sie hätten einmal mehr eine Porchenzii Königin, der sie vertrauen.
Es gibt noch mehr. Andere herrschende Mächte wissen welche mächtige Allianz dies wäre und arbeiten rasch daran dies zu verhindern. Du bist in Gefahr dort, wo du bist. Mir tut dies leid, aber ich dachte es ist besser, dass du es weißt.
Komm und verabschiede dich von mir, meine liebe Tochter, und nimm deinen rechtmäßigen Platz ein … um unser aller Willen.
In Liebe,
Paul Daniel Trevor Washington Frakes Porchenzii … alias Papa
ALLE KÖNIGLICHE AUSBILDUNG der Welt war nicht genug, um ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Fünf Jahre des Schweigens, das mit solchen Neuigkeiten gebrochen wurde. Sie konnte die Tränen, die ihr Sichtfeld verschwimmen ließen, nicht aufhalten und sie streifte sie mit wütenden Wischbewegungen ab. Sie las die ersten Zeilen wieder und wieder: Du wirst mehr vermisst, als du dir vorstellen kannst.
»Welche Art von Krankheit ist es?«, fragte sie leise.
Mr. Jerrinson zuckte mit den Schultern, sein Gesichtsausdruck hilflos. »Es tut mir leid, Hoheit, ich weiß es nicht.« Sie bemühte sich nicht ihn zu korrigieren. Plötzlich fiel ihre Aufmerksamkeit auf eine andere Zeile. Sie wischte den Rotz, der aus ihrer Nase trat, auf ihren Ärmel und fragte: »Was bedeutet das, ›deine gemeinsame Herrschaft‹? Ist Edward jetzt als Zweitgeborener an erster Stelle der Thronfolge?«
Rubald nickte. »Der Erstgeborene, Lincoln Atticus Jonathan Norris Bryant Broward versuchte die Macht an sich zu reißen, bevor sein Vater seine Absicht zurückzutreten verkündet hat. Er wurde als untauglich zu regieren erachtet und sitzt momentan im Exil in Op’ho’lonia. Er stellt dort sogar jetzt eine Armee auf, um einen weiteren Putsch zu versuchen—das heißt bis sein Bruder Euch heiratet und den Vorteil der Kräfte Eures Territoriums erlangt, an welchem Punkt er …«
»Unbedeutend sein wird«, beendete sie.
Es gab ein Klopfen an der Tür und ohne nachzudenken rief sie: »Herein!«
Zwei Arbeiter niedriger Stufe standen mit großen Augen in der Türöffnung. »Ähm, wir hatten eine Frage zur Temperatur des Abwassers was die Durchführbarkeit der Rückgewinnung des Quecksilbers betrifft …«, begann einer, aber verstummte allmählich, als er Abbies tränenverschmierte Wangen bemerkte.
»Wir kommen noch einmal«, sagte der andere und die Tür schloss sich einmal mehr.
Abbie wischte sich noch einmal über ihr Gesicht, die Tränen weigerten sich noch immer aufzuhören. Rutha bot ihr ein Taschentuch an, welches sie dankbar annahm.
»Verflixt«, flüsterte sie. »Verflixt und zur Jersey.«
»Majestät«, sagte Rutha leise, »wenn man die Gefahr bedenkt, von welcher Euer Vater gesprochen hat, glauben wir, dass Ihr beabsichtigen solltet hier so schnell wie möglich wegzugehen.«
»Nein«, gab sie zurück, putzte ihre Nase. Sie starrte sie durch gerötete Augen an, die zu ihrem Haar passten, bis sie wegsahen. »Sie können jetzt gehen.«
Zwei schockierte Gesichtsausdrücke erschienen auf den Gesichtern des Paars, aber Rubald fand zuerst seine Stimme wieder. »Majestät, wir beide haben das Gefühl—«
Abbie stand auf und ließ ihre Handflächen auf den Schreibtisch krachen, verstreute dabei Papiere und die Verpackung des Gebäcks auf dem Fußboden. »Mir ist egal, was Sie beide für ein Gefühl haben, oder was Sie denken, oder was Sie wollen«, sprach sie langsam und deutlich aus. »Ich habe dieses Leben permanent hinter mir gelassen. Ich werde niemals zu einem royalen Leben zurückkehren. Sie können gerne versuchen mich auszuliefern, wenn Sie es wagen.«
»Meine Güte«, murrte Rutha und Rubald schüttelte nur seinen Kopf. Sie starrten sie an, Rubalds Gesicht wurde fleckig rot, aber sie bewegten sich nicht, bis sie sich räusperte.
»Lassen Sie mich deutlicher werden. Raus hier.«
KAPITEL ZWEI
ABBIE SAGTE IHREM VORGESETZTEN, dass sie krank war und floh. Sie war sich sicher, dass sie so krank aussah, wie sie sich fühlte, also war es keine Lüge—nicht, dass sie es überhaupt ein bisschen störte jetzt gerade zu lügen. Sie machte sich zum Bahnhof auf, spähte über ihre Schulter, um zu sehen, ob Rubald und Rutha sich herumgedrückt haben; hatten sie nicht.
Ihre Finger juckten etwas zu tun und sie klammerte sich mit beiden Händen an die Träger ihrer Tasche. Die anderen Fußgänger ignorierten sie größtenteils, ihre Augen auf ihre Telefone gerichtet—ein Stück Schleier-Technologie, gewährt durch den magischen Vorhang, der diesen Teil des Landes umhüllte. Was er nicht erlaubte, waren motorisierte Fahrzeuge; die Verschmutzung sammelte sich im Inneren des Schleiers an und machte seine Bewohner krank. Sie hatte darüber nachgedacht in die Schleier-Tech anstatt der Abfallwirtschaft zu gehen, aber letztendlich hatte ihre Liebe zur Natur über die bessere Bezahlung von ST gesiegt.
Sie ging durch den Damsey Park, große Eichen überragten sie, um deren Füße Knollige Seidenpflanzen, Astern und Wilde Bergamotte ordentlich gepflanzt waren. Gardenia war bekannt für seine Naturpracht—es war, was sie in den letzten fünf Jahren, die sie in diesem Land verbracht hatte, am meisten genossen hatte. Während sie ging, ertappte sie sich dabei, wie sie in die Erinnerung purzelte, als sie hier angekommen war, verzweifelt und alleine.
Hungrig. Sie war niemals zuvor so hungrig gewesen; es hatte sich angefühlt,