Vorher Schadet Er. Блейк Пирс
Читать онлайн книгу.und auch das medizinische Gutachten gaben an, dass das Opfer in der Vergangenheit mehrere Knochenbrüche erlitten hatte, die nicht richtig verheilt waren. Zwei Rippen, das linke Handgelenk und ein Wulstbruch am rechten Arm. Der Mediziner hatte notiert, dass die Knochen im linken Handgelenk vermutlich nie korrekt gerichtet worden waren.
„Denkst du an Misshandlung?“, fragte Mackenzie.
„Ich denke, dass sie vor jemandem weggelaufen ist und in der Vergangenheit Knochenbrüche erlitten hat, die nicht behandelt wurden. Also ja – Misshandlung oder vielleicht sogar noch dunkler. Ich frage mich, ob sie vielleicht gefangen gehalten wurde. Sie sieht nicht unbedingt gesund aus. Laut Bericht wiegt sie gerade mal fünfzig Kilo. Und du siehst es in ihrem Gesicht auf den Bildern … sie sieht irgendwie … ich weiß nicht …“
„Verhärtet aus“, beendete Mackenzie seinen Satz.
„Ja, das ist ein gutes Wort.“
„Also vielleicht war sie eine Gefangene und hat es geschafft, ihrem Schänder zu entkommen. Und als er sie erwischt hat, kam es ihm wohl gelegener, sie einfach umzubringen, als erneut gefangen zu nehmen.“
„Aber die Sorglosigkeit der Tat – der Schänder musste gewusst haben, dass sie keine Identität besitzt.“
Das war ein guter Punkt, über den beide schweigend nachdachten. Mackenzie dachte an ein Mädchen, das erst durch ein feuchtes Feld und dann auf die regennasse Straße rannte. Sie war barfuß gewesen, hatte ihre Sandalen in der Hand getragen. Das Szenario stellte sie vor zwei Fragen, aber sie war sich nicht sicher, welche wichtiger war.
Die erste war, woher sie kam und wovor sie wegrannte.
Die zweite Frage allerdings schien dringender zu sein: „Wo wollte sie hin?“, fragte Mackenzie laut. „Es kann kein Zufall sein, dass sie sich diese Wohngegend ausgesucht hat. Ich weiß, dass es keine Beweise dafür gibt, dass sie das Feld durchquert hat, von dem Sheriff Burke gesprochen hat. Aber was, wenn? Sie hätte in jede Richtung gehen können, hat sich aber für diese Nachbarschaft entschieden. Also warum?“
Ellington lächelte und nickte, während er sich von ihrem Enthusiasmus anstecken ließ. „Warum finden wir es nicht heraus?“
KAPITEL SIEBEN
Zum Glück war es Samstag und die meisten Autos der Nachbarschaft standen entweder in Einfahrten oder offenstehenden Garagen. Sie erreichten Plainsview um 15.10 Uhr und parkten dort, wo sie sich zuvor mit Sheriff Burke getroffen hatten. Es war ein sonniger Märznachmittag, nicht wirklich kalt, aber auch nicht warm. Trotzdem erwartete Mackenzie nicht, Probleme damit zu haben, Anwohner zu finden, mit denen sie sprechen konnten.
„Du übernimmst die rechte Seite, ich die linke“, sagte Ellington, als sie aus dem Wagen ausstiegen.
Mackenzie nickte. Sie wusste, dass die meisten Partner sich dagegen entschieden, sich aufzuteilen. Doch sie und Ellington vertrauten einander auf einem Level, das dieses Vorgehen erlaubte. Dieses Vertrauen entstammte nicht nur ihrer starken Partnerschaft als Teamkollegen, sondern auch dem Verbundenheitsgefühl verheirateter Menschen. Sie trennten sich ohne Trara und begaben sich auf ihre jeweilige Straßenseite.
Das erste Haus auf Mackenzies Seite war ein Kinderspiel, da Mutter und Tochter sich im Vorgarten aufhielten. Die Tochter war vielleicht sechs Jahre alt und fuhr mit ihrem Dreirad den Gehweg hoch und runter. Die Mutter saß auf der Veranda und tippte auf ihrem Handy. Als Mackenzie näherkam, blickte sie auf und lächelte.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie. Ihr Ton ließ erkennen, dass sie überhaupt nicht helfen wollte, vor allem wenn Mackenzie vorhatte, etwas zu verkaufen.
Mackenzie entfernte sich ein paar Schritte von dem kleinen Mädchen, während sie ihre Marke herauszog und sich vorstellte. „Ich bin Agent Mackenzie White vom FBI. Mein Partner und ich befragen die Nachbarschaft, um Informationen bezüglich eines Unfalls mit Fahrerflucht vor zwei Tagen zu finden.“
„Ich habe der Polizei bereits gesagt, dass ich nichts gesehen habe“, sagte sie. „Man geht scheinbar davon aus, dass sich der Vorfall nach Mitternacht ereignet hat und meine Familie schläft bereits um 23 Uhr.“
„Wissen Sie, wer die Leiche gefunden hat?“
„Nicht sicher. Es sind einige Gerüchte im Umlauf und ich weiß nicht, welchem ich glauben soll. Nach einer Weile hört man einfach auf, zuzuhören, verstehen Sie?“
„Würden Sie einer der Gerüchtequellen zutrauen, die Wahrheit zu sagen?“
„Ich fürchte nicht.“
„Nun, dann danke, dass Sie sich Zeit genommen haben.“
Sie drehte sich um und winkte dem kleinen Mädchen zu, während sie auf das nächste Haus zuging. Sie klopfte drei Mal, erhielt aber keine Antwort. Beim dritten Haus war es dasselbe. Erst beim vierten Haus wurde die Tür sofort geöffnet, nachdem sie geklingelt hatte.
Mackenzie stand vor einer älteren Frau, vielleicht um die sechzig Jahren alt. Sie hielt eine Flasche Reinigungsmittel und einen Staubwedel in der Hand. Rockmusik aus den 70ern spielte im Hintergrund; Peter Frampton, wenn Mackenzies doch ziemlich beeindruckendes Musikwissen sie nicht täuschte. Ihre Gedanken waren offensichtlich bei ihrer Putzarbeit, doch sie schenkte Mackenzie dennoch ein Lächeln.
„Es tut mir leid, dass ich störe“, sagte Mackenzie. „Ich bin Agent White vom FBI.“ Sie zog ihre Marke heraus und die Frau starrte Mackenzie an, als hätte sie gerade einen Zaubertrick aufgeführt. „Ich befrage die Nachbarschaft, um Informationen zum Unfall mit Fahrerflucht zu finden, der sich vor zwei Tagen auf dieser Straße ereignet hat.“
„Oh, natürlich“, sagte die Frau. Und sofort war ihre Putzarbeit vergessen. „Haben Sie den Verantwortlichen denn schon gefunden?“
„Noch nicht. Deshalb sind wir hier, um Hinweise zu finden. Haben Sie in jener Nacht etwas gesehen oder gehört?“
„Nein. Ich denke nicht, dass überhaupt jemand etwas mitbekommen hat. Und das ist ja das Erschreckende an der Sache.“
„Weshalb?“
„Nun, wir befinden uns hier in einer sehr friedlichen Nachbarschaft. Aber gleichzeitig sind wir auch mitten im Nirgendwo. Ja, Salt Lake City ist weniger als dreißig Kilometer von hier entfernt, aber wir fühlen uns hier dennoch nicht wie in einer Großstadt.“
„Welche Gerüchte sind im Umlauf?“, fragte Mackenzie.
„Ich habe nichts gehört. Die Sache ist zu dunkel, um darüber zu sprechen.“ Sie ging einen Schritt weiter auf Mackenzie zu, um mit verschwörerischer Stimme sprechen zu können. „Ich habe das Gefühl, diese Nachbarschaft glaubt, dass die ganze Sache sich in Luft auflöst, wenn wir einfach nicht darüber sprechen. Dass jeder es einfach wieder vergessen wird.“
Mackenzie nickte. Sie hatte bereits mehrere Fälle in Städten wie dieser bearbeitet. Doch sie wusste auch, dass der Klatsch und Trasch in genau diesen kleinen Nachbarschaften seine Wurzeln hatte und weit reichen konnte.
Aber als sie ihre Tour durch die Straße fortsetzte, war sie sich nicht sicher, ob das auch für Plainsview zutreffen würde. Die Bewohner begegneten ihr mit zwei verschiedenen Einstellungen: Es gab die, die sich vom Besuch des FBI irritiert fühlten, weil sie bereits mit der Polizei gesprochen hatten. Und die, die sich um die Sicherheit in ihrer Nachbarschaft fürchteten, nachdem nun auch das FBI involviert war.
Das achte Haus, das sie erreichte, wirkte ziemlich unscheinbar. In den Beeten blühten keine Blumen und der Mulch hatte sich schon lange verfärbt. Obwohl auf der Veranda Möbel standen, befanden sich diese in einem verfallenen Zustand. Einer der Stühle hing voller Spinnenweben. Das Gebäude war lediglich zwei Häuser von der Kreuzung entfernt und obwohl es nicht herausstach, vermutete Mackenzie, dass sich die älteren Hausbesitzer der Nachbarschaft möglicherweise daran störten.
Sie klopfte an der Tür und hörte leise Schritte im Inneren. Weitere zehn Sekunden vergingen, bevor jemand erschien. Und auch dann wurde die Tür nur einen Spalt weit geöffnet. Eine junge Frau schielte heraus; ihre dunklen Augen betrachteten Mackenzie prüfend. Vermutlich handelte es sich um eine argwöhnische Frau.
„Ja?“, fragte