Getönte Fenster. Блейк Пирс

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Getönte Fenster - Блейк Пирс


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fühlte sich abenteuerlustig und mindestens zwanzig Jahre jünger, als sein tatsächliches Alter von Achtunddreißig. Er hatte gerade sein letztes Training an diesem Tag beendet – einem sehr vollen Tag, an dem er fünf verschiedene Häuser für private Trainings besucht hatte, sowie zwei weitere Kurse in einem Fitnessstudio in der Nähe abgehalten hatte. Er war müde und fertig… doch er erlebte auch etwas, was dem Runner’s High sehr nahe kam.

      Er hatte sich seine beste Klientin für das letzte Training des Tages aufgespart. Theresa Diaz war eine 47-jährige Frau, mit der er bereits seit über einem Jahr arbeitete. Sein Training hatte sie dazu befähigt innerhalb dieses Jahres mehr als fünfzehn Kilo abzunehmen und ihrem Traumkörper näher zu kommen. Die starke Gewichtsabnahme hatte ihr Selbstbewusstsein gesteigert.

      Viktor nahm an, dass das der Grund sein musste, aus dem sie so energisch auf die Affäre bestanden hatte. Sie war verheiratet, und das seit dreiundzwanzig Jahren. Sie hatte offen zugegeben, dass ihr Mann sich nicht um sie scherte und ihr nur Aufmerksamkeit schenkte, wenn er sie für seine eigenen körperlichen Bedürfnisse brauchte. Genau dieses Gespräch hatte Viktor eine Tür geöffnet. Und obwohl auch er verheiratet war, hatte er die Gelegenheit ergriffen.

      Es war nicht die erste Klientin, mit der er schlief, daher hatte er gelernt jegliche Schuldgefühle wegzudrücken. Er und Theresa hatten nun seit gut drei Monaten Sex, nachdem sie die vorherigen fünfzehn Monate die Spannung während des gemeinsamen Sporttreibens hatten aushalten müssen. Viktor hatte gewusst, dass sie gut sein würde. Eine ähnliche Erfahrung, die er vor einem Jahr gemacht hatte, hatte ihm das soweit nahegelegt; scheinbar waren Frauen, die von ihren Ehemännern ignoriert worden waren und dann irgendwann ihr Selbstbewusstsein wiedergefunden hatten, typischerweise begierig, willig und aggressiv im Bett.

      Oder, wie vor fünf Minuten mit Theresa, auch auf dem Wohnzimmerboden.

      Er wusste, dass er sich nicht beeilen musste; Theresas Ehemann war verreist. Er hatte es erwähnt, als er sie per FaceTime angerufen hatte, während sie tatsächlich noch im Training gewesen waren. Trotzdem joggte er ein wenig schneller als sonst, als er ihr Haus verließ. Sein eigenes Haus war nicht allzu weit entfernt, bloß sechs Häuserblocks östlich von hier. Es würde ein schöner, erfrischender Lauf sein. Es wurde gerade dunkel und die Temperatur war kühle 15 Grad.

      Er spielte die Szenen ihrer Trainingseinheit immer wieder in seinem Kopf ab (dem zweiten, außerplanmäßigen Teil, nicht das tatsächliche Training, für das er bezahlt wurde). Das Ganze war wie in seinen wildesten Träumen gewesen, direkt wie aus einem Pornodrehbuch. Während seiner Karriere als Personal Trainer hatte er schon einige Herzen erobert, doch er dachte, dass Theresa Diaz sich als die Beste dieser Eroberungen herausstellen würde. Wenn sie miteinander intim waren, war es fast so, als würde sie ihre Aggression an ihm auslassen, die eine lieblose Ehe und dreiundzwanzig vergeudete Jahre in ihr geschürt hatten. Und er ließ sie nur zu gerne gewähren. Er dachte sich, dass er auf eine komische Weise ihrem erbärmlichen Ehemann eigentlich dankbar sein sollte, dass er –

      Sein Gedanke wurde abrupt unterbrochen, als er etwas auf sich zugeflogen sah.

      Er hatte keine Ahnung, was es war. Ein Auto? Hatte irgendjemand etwas nach ihm geworfen? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass es mit großer Kraft in seine Magengrube einschlug.

      Viktor brach zusammen und fiel auf die Knie. Während er fiel, erhaschte er einen Blick auf den Gegenstand, der ihn erfasst hatte. Es war ein Baseballschläger aus Aluminium. Und sobald er ihn erblickte, hob sich dieser erneut. Viktor versuchte, Luft in seine Lungen zu saugen, doch er konnte nicht atmen. Der Schlag hatte ihn atemlos gemacht und einen schrecklichen Schmerz auf seiner rechten Seite verursacht. All das kam zu einer grausamen Kulmination, als der den Schläger erneut näherkommen sah.

      Dieses Mal traf er seine Brust. Es folgte ein merkwürdiges Geräusch – so, als hätte die Person, die den Schläger hielt, einen leeren Karton statt seines Brustkorbes getroffen. Er spürte eine Explosion des Schmerzes in seiner Brust, als etwas in seinem Inneren zerbrach. Er wollte schreien, doch er konnte nicht einatmen. Er schaffte es jedoch seine Arme zu erheben, als er sah, dass der Schläger bereits zu einem neuen Schlag ansetzte.

      Er konnte den Schläger davon abhalten, erneut seinen Brustkorb zu treffen, jedoch zersplitterte sein rechtes Handgelenk dabei. Eine quäkende Art Stöhnen kam über seine Lippen, als er es endlich schaffte, nach Luft zu holen.

      Er sah die Gestalt hinter dem Baseballschläger. Sie war männlich, doch er konnte das Gesicht nicht erkennen. In Schmerzen fragte er sich, ob es Theresas Ehemann war. Es machte Sinn, aber –

      Logik und Vernunft verließen ihn, als der Schläger ihn erneut traf. Dieses Mal erwischte er seine linke Seite und brach ihm die Rippen. Er versuchte erneut zu schreien, doch es war zu viel – keine Luft, zu viel Schmerz. Er öffnete seinen Mund in der Hoffnung, dass irgendetwas rauskommen würde.

      Doch da war nichts. Nur das Hinauffliegen und Herabfallen des Baseballschlägers. Er bekam erneut einen Schlag in die Magengrube, dann den Brustkorb, dann folgte ein weiterer Kataklysmus des Schmerzes, als der Schläger seine rechte Schulter erfasste und den Knochen pulverisierte.

      Viktor hatte den Überblick verloren, wie oft der Schläger bereits auf ihn eingeschlagen hatte.

      Irgendwo um den neunten oder zehnten Schlag schien irgendetwas in ihm nachgegeben zu haben, gerissen zu sein, wie ein unsichtbarer Faden. Er sah den Baseballschläger erneut auf ihn hinunterkommen, doch konnte gnädigerweise den Schmerz nicht mehr spüren, als eine plötzliche Dunkelheit ihn einhüllte und davontrug.

      KAPITEL EINS

      Chloe Fine hörte der Stimme ihres Vaters zu, während draußen ein Spätsommergewitter polterte. Sie saß auf ihrer Couch in ihrer ruhigen Wohnung und hielt das Aufnahmegerät ihrer Schwester in der Hand. Sie drückte immer wieder auf „Abspielen“, hörte eine Weile lang zu und spulte dann zurück, um es erneut anzuhören. Sie trug ein altes T-Shirt und eine bequeme Jogginghose, ihre Knie an den Brustkorb gedrückt, so als wäre sie ein kleines Mädchen, dass einer morbiden Gute-Nacht-Geschichte lauschte.

      Sie hatte den einen Satz, in dem er den vorsätzlichen Mord ihrer Mutter zugab, immer und immer wieder angehört. Dieser Satz war beinahe zu einem Mantra geworden, zu dem Refrain eines Liedes, von dem sie einen Ohrwurm hatte.

      Draußen grummelte leise der Donner, als Chloe den Satz ein letztes Mal abspielte. Sie hielt das Aufnahmegerät mit beiden Händen fest, fast so als würde sie erwarten, dass es zum Leben erwachte und sie bereit wäre es in diesem Moment zu erdrosseln. Sie spielte dieselben sechzehn Sekunden erneut ab und versuchte sich vorzustellen, was Danielle in diesem alten, verlassenen Warenlager durchgemacht haben musste.

      Sie war auf eine merkwürdige Art und Weise stolz auf ihre Schwester, aber auch etwas verstört davon, wie weit sie gegangen war, um dieses Geständnis zu bekommen.

      Chloe schaltete das Aufnahmegerät aus und legte es auf ihren Couchtisch. Einen Moment lang saß sie in Stille und versucht sich an den gegenwärtigen Stand ihres Lebens zu gewöhnen. Es war nicht das erste Mal, dass sie das tat. Es gab viel aufzunehmen, viel zu verarbeiten.

      Fünf Tage war es her, dass sie und Danielle ihren Vater in dem nicht weiter bemerkenswerten Fleckchen Wald in Texas begraben hatten. Sie hatten ihn tief genug vergraben, und obwohl sie sich sicher war, dass sein Körper früher oder später von irgendwelchen Tieren entdeckt werden würde, würden bis dahin viele Jahre vergehen. Sollte es wirklich jemanden geben, der den neuerdings vermissten Aiden Fine suchte, so nahm sie an, konnte man ihn dort draußen schon finden. Doch man müsste schon sehr gut suchen.

      Das war jedoch das Schöne daran. Niemand würde nach ihm suchen. Es gab niemanden, der sich darum scherte, dass er verschwunden war. Niemanden.

      Außerdem, soweit die Polizei wusste, war Aiden Fine auf der Flucht, mittlerweile wahrscheinlich irgendwo in Mexiko.

      Die Lüge war simpel und doch komplex gewesen. Und weil die Schwestern dieselbe Geschichte erzählt hatten – ganz zu schweigen, dass eine von ihnen eine FBI Agentin war, die sich zumindest einmal zu ihrem entfremdeten Vater geäußert hatte – hatte niemand ihre Story wirklich hinterfragt. Stattdessen fand derzeit eine staatsweite Fahndung nach Aiden Fine statt.

      Das


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