Das Erbe des Bierzauberers. Günther Thömmes

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Das Erbe des Bierzauberers - Günther Thömmes


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trank einen Schluck Wein, der ihm gereicht worden war.

      »Dies geschah vor über 100 Jahren und ist wohl bekannt. Nun, resultierend aus dieser Erfindung, welche ›Schwarzpulver‹ genannt wurde, entstanden neue Waffen. Und die neueste Verteidigungswaffe möchten wir Euch vorstellen.«

      Eberwin hielt die beinah acht Kilogramm schwere Büchse triumphierend über den Kopf, während Bredelin fortfuhr.

      »Ihr braucht Euch in Zukunft nicht mehr allein auf Kriegsmaschinen wie Katapulte oder Schleudern zu verlassen. Auch Armbrüste oder Langbögen gehören der Vergangenheit an. Wir arbeiten in Nürnberg Hand in Hand mit einer Gießerei, einer Schmiede und einer Schleiferei. Dazu kommt noch feinste Drechslerarbeit für die Hölzer. Diese Hakenbüchsen haben ein Luntenschloss und werden von vorne geladen. Sie sind bestens geeignet, von einer Burgmauer herab auf einen Angreifer zu schießen.«

      Einer der drei Herren von Eltz, deren Namen Bertram nicht verstanden hatte, hatte Eberwin die Büchse aus der Hand genommen und wog sie nun, fachmännisch begutachtend, in seinen Händen.

      »Das ist das Beste, Leichteste und Durchschlagendste, was es derzeit an schießenden Verteidigungswaffen gibt!« Bredelin redete sich in eine regelrechte Euphorie.

      »Seht Ihr diesen Haken?« Er zeigte auf einen eisernen Haken unter dem Lauf der Arkebuse.

      »Damit könnt Ihr die Büchse auf der Mauer oder an einem Ast fixieren, um den Rückstoß aufzufangen. Und der ist enorm, glaubt mir, genauso wie die Geschwindigkeit der Geschosse.«

      Dass die Treffsicherheit ab zehn Metern Entfernung rapide abnahm, verschwieg er wohlwissentlich.

      »Wie schießt man damit?«, ergriff der erste Eltzer das Wort.

      »Ganz einfach! Zuerst nehmt Ihr ein Zündkraut. Das ist ein nicht gekörntes Schwarzpulver. Und dann werde ich unsere neue Entwicklung vorstellen. Bislang wurden die Hakenbüchsen mit einem Luntenschloss ausgestattet. Damit konnte man bereits während des Abdrückens zielen und dadurch genauer schießen als mit den früheren Modellen. Es gab aber viele Nachteile: Man musste eine brennende Lunte mitführen, die Lunte am Schloss ständig korrigieren, und konnte nicht zuletzt bei Feuchtigkeit nicht schießen. Und bei starkem Wind wurde das Pulver aus der Pfanne geweht. Daher waren diese Büchsen bei Wind und Regen nutzlos. Mit unseren neuen Büchsen hingegen könnt Ihr Euch bei jedem Wetter verteidigen. Unsere Nürnberger Handwerker haben dieses ›Radschloss‹ neu entwickelt.«

      Er ging zur Büchse, zeigte auf den Mechanismus, die Büchse ging von Hand zu Hand. »Seht dieses Zahnrad aus Eisen, das durch die Zündpfanne greift. Ihr dreht es mit einem Schlüssel an der Achse, dadurch wird diese Kette gespannt, die sich um seine Achse windet.

      Am anderen Ende befindet sich die Schlagfeder. Durch Auslösen des Hahns wird die Feder gelöst, der Hahn, auf dem ein Stück Schwefelkies liegt, schlägt Funken in der Pulverpfanne, und der Schuss geht los.«

      Eberwin schritt zur Demonstration.

      Bertram verfolgte mit großer Spannung, was da kommen sollte.

      »Habt Ihr ein Objekt, auf das ich schießen soll?«, fragte Eberwin.

      Auf einen knappen Befehl eines Eltzers hin brachte ein Bursche einige größere, flaschenähnliche Pflanzen, die wie ein Gemüse aussahen, die Bertram aber völlig unbekannt waren.

      »Ah, Churpizze, die sind hervorragend zur Demonstration geeignet«, rief Bredelin aus.

      Sie hängten einen Churpiz an einem Seil vom Galgen herab, der im Hof stand.

      Bredelin schickte mit warnenden Gesten die Herren von Eltz in sichere Entfernung, während Eberwin derweil umständlich die Arkebuse von vorne lud, die Pulverpfanne füllte, das Radschloss spannte, zielte – und abdrückte.

      Die Wirkung war erstaunlich: ohrenbetäubender Lärm, Qualm und ein Eberwin, den der Rückstoß an die Wand einige Meter hinter ihm drückte.

      Das Seil schwankte im Wind, vom Churpiz war nichts mehr zu sehen, außer einigen schmierigen Flecken an den Wänden des Innenhofes, einige Meter weit vom Galgen entfernt.

      Höflicher Applaus der drei Herren von Eltz.

      Bredelin und Eberwin verneigten sich kurz wie Künstler nach einer Darbietung und nahmen kurz darauf huldvoll die Bestellungen entgegen.

      Bertram war tief beeindruckt. Das verheerende Resultat dieses Schusses übertraf alles, was er sich bisher unter einer Handwaffe hatte vorstellen können.

      Es folgte ein üppiges Mittagessen, auch Bertram wurde eingeladen, allerdings nur, um mit dem Gesinde zu essen. Dennoch, die Küche von Eltz war gut und deftig, er trank sogar einen Moselwein, der mit Milch und Honig vermischt war.

      Dann, mit leichterem Gepäck, verließen die drei die Burg. Fünf der sechs Büchsen waren gleich gegen bare Münze dagelassen worden. Eine wollten die Nürnberger Kaufleute behalten, »falls sich unterwegs noch ein Kunde ergibt, dem wir es vorführen möchten«.

      Bei Koblenz trafen sie auf den Rhein, jetzt wusste Bertram wieder ungefähr, wo er sich befand. Das verhasste Straßburg lag stromaufwärts, Nürnberg glücklicherweise Richtung Osten.

      Bredelin und Eberwin waren prächtiger Laune, eine gute Bestellung, reichlich Vorauszahlung, da konnten sie es sich leisten, großzügig zu sein. Sie luden Bertram zum Essen ein.

      Der Weg ging entlang der Lahn, durchs Nassauische in Richtung Limburg. Viel Wald, nur wenige Menschen begegneten ihnen, Siedlungen waren noch seltener. Sie mussten im Wald übernachten. Die Nürnberger Kaufleute waren aber auch darauf vorbereitet.

      »Wenn man wie wir dauernd auf Reisen ist, findet man nicht immer ein Gasthaus«, sagte Bredelin lachend, während Eberwin das Feuer anzündete.

      Bertram nutzte die Gelegenheit, sich noch einmal ausführlich die Vorzüge der Hakenbüchse demonstrieren zu lassen.

      »Kann man damit auch jagen?«

      »Das Wild ist zu weit weg und wittert uns zu schnell, das dürfte schwierig sein. Die Büchse ist besser zur Verteidigung aus der Nähe geeignet.«

      Tage später fand man die beiden Kaufleute im Wald. Bredelin war die Kehle mit einem scharfen Dolch durchschnitten worden, offensichtlich im Schlaf.

      Eberwin war nicht mehr wiederzuerkennen. Eine gewaltige Explosion aus nächster Nähe hatte seinen Kopf weggerissen und seinen Oberkörper zerfetzt. Auch ihn hatte der Tod offenbar im Schlaf überrascht.

      Geld fand man keines bei ihnen, auch keine Waffe, kein Pulver und keine Munition.

      Von Bertram fehlte jede Spur.

      Die letzten Menschen, die die beiden lebend gesehen hatten, berichteten von einem jungen Mann in ihrer Begleitung. Einem Mann mit entstelltem Gesicht, genauer gesagt, einer extrem schiefen Nase. Die Beschreibung deckte sich auch mit der, die der Schäfer bei Nattenheim seinem Vogt gegeben und die dieser an den Hof des Trierer Kurfürsten weitergereicht hatte. Auch hier wurde ein Protokoll erstellt und an verschiedene Städte gesandt. Als dieses in Bitburg ankam, erinnerte man sich auch hier an einen Burschen mit schiefer Nase, der im Brauhaus ›Zum lüsternen Eber‹ gesehen worden war.

      Kaiser Friedrich III.

      »Wo ist mein Medikus? Du verfluchter Quacksalber, komm endlich herbei!«

      Gequält, aber donnernd hallte der Schrei des Kaisers an diesem Tag des Jahres 1474 durch die Hallen der kaiserlichen Residenz in Wiener Neustadt; das Echo der knallenden Türen, die der Kaiser aus Gewohnheit immer mit aller Kraft auftrat, drang sogar bis in die Frauenkapelle und störte dort die Andacht.

      Geduckt, mit fliegenden Gewändern eilte der Medikus in Richtung der kaiserlichen Gemächer, ebenso sprangen und verdrückten sich die Bediensteten


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