Das Salz der Friesen. Andreas Scheepker

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Das Salz der Friesen - Andreas Scheepker


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ausgetauscht hatten. Jetzt waren sie beim vierten Becher Wein und einem gebackenen Huhn in der Gegenwart angekommen.

      »Salz«, bestätigte Fockena. »Jakob Sanders wurde in seinem Kontor ermordet. Jemand muss durch das Fenster einen Armbrustbolzen auf ihn geschossen haben. Da Sanders hinter seinem Tisch an der Wand saß, fiel er nicht zu Boden, sondern sackte tot in seinem Stuhl zusammen. Der Mörder hat eine gute Handvoll Salz über ihn gestreut.«

      »Das kann auch jemand anders gewesen sein.«

      »Vielleicht. Aber vor gut drei Wochen wurde in Oldekamp eine Nonne ermordet. Man hat den Fall nicht weiter untersucht und vermutet einen Einbruchsversuch in das Kloster. Auch sie wurde mit einem Bolzen der Armbrust getötet, und jemand hat die Tote mit Salz bestreut.«

      »Wer sollte in ein Kloster einbrechen?«, fragte Rimberti. »Graf Enno hat die Klöster und Kirchen doch gründlich ausgeplündert. Da gibt es nun wirklich nichts mehr zu holen.«

      »Und schon gar nicht im Klostervorwerk Oldekamp«, antwortete Ulfert Fockena und wischte mit einem Stück Brot die Schüssel aus. »Dort gibt es nur Bienen und ein bisschen Ackerland. Ein paar Kranke werden gepflegt, und ein paar Handschriften werden angefertigt. Kein lohnendes Ziel für einen Räuber. Wozu sollte auch jemand am helllichten Tag mit einer solchen Waffe dort einbrechen?«

      »Sehe ich das richtig, dass der Graf auch dich mit der Lösung des Falles beauftragt hat?«

      »Es gibt keinen Fall. Jakob Sanders war einer der reichsten Kaufmänner Ostfrieslands. Offiziell ist er bei einem …«

      »Er ist bei einem Einbruch getötet worden. Ja?«, unterbrach Lübbert Rimberti den Freund.

      »So ist es. Eggerik Beninga soll Erkundigungen einziehen, und wir sollen ihm dabei helfen«, bestätigte Fockena.

      »Dafür, dass es eigentlich kein Fall ist, betreibt Graf Enno ja einen ziemlichen Aufwand.«

      »Sanders war mit der Abwicklung der Kirchenschätze beauftragt. Er hat für Graf Enno einen Großteil der Wertgegenstände aus den Klöstern und Kirchengemeinden zu Geld gemacht.«

      Einen Moment schwiegen die Freunde und widmeten sich dem gebackenen Huhn. Im letzten Jahr hatte Graf Enno begonnen, unter dem Deckmantel des evangelischen Glaubens alle Schätze und Wertgegenstände aus Kirchen und Klöstern einzuziehen. Ganze Wagenladungen mit Kelchen, Leuchtern, kostbar eingefassten Büchern, Monstranzen, Messgewändern und anderen Wertsachen hatte er durch seine Leute beschlagnahmen lassen, die sogleich einen erheblichen Teil der Kirchenschätze als Aufwandsentschädigung für sich abgezweigt hatten.

      »Also: zuerst die Nonne oder den Kaufmann?«, fragte Rimberti.

      Ulfert Fockena grinste. »Zuerst den Kaufmann, der ist noch frisch.«

      Kapitel 5

      Rinelde Sanders blickte einen Moment auf, als Lübbert Rimberti und Ulfert Fockena in den Raum geführt wurden. Die Witwe des ermordeten Kaufmanns war eine große, schwere Frau mit teigigem Gesicht. Ihre Haare waren ganz unter der enganliegenden Haube verschwunden, was ihr Gesicht noch runder wirken ließ. Mit Herablassung hörte sie sich die Beileidsbekundungen der beiden an und beugte sich wieder über ihre Papiere.

      »Ich danke Euch für Euer Mitgefühl«, sagte sie tonlos und tauchte die Feder in die Tinte. »Mein Mann hatte natürlich keine Gelegenheit, uns ein bestelltes Haus zu hinterlassen. So ist es meine Aufgabe, alles zu ordnen. Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr Euer Anliegen gleich vorbringen würdet. Ich habe viel zu tun.« Kratzend schrieb Rinelde Sanders etwas auf ihr Papier und blickte dann Fockena und Rimberti ungeduldig an.

      »Verzeiht, dass wir Euch an einem so jammervollen Tag mit Fragen belästigen müssen«, begann Ulfert Fockena salbungsvoll. »Aber Graf Enno schätzte Euren Gatten als Freund und als Kaufmann. Ihm ist sehr daran gelegen, den Mörder schnell zu finden und zu bestrafen.«

      Rinelde Sanders legte die Schreibfeder beiseite und nickte. »Stellt Eure Fragen.«

      »Ist etwas aus dem Kontor Eures Mannes entwendet worden?«, fragte Lübbert Rimberti.

      Rinelde Sanders schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nichts. Mein Mann hatte sein Geld gut versteckt und verschlossen. In seinem Kontor hatte er immer nur ein paar Münzen in einem Schrankfach. Und die sind noch alle da.«

      »Ihr hattet schon Gelegenheit, Euch davon zu überzeugen?«, fragte Rimberti so höflich wie möglich.

      Rinelde Sanders’ Blick wurde eisig. »In unserem Kontor wimmelt es von Kunden und Bediensteten. Da sollte niemand in Versuchung geführt werden.«

      Es polterte an der Tür, und ein hagerer Mann mit rotem Gesicht stolperte herein. Die Kleidung aus elegantem schwarzem Tuch passte nicht zu seiner ungepflegten Erscheinung. Das Haar stand nach allen Seiten ab, der Bart war seit Tagen nicht gestutzt und die Kleidung an Brust und Bauch bekleckert.

      »Schwager Berend, was habt Ihr hier zu suchen?«, fragte Rinelde Sanders mit tadelndem Unterton.

      »Ich wollte nachsehen, wie es mit Euch steht, liebe Schwägerin«, brachte der Mann mit schwerer Zunge vor.

      »Immerhin sehe ich, dass Ihr noch steht. Das ist um diese Tageszeit schon sehr bemerkenswert, lieber Schwager«, entgegnete die Witwe schroff.

      »Ich …« Der Mann suchte nach Worten. »Er war nicht nur Euer Mann, er war auch mein geliebter Bruder.« Tränen standen in seinen geröteten Augen. Er schniefte und wischte sich mit dem Ärmel die Nase.

      Für einen Moment schien Rinelde Sanders von Mitleid berührt. »Ich danke Euch für Euren Besuch. Wir reden später.«

      Der Mann druckste. »Auch wenn das jetzt etwas unpassend ist: Vielleicht könnt Ihr mir aus einer kleinen Verlegenheit helfen. Dringende Geschäfte, versteht Ihr?«

      Rinelde Sanders’ Gesicht wurde hart. Wortlos griff sie in einen Lederbeutel und holte ein paar Münzen heraus, die sie auf die Tischkante legte. Sie sah nicht hin, als ihr Schwager sich mit ungelenkem Schritt näherte und die Münzen umständlich von der Tischkante nahm.

      »Dank Euch für die Hilfe«, sagte Berend Sanders mit übertriebener Ergebenheit. »Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Ich werde in dieser schweren Zeit unerschütterlich zu Euch stehen.« Er deutete eine Verbeugung an und schwankte hinaus.

      »Auch das ist ein Erbteil, welches mein Mann mir hinterlässt«, erklärte Rinelde Sanders ungerührt.

      »Wird er etwas erben?«, fragte Ulfert Fockena.

      »Nein. Mein Schwiegervater hat das Geschäft Jakob hinterlassen. Berend ist der Ältere. Aber er hat es nie zu etwas gebracht. Berend hat beim Tod meines Schwiegervaters eine Leibrente und lebenslanges Wohnrecht im Elternhaus bekommen. Dieses Erbe kann er nicht versaufen. Mein Schwiegervater war ein weiser Mann. Das Elternhaus selbst ist dem Kloster Ihlow überschrieben worden und wird nach Berends Ableben ganz dem Kloster zugutekommen. Es gibt noch einen dritten Bruder. Er heißt Konrad und ist auf eigenen Wunsch in dieses Kloster eingetreten. Er ist dort Bibliothekar.«

      »Und mit dem Haus hat er sich gewissermaßen in das Kloster eingekauft«, stellte Ulfert Fockena fest.

      »Es bedarf schon eines gewissen Wohlstandes, um das Armutsgelübde ablegen zu können«, erwiderte Rinelde Sanders.

      »Jemand hat Salz auf Euren Mann gestreut. Habt Ihr eine Vermutung, was das zu bedeuten hat?«, fragte Lübbert Rimberti. »Hat Euer Mann auch mit Salz gehandelt?«

      »Mein Mann hat zusammen mit Hilko Boyen mit Salz gehandelt«, antwortete die Witwe. »Das meiste Salz wird verkauft. Das Fleisch wird damit eingepökelt und überallhin verkauft. Aber etliche Fässer mit Salz verkaufen wir auch nach Westfalen oder verschiffen es in die Ostsee. Und nun, meine Herren, bitte ich Euch, mich allein zu lassen. Ich trauere um meinen Mann und bitte um Euer Verständnis.«

      Rimberti und Fockena erhoben sich und verließen den Raum. Als Rimberti sich noch einmal zu Rinelde Sanders umwandte, um ihr einen Abschiedsgruß zu entbieten, war sie schon wieder in ihre Arbeit vertieft und schrieb


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