Wie Deutschland gespalten wurde. Ulrich Heyden

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Wie Deutschland gespalten wurde - Ulrich Heyden


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wurde über den Stalinismus schon in den 1970er Jahren hart diskutiert. Doch die im Zuge der Perestroika Ende der 1980er Jahre bekanntgewordenen Fälle lösten in Westdeutschland erneute Debatte aus. Die neuen Fakten über den Stalinismus und der wirtschaftliche Kollaps der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre beschleunigten den Auflösungsprozess der verschiedenen kommunistischen Parteien und Organisationen in Westdeutschland. Nicht wenige „harte Kommunisten“ entdeckten plötzlich Vorzüge der Marktwirtschaft. Mit dem Ende des „realen Sozialismus“ schien eine Alternative zum Kapitalismus in unerreichbare Ferne gerückt.

      Für viele – auch undogmatische – Linke war das Ende des „realen Sozialismus“ eine seelisch-moralische Katastrophe. Eine ganze Generation der westdeutschen Linken war der festen Überzeugung gewesen, Sozialismus sei auch in Westdeutschland möglich. Man hatte sich in den 1960er Jahren politisiert. Damals herrschte in der Linken Aufbruchstimmung. Begeistert sang man die Lieder von Ernst Busch und Lieder vom Widerstand gegen die Militärjunta in Chile. Viele westdeutsche Intellektuelle machten nicht Karriere in ihrem Beruf, sondern gingen in Betriebe und begannen mit kämpferischer Gewerkschaftsarbeit. Zahlreiche Mitglieder der DKP und Aktivisten der Neuen Linken wurden zu Betriebsräten und Jugendvertretern gewählt.

      Linke Gedanken waren im westdeutschen Kulturbetrieb seit dem Ende der 1960er Jahre nicht mehr verpönt. Sie begannen wie Hefe in einem Teig die Jugend zu infizieren. Die Konservativen reagierten zunächst unbeholfen und repressiv. Erst ab Mitte der 1980er Jahre gelang es der politischen Elite die rebellische Jugend über die Partei Die Grünen wieder in das System zu integrieren.

       1968 – Wiederzulassung einer kommunistischen Partei

      Die Geschichte der Kommunisten in Westdeutschland ist äußerst wechselhaft. Nachdem die Kommunisten 1956 mit dem KPD-Verbot aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen worden waren, zeigte sich Ende der 1960er Jahre, dass dieser Ausschluß für die politische Elite mehr Probleme brachte als Nutzen. 1968 wurde mit der DKP wieder eine kommunistische Partei in Westdeutschland zugelassen. Für die Zulassung gabe es innen- und außenpolitische Gründe.

      In Westdeutschland entwickelte sich in den 1960er Jahren eine Protestbewegung, die - für Herrschenden überraschend - alle gesellschaftlichen Bereiche erfasste. Die Proteste richteten sich gegen den Krieg in Vietnam, die Notstandsgesetze, gegen Faschismus, Revanchismus (die NPD und CDU forderten die „Wiedergewinnung der verlorenen Ostgebiete“) und gegen einen verknöchert-patriarchalen Alltag, indem Frauen nichts zu sagen hatten und Homosexuelle sich verstecken mussten.

      Die deutsche Wirtschaft hoffte, angesichts der wirtschaftlichen Rezession 1966 - der ersten in der Nachkriegszeit -, ihre Position durch Geschäfte mit der Sowjetunion zu verbessern.

      Doch wie sollte das bewerkstelligt werden, war doch die Ideologie des Antikommunismus zur tragenden Säule der Bundesrepublik geworden. In den 1960er Jahren gehörte die Bundesrepublik (mit Spanien, Portugal und Griechenland) zu den Staaten in Westeuropa in denen die Kommunistische Partei verboten war.

      Italien – weniger belastet von der paranoiden Angst vor allem Linken und Kommunistischem – war Deutschland bei seinen Wirtschaftskontakten mit der Sowjetunion voraus. Fiat baute 1966 in der Stadt Toljatti an der Wolga das große Lada-Autowerk. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Italiens, Palmiro Togliatti, persönlich hatte das Bauprojekt an der Wolga eingefädelt.

      Für Westdeutschland gab es ein Problem. Es konnte nicht so einfach Wirtschaftsbeziehungen mit der Sowjetunion aufnehmen. Die Sowjetbürger hätten das, nur 25 Jahre nach dem deutschen Vernichtungskrieg, nicht verstanden. Ausgerechnet Westdeutschland! Dort feierte die NPD in den 1960er Jahren Wahlerfolge. Abgeordnete der NPD saßen in den Landesparlamenten von Hessen, Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Und die KPD war immer noch verboten.

      In dieser Situation entschied die Bundesregierung die Neugründung einer kommunistischen Partei unter dem Namen DKP zuzulassen. Das Parteiprogramm der DKP war weniger scharf formuliert als das der KPD. Die Rede war nicht mehr von der "Diktatur des Proletariats", sondern von der "Macht der Arbeiterklasse" und einer "antimonopolistischen Demokratie".

      Mit der Zulassung der DKP hoffte die Bundesregierung wohl auch, ein Abdriften von Teilen der linken Protestbewegung in den Untergrund zu verhindern. Viele Linke meinten Ende der 1960er Jahre, die Gefahr eines neuen Faschismus in Deutschland, sei nicht nicht gebannt. Die im Mai 1968 vom Bundestag beschlossenen Notstandgesetze und ein Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, welcher der NSDAP angehört hatte, zeigten nach Meinung vieler Linker, dass die Bundesrepublik noch nicht wirklich zur Demokratie entschlossen war.

      Wie wichtig es für die sowjetische Führung war, dass es in der Bundesrepublik eine legale kommunistische Partei gab, zeigte sich im September 1971 beim Besuch des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt auf der Krim. Dort führte der westdeutsche Kanzler mit dem damaligen KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew Gespräche über einen Vertrag11 zur Entspannung der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland.

      In seinen Erinnerungen schreibt12 Brandt: „Beiläufig fragte Breschnew, ob es den Tatsachen entspreche, dass „die Partei von Herrn Bachmann13“ (die DKP) in der Bundesrepublik legal tätig sei. (Dies war sein Weg, vom offensichtlich lästigen KPD-Thema wegzukommen.) Ich bestätigte, die DKP sei aktiv und legal tätig. Sie könne konkurrieren wie jede andere Partei. Mir gegenüber sei sie nicht freundlich, aber das erwarte ich natürlich auch nicht. Bei uns gäbe es Kreise, die ein Verbot wünschten, aber dies sei nicht meine Meinung.“

       Für Thälmann nur ein Stolperstein

      In keinem Land Westeuropas ist der Antikommunismus bis heute so ausgeprägt wie in Deutschland. Das 1956 vom Bundesverfassungsgericht verhängte KPD-Verbot ist immer noch in Kraft. Warum? Weil Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg seine faschistische Vergangenheit nur schleppend und widerwillig aufgearbeitet und sich stattdessen als Frontstaat im Kalten Krieg eingerichtet hat.

      Um Tausende Kommunisten, die während der Nazizeit in deutschen KZs gequält und ermordet wurden, trauert das offizielle Deutschland heute nicht. Bei Gedenkveranstaltungen zum Zweiten Weltkrieg und der Hitler-Zeit werden sie nicht erwähnt.

      Der im KZ Buchenwald 1944 ermordete Vorsitzende der KPD und Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft, Ernst Thälmann14, muss sich in Westdeutschland mit einem „Stolperstein“ vor dem Hamburger Rathaus begnügen. Sein Antifaschismus wiegt in der öffentlichen Debatte weniger schwer als sein „Stalinismus“. Dass Thälmann von 1933 bis 1944 in Einzelhaft saß, dass er bei Verhören mit einer Nilpferdpeitsche misshandelt und ihm vier Zähne ausgeschlagen wurden, verschweigen die großen deutschen Medien.

      Dass man Thälmann nicht ehrt, habe er selbst verschuldet, so die weitverbreitete Meinung unter westdeutschen Intellektuellen. Warum hat er auch die KPD nach den Stalinschen Prinzipien strenger Parteidisziplin aufgebaut und die SPD vor dem Machtantritt Hitlers als den Hauptfeind bezeichnet? Dass die gegen die SPD gerichtete Sozialfaschismus-These von den Kommunistischen Parteien 1935 aufgegeben wurde, wird nur von Wenigen zur Kenntnis genommen.

      Aufschlussreich ist, dass sich die großen deutschen Medien für ermordete Kommunisten dann interessieren, wenn sie von den eigenen Leuten umgebracht wurden. Als Ende der 1980er in der Sowjetunion - im Zuge der Perestroika unter Gorbatschow – bekannt wurde15, dass deutsche Kommunisten, die in den 1930er Jahren vor Hitler in die Sowjetunion geflüchtet waren, dem Terror von Stalin zum Opfer fielen, berichteten die deutschen Medien ausführlich. Und Anfang der 2000er Jahre stellten16 sich die großen Medien dann wie selbstverständlich auf die Seite derjenigen in der Partei Die Linke, die forderten, man müsse an der Parteizentrale der Partei Die Linke in Berlin eine Gedenktafel für die „Tausenden in der Sowjetunion verfolgten und ermordeten“ deutschen Kommunisten anbringen.

       Wie ein Witz der Geschichte

      Die westlichen Besatzungsmächte hatten der SED nach ihrer Gründung 1946 verboten, sich in den Westzonen auszubreiten.

      Doch es war wie ein Witz der Geschichte, dass mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik, die SED-Nachfolgepartei PDS ganz legal in Westdeutschland politisch aktiv wurde.


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