Bunte Dimensionen. Moritz Waldner

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Bunte Dimensionen - Moritz Waldner


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Besonders in der heutigen Zeit, wo arbeitsunfähigkeit, aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer depressiven Phase, zur drittwichtigsten Einzeldiagnose geworden ist, frag ich mich ständig, wo kann das gesund sein? Ich wollte bis jetzt nicht studieren und das mit der Arbeit war stets so eine Sache. Etwas an Arbeit ist notwendig, über Gebühr ist gesundheitsschädigend. Wo also die Mitte, die Balance finden, in all der Auswahl?

       Gibt es diesen Schmalgrat an gesundem Maß an Arbeit, auf dem ein Mensch Tag für Tag balancieren kann?

      Bali war für mich meine erste Reiseerfahrung ohne die Anwesenheit meiner Eltern. Und ich liebte es von Anfang an, auch wenn Bali grundsätzlich nicht dem entsprach wonach wir damals suchten. Wir wollten Ruhe und Entspannung – das ist auf Bali möglich, doch ein überdimensioniertes Touristenangebot und Party-Touristen von allen Orten dieser Erde ließen uns eher kalt. Wir machten die komplette Insel klar, erkundigten verborgene Reisterrassen und hüpften nach weniger als einer Woche in ein Schnellboot. Nächster Halt: Die Nachbarinsel Lombok. Bekannter Surfspot, Touren auf den Vulkan Rinjani und tonnenweise Kokosnüsse.

       Ich war im Himmel. Was für ein wunderbares Paradies diese Erde doch ist?!

      „Wieso lebe ich in Deutschland, wenn es doch hier soviel schöner ist? Wieso kann ich nicht jeden Tag surfen? Wieso muss das Leben in Deutschland soviel teurer sein?“, fragte ich mich und schlürfte von meiner Rumkokosnuss. Ich schrieb damals in ein Tagebuch. Ich schrieb sehr wenig. Manchmal schrieb ich gerade einmal 10 Seiten DIN A5 über einen Zeitraum von 90 Tagen. Es machte mir Spaß zu schreiben, allerdings beschränkte sich das Schreiben an manchen Tagen auf das Ausmalen von Buchstaben. Und manchmal schrieb ich einfach nur ein paar Sätze oder Wörter zusammen, um meinen Gedanken schriftlichen Ausdruck zu verleihen. Folgende Zeilen stammen aus dieser Zeit:

      Wir Menschen sollten uns einander in die Augen schauen und sagen, dass wir unser Gegenüber respektieren, achten und bedingungslos akzeptieren. Damit würden wir vielem Leid ein Ende setzten. Ich habe so viel. Andere haben vergleichsweise wenig. Wieso differenzieren wir in solchen Punkten? Materialismus und Kapitalismus sind out. Es geht nicht mehr um Geld. Es geht um Liebe, Vertrauen, Zusammenhalt, Spaß und Freude. Das sind die Werte, die mir wichtig sind.

      Nach einer Woche surfen wurde meine Freundin krank. Schwere Magen- und Verdauungsprobleme. Sie lag volle zwei Wochen flach, während ich mich, so gut es ging, um sie kümmerte und für sie da war. Die restliche Zeit ging ich einkaufen, fuhr mit einem Roller an den Strand und ging surfen oder erkundete die Küsten. Und während ich eines Tages an meinem Lieblingsspot saß und den Wellen zusah, wie sie mit einer gigantischen Ur-Kraft gegen einen Felsen krachten, da ergab sich in mir zum ersten Mal, seit einer langen Zeit, absolute Leere.

      Ich vergaß die Zeit und alles um mich herum. Mein Kopf war leer und ich hatte keinen greifbaren Gedanken. Ich spürte, wie mich die Kraft der Erde trug und spürte, dass viele meiner Lasten mit jeder herein krachenden Welle leichter wurden. Ich musste lachen. Und dann weinen. Und dann kam ein Gedanke.

      Ich beschäftigte mich damals schon lange Zeit mit spirituellen Lehren und Herangehensweisen und bemerkte, dass ich, aus meiner damaligen Sicht, mit dem eben beschriebenen Ereignis, einen Schlüssel fand. Es war der Schlüssel der Freiheit. Das „südostasiatische Tor“ verhalf mir also meine Probleme mit dem Thema Freiheit besser beleuchten zu können.

      Als ich eines Tages allein unterwegs war, lieh ich mir ein kleines Moped aus und fuhr die Küste entlang zu meinem Lieblingsstrand. Die Wellen waren hier gerade einmal einen Meter hoch und somit perfekt für mich als Anfänger geeignet. Ich lieh mir ein Surfbrett aus und stürzte mich sogleich in die sanften Wellen. Nach einer Zeit im Wasser bemerkte ich, wie ich kaum noch die Kontrolle auf meinem Brett halten konnte. Ich ging zum Strand hinaus und siehe da: Meine Finnen waren beide abgebrochen. Schnell ging ich zu dem Stand zurück, von dem ich mein Board geliehen hatte. Der Mann, der mir dort sehr suspekt erschien und in mir ein mulmiges Gefühl auslöste, sagte, ich solle für die gesamte Reparatur aufkommen. Die Summe, die er mir nannte, war fast schon lächerlich. Er sagte, ich solle umgerechnet etwa 200 Euro bezahlen. Für dieses Geld kannst du dir in Indonesien ein neues Surfboard kaufen. Aber der Mann bestand auf sein Geld. Ich wollte ihm keins geben, da ich der Meinung war, er hätte mich abziehen wollen. Ich konnte ihm allerdings nichts beweisen und das wusste er. Ich habe mich in meiner Freiheit eingeschränkt gefühlt. Schnell packte ich meine Sachen unauffällig und machte mich aus dem Staub. Ich fuhr so schnell es ging in Richtung Hostel. Und nach 10 Minuten Fahrzeit sah ich im Rückspiegel den Mann auf einem Roller hinter mir und er sah nicht gerade freundlich aus. Ich war also ausgeliefert. Er hatte mich und er kannte sich offenbar sehr gut auf der Insel aus. Wir kommunizierten von Roller zu Roller und vereinbarten, dass er mir folgen solle, da ich so oder so kein Bargeld mit mir herumtrage. Als ich an meinem Hostel ankam, ließ ich ihn vorne draußen warten. Ich holte etwa 400.000 Rupien (umgerechnet waren das damals in etwa 30 Euro) und gab sie ihm.

      Ich sagte, ich hätte nicht mehr und er solle zufrieden sein, dass er von mir überhaupt etwas bekommen hat. Er war sehr unzufrieden, aber er konnte mir nichts anhaben. Ich blickte ihm tief in die Augen und sagte ihm auf Englisch, dass er sich nicht noch einmal mit mir auf ein solches Spielchen einlassen sollte und er jetzt besser gehen sollte. Nach einer kurzen Weile ging der Mann mit Wut von dem Hostel fort und die ganze Aufregung klang sehr schnell wieder ab. Die einzige, die sich Sorgen machte, war meine Freundin, wobei sie mich auch auf eine Weise verstehen konnte.

      Ich sagte ihr, ich fühle mich in meiner Freiheit bedrängt, wenn so jemand in einer derartigen Art und Weise reagiert. Und aus meinen Augen reagierte ich völlig souverän. Um die Geschichte noch abzurunden, lass mich dir noch einen kleinen Zusatz erzählen. Als ich auf dem Weg zu diesem Stand war, um mir ein Surfbrett auszuleihen, ist mir das negative Energiefeld dieses Mannes gleich aufgefallen. Es war recht stark. Normalerweise denke ich mir nichts dabei, denn jeder kann mal einen schlechten Tag haben. Doch vermutlich sah dieser Mann schon, was meine Absicht war, nämlich ein Surfbrett auszuleihen. Als ich ihn fragte, ob er ein Brett für mich habe, ließ er mich nur eines sehen, und wies noch mit seinen Fingern auf die Finnen hin. Er zeigte mir sehr deutlich beide Finnen und zeigte mir, wie fest sie seien. Ich dachte mir in diesem Moment schon, ob er vielleicht schlechte Erfahrungen mit Touristen hatte, die ihm tatsächlich Bretter demoliert haben, dachte mir aber nichts weiter dabei. Und dann kam es eben, wie es gekommen ist.

       Und die Moral von der Geschicht‘? Unterschätze deines Bauchs‘ Gefühle nicht!

       Ich hatte alles. Wusste nichts. War gesund.War am Leben. Hörte das Meer und war zufrieden.Brauchte nichts.Liebte mich und fand Glück.Das ist Freiheit.Ego sum, qui sum.Ich bin, der ich bin.Ich bin frei.

      Kapitel 2 – Freiheit

      Die Mehrheit der Weltbevölkerung ist frei. Im Gabler Wirtschaftslexikon wird Freiheit folgendermaßen kurz erklärt:

       "Freiheit bezeichnet die Fähigkeit des Menschen, aus eigenem Willen Entscheidungen zu treffen."

      Doch viele Menschen in meinem Umkreis fühlen sich nicht wirklich frei. Als ich nach Peru kam, habe ich mich in Deutschland überhaupt nicht frei gefühlt. Man muss stundenlang arbeiten, um sich eine Wohnung, Essen und was man sonst noch so braucht, leisten zu können. Und zu dieser Arbeit kommt dann noch der Konsum hinzu, dem sich viele Menschen schamlos jeden Tag hingeben.

      Die meisten Menschen merken gar nicht, wie viel jeden Tag konsumiert wird. Und es geht hier nicht nur um Essen. Angefangen bei Kaffee und Zigarette am Morgen hin zu Stunden in Sozialen-Netzwerken und allgemeinem Medienkonsum, wie Radio, Fernsehen, Serien, Videos, Filme und so weiter. Vom täglichen Fress-Konsum einiger industrieller Länder möchte ich gar nicht erst anfangen.

      Wie dem auch sei, ich denke, jeder Mensch ist dazu in der Lage frei zu sein. Wirklich frei. Für mich bedeutet das, dass du zu jedem Zeitpunkt frei entscheiden kannst, was auch immer du für dich selbst (und deine Liebsten) am besten hältst. Wenn du allerdings einen Vertrag unterzeichnet hast, ist es gar nicht so leicht „frei Schnauze“ zu entscheiden. Du musst dich anpassen. An Firmenregeln und knappe 30 Tage Urlaub im Jahr. Dazu eine Kündigungsfrist und die Sorge, dass ohne diesen sicheren (!) Job nicht genügend Geld hereinkommt.


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