ALLTAG WAR GESTERN. Kurt Bauer

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ALLTAG WAR GESTERN - Kurt Bauer


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und auf einem korrekten Weg.

      Österreich hat, wie mehrere andere Länder, schon einige Vorbereitungen zustande gebracht. So haben die Krankenhäuser in Stadt und Land Salzburg beispielsweise bereits Pläne bezüglich der erforderlichen Maßnahmen, falls diese Infektionen exponentiell zunehmen würden. Auch der öffentliche Gesundheitsdienst wird laufend auf dem aktuellen Erkenntnisstand gehalten, um, falls sich die Situation verschlechtern sollte, die geeigneten Maßnahmen treffen zu können.

      Bei einem Verdachtsfall muss die betreffende Person einer Labor-Diagnostik zugeführt werden, und die Kontaktdaten der weiteren Personen im selben Haushalt werden erhoben. Diese werden dann kontaktiert, falls die Erkrankung mit dem neuen Corona-Virus bestätigt werden sollte.

      I: Wer würde in Österreich in Quarantäne kommen?

      IP: Personen, bei denen der Verdacht einer Erkrankung besteht oder bei denen die Erkrankung bereits bestätigt wurde, können, je nachdem wie schwer der Verlauf der Erkrankung ist, entweder zu Hause abgesondert oder in einem Krankenhaus isoliert werden, bis sie wieder gesund sind.

      Am 7. Februar 2020 hatten wir die Sendung in der „Sprechstunde“ im FS1-Studio aufgezeichnet. Am nächsten Tag gingen wir auf Sendung, wir bekamen große Zustimmung.

      1 Informationsstand vom 13. März 2020

      Tagebucheintragung 13.03.2020

       DER STILLSTAND DER WELT

      Wenn mir jemand vor drei Wochen gesagt hätte, dass sich am 13. März 2020 mein Leben auf den Kopf stellen werde, hätte mir das nur ein Lachen gekostet. Aber so geht es derzeit sicher vielen Menschen. Bis hierher hatte ich eine gesunde Distanz zum Geschehen. Diese Distanz begann nun zu bröckeln.

      In den Schlagzeilen der Krone und der Salzburger Nachrichten war Folgendes zu finden: Corona-Virus in Italien als „dunkelste Stunde“: Revolten in Gefängnissen; - Corona-Virus: Konzerte, Reisen oder Schule: Was wird abgesagt?; - Universitäten und Schulen werden in Österreich ab Montag geschlossen; - Merkel zu Corona-Virus: „Wir sind gewillt, alles zu tun, was notwendig ist“; - Kanzler Kurz schließt die Grenzen zu den Nachbarländern; - 504 bestätigte Fälle in Österreich, 6 genesen, 1 Todesfall, 6.582 getestet. Stand: 13. März 2020, 14.00 Uhr; - Risikogruppen: Es sind vor allem ältere Menschen ab 60 und Personen mit schwachem Immunsystem und schweren Vorerkrankungen gefährdet, schwerer an Covid-19 zu erkranken als junge und gesunde Menschen.

      Als weitere Beiträge finde ich: Fußballmatches werden (noch) vor menschenleeren Hallen ausgetragen. - Flüge werden eingestellt. - Menschen können nicht mehr in ihre Heimat zurück, weil es keine Reisemöglichkeit mehr gibt. - Regale in den Supermärkten zunehmend leer. - Quarantäne in Österreich. - Das alles stürzt auf mich ein, als ich die Zeitungen lese. Nüchtern und emotionslos stelle ich fest, dass sich hier etwas ereignet, das ich zuvor noch nie erlebt habe.

      Ein lebendiger gesellschaftlicher Organismus wird Schritt für Schritt abgeschaltet. Die Folge ist Stillstand und Leere. Die gesamte Gesellschaft geht in einen Ruhemodus. Einen Nicht-Begegnungszustand. Abstand verhindert die weitere Ausbreitung des Corona-Virus. Weil das, so sagt man, die einzige Möglichkeit ist, das Corona-Virus an seiner Verbreitung zu hindern. Einige lebenswichtige Funktionen in dem gesellschaftlichen Organismus bleiben aufrecht. Supermärkte sind geöffnet und immer wieder wird betont, dass es genug Nahrungsmittel gebe und keine Hamsterkäufe notwendig seien. Hier zeigt sich, dass es eine Gegenkraft gibt. Angst und Panik machen sich breit. Hamsterkäufe werden wider alle Vernunft getätigt, und enormer Unsinn wird in den sozialen Medien verbreitet.

      Auch für die Einreise nach Österreich gibt es neue Bestimmungen: Alle Menschen, die nach Österreich hereinkommen, müssen ihre Bereitschaft bekunden, sich 14 Tage lang in häusliche Quarantäne zu begeben. Es heißt: „Wenn Sie Fieber oder andere Symptome haben, gehen Sie nicht zum Arzt und auch in keine Ambulanz, sondern rufen Sie bitte die Nummer 1450 (telefonische Gesundheitsberatung) an. Hier bekommen Sie Hilfe und Auskunft. Ein Ärzteteam kommt dann zu Ihnen, um festzustellen, ob Sie mit Corona-Virus infiziert sind.“

      Die wichtigste aller Hygienemaßnahmen ist Händewaschen. Immer und immer wieder wird wiederholt: Gründlich Händewaschen! Das alles spielt sich vor meinen Augen im Fernsehen ab und hat etwas von einer Fiktion an sich. Es ist nicht meine Realität.

      Erst als ich dann in den Supermarkt einkaufen gehe, keinen Parkplatz finde und vor leeren Regalen stehe, wird mir bewusst, dass das, was ich aus den Medien kenne, real ist. Es ist keine Fiktion mehr, es ereignet sich jetzt und hier. Und das fährt mir in den Magen. Habe ich bisher so etwas wie eine neutrale Zone um mich gehabt, merke ich nun, dass meine Distanz bröckelt und ich mehr und mehr in dem Geschehen mittendrin bin. Unangenehm, ziemlich unangenehm fühlt sich das an.

      Um 14.30h treten Bundeskanzler Kurz, Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer vor die Presse, um die nächsten Maßnahmen im Kampf gegen das Corona-Virus bekanntzugeben. Der Kanzler sagt: „Um die Verbreitungskurve des Corona-Virus zu verflachen, Zeit zu gewinnen und unsere betagten Mitbürger*innen zu schützen, treten ab Montag folgende Maßnahmen in Kraft: Ab Montag schließen Bars, Restaurants und Geschäfte jeweils um 15 Uhr. Supermärkte, Apotheken, Spitäler, Banken und Drogerien bleiben offen. Schulfrei ist ab Montag. Bitte bleiben Sie vernünftig. Um unsere betagten und älteren Mitbürger*innen zu schützen, ist es notwendig, auf die Begegnung von Omas und Opas mit ihren Enkelkindern zu verzichten. Bitte keine Kinderbetreuung durch die Großeltern, denn sie sind die größte Risikogruppe. Schützen wir sie. Auch Sie selbst werden aufgefordert, Ihre Sozialkontakte zu reduzieren, als Selbstschutz. Denn das Virus hat die Eigenschaft, bei schweren Vorerkrankungen in allen Altersgruppen möglicherweise ein Multiorganversagen hervorzurufen. Ältere brauchen besonderen Schutz! Jetzt ist der Zusammenhalt der Generationen gefragt!“

      Der Rest verschwimmt vor meinen Augen. Ich bin immens erschüttert. Mir rinnen die Tränen über die Wangen. Ich bin 72 Jahre alt. Ich bin Filmemacher, Autor und habe eine Redaktion im FS1 TV-Sender Salzburg. Rundherum bin ich gut ausgelastet und habe viele gute Kontakte und schöne Aufgaben.

      Das alles ändert sich heute. Ich gehöre zur Risikogruppe. Was mich unmittelbar trifft, ist: Der Staat schützt mich. Ich werde mich auch schützen, für meine Frau, meine Kinder und meine Enkelkinder. Ich erlebe mich heruntergebremst. Stillstand. Alles steht.

      Der Rest des Nachmittags gehört der Gestaltung und Organisation der nächsten Zeit. Soweit man sie überblicken kann. Mit meiner Frau und meinem Sohn, der mit uns lebt, machen wir Pläne, und wir organisieren unser Leben. Was muss noch alles gekauft werden? Apotheke, Arztbesuch und Gespräche mit Nachbarn und Projektpartnern. Ich schreibe E-Mails und beende laufende Projekte, telefoniere mit Kolleg*innen, sage Vereinbarungen ab. Freunde, Freundinnen und unsere Kinder sind uns dankbar, dass wir unseren Selbstschutz ernst nehmen. Der Rest des Abends ist voll mit Sondersendungen über die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus.

      Eines ist mir klar, wir sind in einer Situation, die wir noch nie gehabt haben. Ein kleiner Virus, der die Welt anhält und mir das Fürchten lehrt. Denn ich wusste nicht, wie verletzlich ich bin.

      Tagebucheintragung 15.03.2020

       DAS HERZSTÜCK

      Am nachfolgenden Morgen. Die Nacht war, … naja, ich habe ziemlich geschwitzt und meinen Pyjama zweimal umgezogen, weil er durchnässt war. Vieles ist mir durch den Kopf gegangen. Was wird sein, wenn …. Aber ich fühle mich erstaunlich gut ausgeschlafen.

      Ich habe einmal von einem Experten gelesen, dass alt sein keine Frage der Jahre sei, sondern der Einstellung zum Leben. Wesentlich sei nicht so sehr die Frage „Wie lange lebe ich?“, sondern „Was hält mich lebendig, und wofür brenne ich?“. Leidenschaft ist mein Markenzeichen. Ich bin leidenschaftlich gerne Filmemacher. Die Fülle meiner Erlebnisse und Erfahrungen, bedingt durch meine Filmarbeit in Indien, Nepal, Ungarn und Rumänien sowie durch meine Reisetätigkeit in die Türkei, nach Amerika, und Ägypten, macht mich satt und zufrieden. Es ist für mich eine ungeheure Einschränkung, dass ich nicht weiß, ob einige Reisen, die ich im Juli und Oktober machen wollte, möglich sein werden. Dass ich nicht einfach meinen Sohnes Johannes, seine Frau und ihre Tochter Lilli in Linz besuchen


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