Tötet. Блейк Пирс
Читать онлайн книгу.Moment, auf den sie so lange gewartet hatte, war endlich da.
Ihr Seniorpartner, Special Agent Jake Crivaro, würde im Prozess Larry Mullins aussagen. Riley blickte durch den Raum und sah das Gesicht ihres kleinen, breitbrüstigen Partners vor erwartungsvoller Vorfreude zucken.
Das Ergebnis des Prozesses war zweifelhaft, aber sie war sich sicher, dass Crivaros Aussage einen Wandel darstellen würde.
Riley erinnerte sich daran, dass es nun genau ein Jahr her war, seitdem Crivaro in ihr Leben getreten war und sie auf eine Karriere in der Verhaltensanalyseeinheit vorbereitet hatte. Ein Sieg vor Gericht heute wäre eine gute Art und Weise, das zu feiern.
Aber etwas Unerwartetes schien vor sich zu gehen. Der Oberstaatsanwalt und Mullins‘ Verteidiger flüsterten intensiv miteinander.
Was geht hier vor, fragte Riley sich.
Was auch immer es war – sie bezweifelte, dass es gut war.
Endlich wandte sich der Staatsanwalt der Richterbank zu und begann, zu sprechen.
„Euer Ehren, der Verteidiger und ich würden gerne unter vier Augen mit Ihnen sprechen.“
Richter Tobias Redstone runzelte mürrisch die Stirn.
Mit einem Knall seines Hammers sagte er: „Das Gericht wird eine kurze Pause machen, während ich mit dem Staatsanwalt spreche.“
Alle im Saal erhoben sich, als der Gerichtsdiener und die Anwälte Richter Redstone aus dem Raum hinausfolgten. Ein Murmeln ertönte in den Reihen der Juroren und der Zuschauer, als diese sich wieder hinsetzten.
Von Wachen flankiert saß Larry Mullins noch immer am Verteidigertisch. Obwohl seine Hände in Handschellen lagen, trug er eine Anzugjacke samt Hemd und Krawatte und machte dabei eine respektable Figur.
Riley wusste, dass sein Anwalt sich viel Mühe gegeben hatte, damit sein Klient nicht in seinem orangefarbenen Jumpsuit vor Gericht erscheinen musste. Folglich wirkte Mullins nicht allzu böse. Er war zurechtgemacht, höflich und hatte eine aufrichtige Aura der Unschuld um sich herum. Die Verkleidung schien zu funktionieren und Riley spürte, dass die Jury sich seiner Schuld noch immer nicht sicher war.
Deshalb war Crivaros Aussage so ausschlaggebend. Wenn jemand die Jury davon überzeugen konnte, dass Mullins nicht die missverstandene Person war, die er spielte, dann war es Crivaro.
Aber als sie auf die Rückkehr des Richters und der Anwälte warteten, fragte sich Riley, ob Crivaro überhaupt noch zum Zug kommen würde.
Sie schauderte, als Mullins sich umdrehte und sie direkt ansah. Ein arrogantes Lächeln auf seinem babyhaften Gesicht. Dann beobachtete sie, wie er Crivaro mit demselben Gesichtsausdruck ansah. Crivaros Lippen zuckten scharf und kurz fürchtete Riley, ihr Partner könne durch den Gerichtssaal hechten und auf Mullins zuspringen.
Tu es nicht, dachte sie.
Sie konnte sehen, dass Crivaro sich abwandte und wusste, dass er darum kämpfte, seine Wut zu kontrollieren.
Riley hoffte nur, ihre eigene Wut über diesen selbstzufriedenen Gesichtsausdruck kontrollieren zu können.
Wenigstens ein paar Leute im Gerichtssaal kannten die praktische Tatsache, dass Larry Mullins durch und durch ein Monster war. Riley und Crivaro gehörten dazu. Dann waren da die Eltern der beiden Opfer, die zusammensaßen und sehr unruhig wirkten. Ihre Hoffnung war es, dass Mullins wenigstens für den Rest seines Lebens ohne Bewährung eingesperrt werden oder vielleicht sogar die Todesstrafe erhalten würde.
Sie redete sich ein, dass der Fall doch sicher undurchlässig genug war, um ihn zu verurteilen. Gedanklich ging sie die Fakten noch einmal durch.
Larry Mullins hatte als Nanny – oder als ‚Manny‘, wie er sich selbst gerne nannte – gearbeitet, als er für den Mord an Ian Harter, einem kleinen Jungen in seiner Obhut, verhaftet wurde. Als Riley und Crivaro dazu geholt wurden, um Ians Tod zu untersuchen, entdeckten sie bald, dass ein weiteres Kind, Nathan Betts, unter identischen Umständen ums Leben gekommen war. Auch unter Mullins Obhut, allerdings in einer anderen Stadt. Beide Jungen waren erstickt und demnach offensichtlich ermordet worden.
Mullins hatte in beiden Mordanklagen auf unschuldig plädiert und lediglich zugegeben, die beiden Jungen unbeaufsichtigt gelassen zu haben, als sie starben. Er hatte aufgrund seiner Nachlässigkeit eine oberflächliche Show der Reue aufgeführt.
Riley hatte nie auch nur einen Moment lang geglaubt, dass die Todesfälle unter Mullins‘ Obhut zufällig gewesen waren und schon gar nicht, dass ein unbekannter Täter noch immer auf freiem Fuß war. Aber Mullins Schuld zweifelsfrei zu beweisen, war eine ganz andere Sache gewesen.
Bereits zu Beginn der Verhandlung hatte der Staatsanwalt Paxton Murawski Riley und Crivaro davor gewarnt, dass es sich einen harten Fall handeln würde. Trotz ihrer besten Bemühungen hatten weder die Agenten noch die Polizei Beweise gefunden, dass Mullins der einzige gewesen war, der zum Zeitpunkt ihres Todes Zugang zu den Kindern gehabt hatte.
„Wir müssen vorsichtig sein, sonst kommt der Mistkerl davon“, hatte Murawaski ihnen eingebläut.
Weder Riley noch Crivaro hatten genau gewusst, was Murawski mit ‚vorsichtig‘ gemeint hatte. Aber sie wusste, dass zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Hintergrund eine versuchte Deal-Verhandlung stattgefunden hatte. Und jetzt vermutete sie, dass der gesamte Gerichtssaal die Ergebnisse dieser Verhandlung erfahren würde.
Wird er schließlich doch noch auf freien Fuß kommen, fragte sie sich.
Die Möglichkeit ließ sie schaudern, genau wie der Moment, als sie Mullins gemeinsam mit Crivaro verhaftet hatte.
Als Riley ihm die Handschellen angelegt und seine Rechte vorgelesen hatte, hatte er sich zu ihr umgedreht und sie verschmitzt angegrinst. Mit einem hämischen Gesichtsausdruck, der quasi seine Schuld bestätigte.
„Viel Glück“, hatte er gesagt – offensichtlich überzeugt davon, dass es schwierig sein würde, ihn zu verurteilen.
Riley knirschte mit den Zähnen, als die Worte in ihrem Kopf widerhallten.
Viel Glück!
Sie hatte nicht geglaubt, jemals zuvor so wütend gewesen zu sein. Am liebsten hätte sie Mullins auf der Stelle getötet. Sie hatte sogar nach ihrer Waffe gegriffen. Aber Crivaro hatte ihre Schulter berührt, ihr einen warnenden Blick zugeworfen und sie hatte die Verhaftung anständig zu Ende gebracht.
Und nun fragte sich Riley: Wäre Crivaro damals nicht gewesen, wäre Larry Mullins dann heute noch am Leben? Natürlich hätte man stattdessen sie wegen Mordes auf die Anklagebank gesetzt und sie möglicherweise lebenslänglich ins Gefängnis gesteckt. Aber hätte sich das gelohnt, um eine so abscheuliche Version eines menschlichen Wesens loszuwerden?
Riley wünschte sich ein bisschen, ihm damals eine Kugel in den Kopf gejagt zu haben.
Und Crivaros wütendem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, vermutete sie, dass es ihm genauso ging.
Der Gerichtsdiener kam zurück und bat Mullins, sich zu den Anwälten in der Richterkammer zu gesellen. Immer noch von Wachmännern flankiert stand der Mann, dem hier der Prozess gemacht werden sollte, auf und folgte dem Gerichtsdiener aus dem Saal heraus.
Rileys Herz sank.
Das sieht nicht gut aus, dachte sie.
Mehrere lange Minuten gingen vorbei, bevor der Gerichtsdiener zurückkehrte und jeden im Saal darum bat, erneut aufzustehen. Richter Redstone kam zurück, gefolgt von den Anwälten und Mullins selbst.
Richter Redstone kündigte an: „Verteidigung und Staatsanwaltschaft haben ein Überabkommen erreicht. Wenn der Angeklagte zustimmt, sich in zwei Fällen des Mordes mit bedingtem Vorsatz schuldig zu erklären, ist die Verhandlung nicht länger notwendig und der Angeklagte wird entsprechend verurteilt.“
Riley keuchte lauf auf – genau wie viele anderen im Raum auch.
Bedingter Vorsatz?
Diese Vorstellung machte ihrer Meinung nach keinen Sinn.
Der Richter blickte finster in Mullins‘