Gesammelte Erzählungen. Jules Verne

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Gesammelte Erzählungen - Jules Verne


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geschleudert mit den Felsblöcken, dem Aschenregen, den Schlacken, in einem Flammenstrudel, und dies ist das Glücklichste, was uns begegnen kann!

      – Ja, versetzte der Professor, und sah mich durch seine Brille an, denn es liegt darin die einzige Aussicht, wieder auf die Oberfläche der Erde zu kommen!«

      Tausend Ideen kreuzten sich in meinem Gehirn. Mein Oheim hatte Recht, unbedingt Recht, und nie ist er mir kühner, nie überzeugter vorgekommen, als in dem Moment, wo er auf einen Ausbruch gefaßt, die Aussichten dabei mit Seelenruhe erwog.

      Inzwischen kamen wir stets aufwärts; die Nacht verlief unter dieser Bewegung nach oben; das Getöse umher verdoppelte sich; ich war am Ersticken, glaubte, meine letzte Stunde sei gekommen, und doch, die Phantasie ist so wunderlich, daß ich mich einer wahrhaft kindischen Untersuchung hingab. Ich war nicht Herr meiner Gedanken, sondern von ihnen fortgerissen.

      Offenbar wurden wir von einem Drängen zum Ausbruch fortgeschoben; unter dem Floß befand sich siedendes Wasser, und unter diesem Wasser eine Lavateig-Masse, eine Anhäufung von Felsstücken, die auf dem Kratergipfel in alle Richtungen zerstreut werden sollten. Wir befanden uns also in dem Schlund eines Vulkans; daran war nicht zu zweifeln.

      Aber diesesmal handelte sich’s, anstatt des erloschenen Snäfields um einen solchen in voller Tätigkeit. Ich stellte mir also die Frage, was dies für ein Berg sein könne, und an welcher Stelle der Welt wir sollten ausgeworfen werden.

      In den Nordgegenden, daran war nicht zu zweifeln. Von dem Cap Saknussemm an waren wir einige hundert Meilen weit gerade nördlich fortgerissen worden. Befanden wir uns unter Island? Sollten wir durch den Krater des Hekla oder einen der andern sieben feuerspeienden Berge der Insel ausgeworfen werden? In einem Umkreis von fünfhundert Meilen sah ich westwärts unter diesem Breitegrad nur die wenig bekannten Vulkane der Nordwestküste von Amerika. Ostwärts gab’s nur einen unterm achtzigsten Grad, den Esk auf der Insel Mayen unweit Spitzbergen! Allerdings an Kratern fehlte es nicht, und zwar die geräumig genug waren, um eine ganze Armee auszuspeien! Aber welcher uns dienen sollte, um herauszukommen, das bemühte ich mich zu erraten.

      Gegen Morgen beschleunigte sich die aufsteigende Bewegung. Nahm die Hitze zu, anstatt bei Annäherung an die Erdoberfläche abzunehmen, so war die Ursache eine lokale unter Einfluß eines Vulkans. Über die Art unserer Fortbewegung hatte ich nicht den geringsten Zweifel mehr. Eine ungeheure Gewalt, die Kraft von mehreren hundert Atmosphären, welche im Schoße der Erde aufgehäufte Dünste erzeugt hatten, drängte uns unwiderstehlich. Aber welchen unzähligen Gefahren setzte sie uns aus!

      Bald drangen gelbe Reflexe in die Galerie, welche nun weiter wurde; ich bemerkte rechts und links tiefe Gänge gleich ungeheuren Tunnels, woraus dichte Dünste entwichen; Flammenzungen beleckten knisternd ihre Wände.

      »Sehen Sie! Sehen Sie, lieber Oheim, rief ich.

      – Nun, das sind Schwefelflammen. Das ist bei einem Ausbruch ganz natürlich.

      – Aber wenn sie uns umgeben?

      – Sie werden uns nicht umgeben.

      – Aber wenn sie uns ersticken?

      – Sie werden uns nicht ersticken. Die Galerie wird weiter, und nötigenfalls verlassen wir das Floß, und flüchten uns in eine Kluft.

      – Und das Wasser! Das steigende Wasser?

      – Es ist kein Wasser mehr, Axel, sondern eine Art Lavateig, die uns bis zur Mündung des Kraters emporschiebt.«

      An Stelle der Wassersäule waren in der Tat jetzt ziemlich dichte, obwohl siedende Auswurfstoffe getreten. Die Temperatur ward unerträglich, und ein Thermometer würde über siebenzig Grad gezeigt haben! Der Schweiß rann mir aus allen Poren. Nur das rasche Aufwärtsfahren bewahrte uns vor Ersticken.

      Doch führte der Professor den Vorschlag, das Floß zu verlassen, nicht aus, und tat wohl daran. So schlecht diese Balken zusammengefügt waren, boten sie doch eine feste Oberfläche, einen Stützpunkt, der uns sonst überall gefehlt hätte.

      Gegen acht Uhr Morgens ergab sich zum ersten Mal ein neuer Zwischenfall. Die aufsteigende Bewegung hörte plötzlich auf. Das Floß hielt durchaus unbeweglich an.

      »Was ist das? fragte ich, durch das plötzliche Anhalten wie durch einen Stoß gerüttelt.

      – Ein Halt, erwiderte mein Oheim.

      – Hält der Ausbruch inne?

      – Ich hoffe nicht.«

      Ich stand auf, versuchte umher zu schauen. Vielleicht verursachte das Floß, indem es durch einen Felsvorsprung aufgehalten wurde, einen vorübergehenden Widerstand gegen die ausbrechende Masse. In diesem Falle mußte man sich beeilen, es so schnell wie möglich frei zu machen.

      Dies war nicht der Fall. Die Masse von Asche, Schlacken und Steingerölle hatte selbst zu steigen aufgehört.

      »Wird der Ausbruch inne halten? rief ich.

      – Ah! sagte mein Oheim, Du fürchtest es, lieber Junge; aber beruhige Dich, diese Pause kann nicht lange dauern; bereits fünf Minuten sind vorüber, und bald werden wir unser Emporsteigen zur Mündung des Kraters fortsetzen.«

      Der Professor beobachtete, während er sprach, unablässig seinen Chronometer, und er sollte nochmals Recht haben in seinen Vorausvermutungen. Bald wurde das Floß wieder von einer raschen unordentlichen Bewegung ergriffen, die etwa zwei Minuten dauerte.

      »Gut, sagte mein Oheim, und sah dabei auf die Uhr, in zehn Minuten wird es sich wieder in Bewegung setzen.

      – Zehn Minuten?

      – Ja. Wir haben’s mit einem Vulkan zu tun, dessen Ausbrüche mit Unterbrechungen vor sich gehen. Er läßt uns ausruhen.«

      Dies war völlig richtig. Auf die angesagte Minute wurden wir von Neuem mit äußerster Schnelligkeit fortgestoßen. Wir mußten uns an die Balken festklammern, um nicht von dem Floß weggeschleudert zu werden. Dann hielt der Stoß wieder ein.

      Seitdem hab’ ich über diese auffallende Erscheinung nachgedacht, ohne eine befriedigende Erklärung zu finden. Doch scheint es mir klar, daß wir uns nicht in dem Hauptschlund des Vulkans befanden, sondern etwa in einem Nebengang, wo in der Tat ein Gegenschlag sich fühlbar machte.

      Wie oft sich solch ein Ruck wiederholte, kann ich nicht sagen. Nur das kann ich angeben, daß wir bei jeder Erneuerung der Bewegung mit zunehmender Gewalt, und wie von einem Projektil fortgerissen, emporgeschoben wurden. Während der Pausen war’s zum Ersticken; während des Fortschiebens machte mir die glühende Luft das Atmen unmöglich. Allmälig übrigens, durch die wiederholten Erschütterungen erschöpft, verlor ich die Besinnung. Ohne unsers Hans Arme hätte ich mehr wie einmal mir den Schädel an der Granitwand zerschmettert.

      Ich habe daher keine genaue Erinnerung von dem, was in den folgenden Stunden vorging, behalten. Ich habe das unklare Bewußtsein von unaufhörlichem donnerartigen Getöse, von der Erschütterung des Grundbaues, von einer kreiselartigen Bewegung, welche das Floß ergriff. Es schaukelte über Lavawogen inmitten eines Aschenregens, umgeben von schnaufenden Flammen. Ein Orkan, als käme er von einem ungeheuren Blasebalg, sachte die unterirdischen Feuer an. Zum letzten Male sah ich unsers Hans Antlitz im Widerschein einer Feuersbrunst, und ich hatte kein anderes Gefühl, als das unselige Entsetzen der Unglücklichen, welche vor die Mündung einer Kanone gebunden sind, im Moment wo der Schuß losgeht, um ihre Glieder in die Lüfte zu zerstreuen.

      Vierundvierzigstes Kapitel

      Stromboli

      Als ich wieder die Augen aufschlug, fühlte ich mich von der kräftigen Hand unsers Führers am Gürtel gefaßt. Mit der andern stützte er meinen Oheim. Ich war nicht schwer verwundet, sondern mehr am ganzen Körper zerschlagen und gelähmt. Ich lag auf dem Abhang eines Berges, zwei Schritte von einem Schlund, in welchen die geringste Bewegung mich hinabgestürzt hätte. Hans hatte mich vom Tode gerettet, während ich über die Seitenwand des Kraters rollte.

      »Wo sind wir?« fragte mein Oheim, welcher mir aufgebracht vorkam, daß er wieder auf die Erde zurück gekommen sei.

      Der


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