Gesammelte Weihnachtsgeschichten. Charles Dickens

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Gesammelte Weihnachtsgeschichten - Charles Dickens


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Eissaal, betrachtete die Eisstücke und dachte und dachte, sodass es in ihm knackte, ganz steif und stille saß er, man hätte glauben können, er sei erfroren. Da war es, dass das kleine Gretchen durch das Tor in das Schloss trat. Hier herrschten schneidende Winde; aber sie betete ein Abendgebet, und da legten sich die Winde, als ob sie schlafen wollten, und sie trat in die großen, leeren, kalten Säle hinein – da erblickte sie Karl, sie erkannte ihn, sie flog ihm um den Hals, hielt ihn dann fest und rief: „Karl! Lieber kleiner Karl! Da habe ich dich endlich gefunden!“

      Aber er saß ganz still, steif und kalt; – da weinte das kleine Gretchen heiße Tränen, die fielen auf seine Brust, sie drangen in sein Herz, sie tauten den Eisklumpen auf und verzehrten das kleine Spiegelstück darin; er betrachtete sie, und sie sang:

      „Rosen, die blüh’n und verwehen,

      Wir werden das Christkindlein sehen!“

      Da brach Karl in Tränen aus; er weinte, dass das Spiegelkörnchen aus dem Auge schwamm, er erkannte sie und jubelte: „Gretchen! Liebes kleines Gretchen! – Wo bist du doch so lange gewesen? Und wo bin ich gewesen?“ Und er blickte rings um sich her. „Wie kalt ist es hier! Wie es hier weit und leer ist!“ und er klammerte sich an Gretchen an, und sie lachte und weinte vor Freude. Das war so herrlich, dass selbst die Eisstücke vor Freude ringsumher tanzten, und als sie müde waren und sich niederlegten, lagen sie gerade in den Buchstaben, von denen die Schneekönigin gesagt hatte, dass er sie ausfindig machen sollte, dann sei er sein eigener Herr, und sie wollte ihm die ganze Welt und ein Paar neue Schlittschuhe geben.

      Gretchen küsste seine Wangen, und sie wurden blühend; sie küsste seine Augen, und sie leuchteten gleich den ihren, sie küsste seine Hände und Füße, und er war gesund und munter. Die Schneekönigin mochte nun nach Hause kommen, sein Freibrief stand da mit glänzenden Eisstücken geschrieben.

      Sie fassten einander an den Händen und wanderten aus dem großen Schloss hinaus; sie sprachen von der Großmutter und von den Rosen auf dem Dache; und wo sie gingen, ruhten die Winde und die Sonne brach hervor. Als sie den Busch mit den roten Beeren erreichten, stand das Rentier da und wartete; es hatte ein anderes junges Rentier mit sich, dessen Euter voll war, und dieses gab den Kleinen seine warme Milch und küsste sie auf den Mund. Dann trugen sie Karl und Gretchen erst zur Finnin, wo sie sich in der heißen Stube aufwärmten und über die Heimreise Bescheid erhielten, dann zur Lappin, welche ihnen neue Kleider genäht und ihren Schlitten in Stand gesetzt hatte.

      Das Rentier und das Junge sprangen zur Seite und folgten mit, bis zur Grenze des Landes; dort sprosste das erste Grün hervor, da nahmen sie Abschied vom Rentier und von der Lappin. „Lebt wohl!“ sagten alle. Und die ersten kleinen Vögel begannen zu zwitschern, der Wald hatte grüne Knospen, und aus ihm kam auf einem prächtigen Pferde, welches Gretchen kannte (es war vor die goldene Kutsche gespannt gewesen), ein junges Mädchen geritten, mit einer glänzenden roten Mütze auf dem Kopfe und Pistolen im Halfter. Das war das kleine Räubermädchen, welches es satt hatte, zu Hause zu sein, und nun erst gegen Norden und später, wenn ihr dies zusagte, nach einer anderen Weltgegend hin wollte. Sie erkannte Gretchen sogleich, und Gretchen erkannte sie, das war eine Freude.

      „Du bist ein wahrer Künstler im Herumstreifen!“ sagte sie zum kleinen Karl. „Ich möchte wissen, ob du verdienst, dass man deinethalben bis an der Welt Ende läuft!“

      Aber Gretchen klopfte ihr die Wangen, und fragte nach dem Prinzen und der Prinzessin.

      „Die sind nach fremden Ländern gereist!“ sagte das Räubermädchen.

      „Aber die Krähe?“ fragte Gretchen.

      „Ja, die Krähe ist tot!“ erwiderte sie. „Die zahme Geliebte ist Witwe geworden und geht mit einem Stückchen schwarzen wollenen Garn um das Bein; sie klagt ganz jämmerlich, und Geschwätz ist das Ganze! – Aber erzähle mir nun, wie es dir ergangen ist und wie du ihn erwischt hast.“

      Gretchen und Karl erzählten.

      Das Räubermädchen nahm beide an die Hände und versprach, dass, wenn sie je durch ihre Stadt kommen sollte, so wolle sie hinauf kommen, sie zu besuchen, und dann ritt sie in die weite Welt hinaus. Aber Karl und Gretchen gingen Hand in Hand, und wie sie gingen, war es herrlicher Frühling mit Blumen und mit Grün; die Kirchenglocken läuteten, und sie erkannten die hohen Türme, die große Stadt, es war die, in der sie wohnten, und sie gingen in dieselbe hinein und hin zu der Tür der Großmutter, die Treppe hinauf, in die Stube hinein, wo Alles wie früher, auf derselben Stelle stand. Die Uhr sagte: „Tick! Tack!“ und die Zeiger drehten sich; aber indem sie durch die Tür gingen, bemerkten sie, dass sie erwachsene Menschen geworden waren. Die Rosen aus der Dachrinne blühten zum offenen Fenster herein, und da standen noch die kleinen Kinderstühle. Karl und Gretchen setzten sich ein jeder auf den seinigen und hielten einander bei den Händen; die kalte leere Herrlichkeit bei der Schneekönigin hatten sie gleich einem schweren Traum vergessen. Die Großmutter saß in Gottes hellem Sonnenschein und las laut aus der Bibel: „Werdet ihr nicht wie die Kinder, so werdet ihr das Reich Gottes nicht erben!“

      Karl und Gretchen sahen einander in die Augen, und sie verstanden auf einmal den alten Gesang:

      „Rosen, die blüh’n und verwehen,

      Wir werden das Christkindlein sehen.“

      Da saßen sie beide, erwachsen und doch Kinder, Kinder im Herzen; und es war Sommer, warmer, wohltuender Sommer.

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      Christoph von Schmid

      Der Weihnachtsabend

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      von Schmid, Christoph: Der Weihnachtsabend

      Hamburg, SEVERUS Verlag 2015

      ISBN: 978-3-95801-928-7

      SEVERUS Verlag, Hamburg, 2015

      Der SEVERUS Verlag ist ein Imprint der Bedey Media GmbH.

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      © SEVERUS Verlag

      http://www.severus-verlag.de, Hamburg 2015

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      Erstes Kapitel

      Das Weihnachtslied

      An dem heiligen Abende vor dem Weihnachtsfeste wanderte der arme Anton, ein holder Knabe von acht Jahren noch durch die schneebedeckte Gegend hin. Der arme Kleine hatte seine blonden Locken, die von der Kälte angeduftet waren, noch mit dem leichten schwarzen Strohhute vom letzten Sommer her bedeckt, und seine beiden Wangen glühten hochrot von Frost. Er war nach Soldatenart gekleidet, und hatte eine niedliche scharlachrote Husarenjacke an. In der Rechten führte er einen dicken Stecken von Schlehdorn, und auf dem Rücken trug er ein kleines Reisebündelein, in dem sich all sein Hab und Gut befand. Er war aber fröhlich und guter Dinge, und hatte an der schönen, weißen Winterlandschaft umher und an den bereiften Hecken und Gesträuchen am Wege seine herzliche Freude. Indes ging die Sonne glutrot unter. Die angedufteten Halme und Zweige umher flimmerten wie mit rötlichen Fünklein bestreut und die Gipfel des nahen Tannenwaldes strahlten im Abendgolde.

      Anton dachte das nächste Dorf, das jenseits des Waldes lag, noch leicht zu erreichen, und ging mutig in den dicken, finstern Wald hinein. Er hoffte in dem Dorfe gute Weihnachtsfeiertage zu bekommen; denn er hatte gehört, die Bauern dort seien sehr wohlhabende und gutherzige Leute. Allein er war noch keine Viertelstunde gegangen, so kam er vom rechten Wege ab, und verirrte sich in die wildeste Gegend des rauhen, bergichten Waldes. Er mußte fast beständig durch tiefen Schnee waten, und einige Male versank er beinahe


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