Woodwalkers & Friends. Katzige Gefährten. Katja Brandis
Читать онлайн книгу.saftiges Steak zu verdrängen, das man nicht selbst jagen musste, sondern einfach bestellen konnte.
Vielleicht finden wir Geld, meinte Mia fröhlich. Du hast doch erzählt, Menschen wären ungeschickt, kann doch sein, dass sie mal etwas davon fallen lassen.
Ich fauchte sie an. Wir laufen NICHT als Pumas durch die Stadt, das ruft nach Ärger!
Haha, früher war es anders bei uns. Mia wich meinem Prankenhieb aus und lachte in meinem Kopf. Du wolltest ständig die Menschenwelt auskundschaften und ich hab gesagt, du sollst gefälligst vorsichtig sein. Warum können wir eigentlich nicht in Menschengestalt in die Stadt?
Weil wir nichts zum Anziehen haben, du Flohbeutel, antwortete ich.
Ach so, stimmt. Dann ziehen wir eben unseren Pelz an, okay?
Große Schwestern können ganz schön hartnäckig sein. Einige Stunden später schlichen wir als Pumas durch das schlafende, dunkle Örtchen Gardiner, das bestimmt nicht mehr als tausend Einwohner hatte. Mia hielt vergnügt Ausschau nach verloren gegangenen Münzen oder sogar Scheinen und ich war mit Sorgenmachen beschäftigt. Ständig schaute ich mich um. Da, eine Bewegung! Ich duckte mich fauchend und machte mich bereit, loszusprinten.
Seit wann hast du Angst vor diesem Zeugs, auf das Menschen Zeichen malen? Mia amüsierte sich königlich.
Mit einem Prankenhieb schleuderte ich das weiße Knäuel beiseite und der Wind ließ es weiterkullern. Es heißt übrigens Papier, brummte ich – und stutzte, weil ich gerade etwas wahrgenommen hatte, mit dem ich hier überhaupt nicht gerechnet hätte.
In unserem ersten Jahr auf der Clearwater High hatten wir gelernt, wie man sich mit jemandem auch dann von Kopf zu Kopf verständigen kann, wenn derjenige nicht neben einem steht, sondern etwas weiter weg ist. Unser Lehrer Mr Ellwood hatte uns so darin gedrillt, dass ich mit meinen Fernrufen inzwischen ganz ordentlich weit kam und sie aus einer Entfernung von mehr als einem Kilometer empfangen konnte. Das, was gerade in meinem Kopf echote, war ohne Zweifel ein solcher Ruf … aber beim großen Gewitter, von wem?
Nicht sehr katzig
Ganz schön seltsame Situation: In der nachtdunklen Kleinstadt standen wir als Pumas auf einem Bürgersteig, der sich kühl und hart unter unseren Pfoten anfühlte, und lauschten dabei angestrengt auf etwas, was kein Mensch hören konnte. Aber es lohnte sich. Wenn ich mich konzentrierte, hörte ich die Gedankenstimme deutlicher … und merkte, dass es kein Ruf war, sondern eher ein Klagegesang. Wütende und traurige Worte, die nur ein anderer Woodwalker auffangen konnte. Ich hasse es, gefangen zu sein, das ist so was von Dorn-in-Pfotenmies! Wieso können die Menschen über uns bestimmen? Raus hier, ich muss raus hier! Aber wie?
Hörst du das?, fragte ich Mia atemlos und sie nickte. Aber nur ganz leise, ich habe nichts verstanden. Könnte das ein Haustier-Wandler sein?
Entweder das oder ein wild lebender Wandler, der von Menschen eingefangen worden ist, meinte ich und versuchte, demjenigen zu antworten. Aber ich war nicht sicher, ob sie ihn erreichte.
Es machte mich ganz kribbelig, dass wir hier unschlüssig mitten im Ort herumstanden. Es wurde in nicht allzu langer Zeit hell, dann durften wir nicht mehr hier sein. Wahrscheinlich waren die Bewohner von Gardiner wilde Tiere gewohnt, schließlich lebten sie am nördlichen Rand des Yellowstone-Nationalparks. Aber ich hatte keine Ahnung, wie sie auf zwei Pumas mitten in ihrem Ort reagieren würden.
Wir schlichen hinter den Häusern an der Hauptstraße entlang, verhedderten uns beinahe in einer niedrig gespannten Wäscheleine, wurden von einem Wachhund in Hundesprache angemotzt, duckten uns hinter geparkte Autos und versuchten, der Stimme nachzuspüren, die ich eben gehört hatte.
Vielleicht ist er in dem Haus hier?, fragte Mia und hob witternd die Schnauze vor einem großen Gebäude, auf dem ich das Wort »Bäckerei« entzifferte.
Hey, ich dachte, du kannst schon lesen – hier gibt’s nur Brötchen und keine Notfälle, sagte ich. Aber wir sind ganz in der Nähe, glaube ich.
Leider war der Klagegesang gerade verstummt und ich konnte nicht mehr sagen, von woher genau er gekommen war. Ich versuchte noch einmal, Kontakt aufzunehmen. Hallo, fremder Woodwalker! Kannst du uns sagen, wo du gefangen bist? Dann können wir dir vielleicht helfen.
Erstauntes Schweigen. Dann kam zurück: Wer seid ihr? Ich bin Terry. Falls ihr mir wirklich helfen könnt, dann schwingt die Pfoten, es ist nämlich katzig hier im Tierheim!
Verblüfft blickten Mia und ich uns an, dann kapierten wir, dass es wahrscheinlich ein Hunde-Wandler war, mit dem wir es hier zu tun hatten. Für den war »katzig« bestimmt die übelste Bezeichnung, die ihm einfiel.
Ich sagte ihm, wie wir hießen, und verschwieg ihm lieber, was wir in zweiter Gestalt waren. Dann ließ ich mir von Terry beschreiben, wie das Tierheim aussah – anscheinend war es ein niedriges, hellgrau gestrichenes Gebäude ein Stück von der Hauptstraße entfernt, mit Maschendrahtzaun drum herum.
Kurz darauf standen wir in Pumagestalt davor.
Und was ist? Könnt ihr mich rausholen?, fragte Terry hoffnungsvoll.
Ich drückte mit dem Kopf gegen die Vordertür. Natürlich war sie abgeschlossen und ich hatte keine Ahnung, wie man ein Schloss knackte. Sieht schlecht aus, sagte ich. Wir probieren es tagsüber, wenn das Tierheim aufhat, noch mal. Hältst du bis dahin durch?
Ein lang gezogenes Geheul ertönte in meinem Kopf. Anscheinend war Geduld nicht Terrys Stärke.
Wie machen wir das?, fragte mich Mia mit unternehmungslustig blitzenden Augen. Stürmen wir rein, schnappen uns den komischen Typen und rennen weg?
Ich musste daran denken, wie Theo und ich vor unendlich langer Zeit meine Rothörnchenfreundin Holly aus dem Tierheim abgeholt hatten, weil sie in zweiter Gestalt Touristen beklaut hatte.
Brauchen wir gar nicht, wir tun einfach so, als wollten wir Terry als Haustier mitnehmen. Cool, oder?
Falls ihr mich noch mal »komischer Typ« nennt, komme ich aber nicht mit, beschwerte sich unser neuer Schützling.
Wie du willst, antwortete ich, worauf sofort Ruhe war.
Mein Plan hatte leider einen Haken. Wir konnten nur als Menschen einen Hund adoptieren, und um uns verwandeln zu können, brauchten wir Klamotten.
Ich glaube, ich hab hinter einem Haus welche gesehen, fiel es mir zum Glück ein – und tatsächlich, dort fanden wir eine Wäscheleine, an der Hemden und Hosen im Nachtwind pendelten. Ich zögerte kurz, bevor ich ein paar davon packte, aber es war schließlich ein Notfall und außerdem konnten wir die Sachen zurückgeben, wenn wir sie nicht mehr brauchten.
Leider lebten anscheinend nur Frauen und Mädchen in diesem Haus. Mia sah ganz gut aus in ihrem rosa T-Shirt und der Jeans, die sie allerdings festhalten musste, weil sie ihr ständig von den Hüften rutschte. Ich hatte weniger Glück gehabt und in meiner Größe nur eine Blümchenbluse und weiße Shorts gefunden.
»Du siehst aus wie eine Wiese im Frühling«, sagte Mia und versuchte, sich mit ihrer freien Hand die ein bisschen struppigen, schulterlangen dunkelblonden Haare durchzukämmen. Als sie mich angrinste, sah ich, dass ihre Eckzähne noch teilverwandelt waren.
»Die müssen weg«, sagte ich und deutete darauf.
»Wieso? Sind doch praktisch«, sagte Mia und rammte die Eckzähne in eine verschlossene Keksdose, die auf der Veranda gestanden hatte. Einen Wimpernschlag später schleuderte sie die Dose im hohen Bogen weg. »Iiiih, das schmeckt ja noch ekliger als Wapitidung! Und so was essen die Menschen?«
»Woher weißt du, wie Wapitidung schmeckt?«, fragte ich, schaute mich besorgt um, ob das Klappern jemanden geweckt hatte,