Roman Paket 9 Glenn Stirling Liebesromane für den Strand. Glenn Stirling
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„UND NUN?“
„Ich muss dir etwas gestehen, Gert. Davon rührt ja alles her. Ich weiß nur nicht, wie ich es dir sagen soll.“
Er sah wieder zur Windschutzscheibe hinaus und erwiderte rau:
„Sprich nur. Mich überrascht fast nichts mehr.“
„Bitte, Gert, nicht so!“
Er fühlte ihre Hand auf seinem rechten Unterarm, und diese Berührung wirkte auf ihn wie elektrischer Strom. Es war nichts anders geworden. Dieselbe Leidenschaft wie zuvor. Er wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder es verfluchen sollte.
„Bitte, Gert, sag mir, dass du mir diesmal glaubst. Jetzt sage ich dir alles. Wirst du mir zuhören ... Wirst du versuchen, mich zu verstehen?“
Er bezwang sich, sie anzusehen. Ihre Stimme, ihr Fluidum, das alles war für ihn überwältigend. Dann noch dieser See, der Weg. Warum, zum Teufel, war er gerade hierher gefahren?
Kratzig sagte er:
„Ja, Inge, aber ich muss in einer Stunde wieder in der Klinik sein. Ich höre dir zu.“
Er merkte nicht, wie sie ihn von der Seite ansah, flehend, verlangend und bittend. Dann sprach sie, erst leise, dann immer mehr von der Erinnerung beeindruckt.
„Bevor ich zu Vater ins Geschäft ging, war ich auf der Uni, wie du weißt. Betriebswirtschaft in Köln. Auch nicht neu für dich. Aber ich war damals schon kein Kind mehr, Gert. Und dich habe ich noch nicht gekannt. Es gab einen Mann vor dir.“
Sie schwieg, um seine Reaktion abzuwarten, aber er zeigte nicht die geringste. Wie eine Statue saß er am Steuer und starrte durch die Windschutzscheibe, zwischen Regenperlen hindurch auf das trübe Wasser des Weihers.
„Er hieß ... na, nennen wir ihn einmal Hans. Das ist sein Vorname. Hans und ich waren zusammen in den Vorlesungen, und er wohnte nicht weit von mir weg. Er studierte dasselbe wie ich, aber er war faul. Seine Eltern sparten sich sein Studium vom Munde ab, doch in den Ferien lag er ihnen noch zusätzlich auf der Tasche. Trotzdem hatte ich eine Schwäche für ihn. Heute kann ich offen sagen, dass er ... dass er, ja, eben ein Typ war, der einer Frau gefiel. Ich habe ihn nie geliebt, aber ich war ihm verfallen. Vielleicht ist das kein gutes Wort dafür, doch du verstehst mich sicher. Und dann kam der Tag, wo er sich mit seinem Vater überwarf und der das Studium nicht mehr bezahlen wollte. Hans war durch das Examen gefallen. Zum zweiten Male. Er war furchtbar aufgeregt und ließ sich ein paar Tage nicht mehr bei mir sehen. In die Vorlesungen wollte er auch nie mehr gehen. Dann, eines Abends, tauchte er auf. Er blutete an der einen Hand, hatte eine dicke Aktentasche bei sich und sagte mir, die Polizei sei hinter ihm her! Später erfuhr ich, dass er einen Bankboten überfallen habe, schon am Vormittag, und seither sei er herumgehetzt. Ich hatte furchtbare Angst, kannst du dir denken, und ich wollte auch, dass er das Geld zurückgeben müsse. Das wollte er nicht. Es war so ähnlich wie zwischen uns beiden vorgestern Abend, nur viel dramatischer. Zudem wurde Hans grob. Ich bin weggelaufen vor Angst, und er hat noch gedroht, er werde mich umbringen, wenn ich etwas verriete. Auf der Straße bin ich mit der Polizei zusammengeprallt, und die haben gleich nach ihm gefragt. Sie ahnten wohl, was er mit mir gemacht hatte, denn von seiner Hand war Blut in meinem Gesicht, von dem Schlag. Dann haben sie ihn mitgenommen. Später kam nochmals Polizei und durchsuchte das Zimmer, aber sie fanden die Tasche nicht, die Hans wohl irgendwo versteckt hatte. Erst als ich auszog, um hierher zu gehen, fand ich die Tasche. Sie hing schon seit Monaten auf dem kleinen Balkon, den ich hatte, und zwar außen an den Haken für die Blumenkästen. Es ist mir schleierhaft, dass es niemand gemerkt hat. Ich habe die Tasche der Polizei gebracht. Jetzt ist Hans hier in der Stadt. Er wurde vorzeitig entlassen. Vorgestern Morgen, ich lag noch im Bett, rief er mich an und wollte mich sprechen. Als ich das abschlug, sagte er, er werde meinen Bräutigam aufsuchen, er wisse, wer das sei, und dem wolle er erzählen, ich sei jahrelang ein Gangsterliebchen gewesen und so weiter. Da sagte ich zu dem Treff zu. Wir trafen uns in einem alten Mietshaus in der Viktoriastraße. Er wohnt dort bei einem Bekannten, der eher wie ein Berufsverbrecher aussieht.“
Sie machte eine Pause und sah Gert an.
Er sah sie an, weil sie schwieg, und sagte:
„Weiter! Ich höre.“
„Mein Gott, Gert, was denkst du jetzt von mir?“
Er lächelte.
„Findest du nicht, dass du erst zu Ende erzählen solltest? Ich habe noch gar kein Urteil.“
Sie seufzte beklommen und sprach weiter.
„Er sah verkommen aus, hatte Manieren wie ein Halbstarker und verlangte von mir die Tasche. Ich sagte ihm, dass ich die längst der Polizei übergeben hätte. Da forderte er Ersatz. Ich hätte ihn bestohlen, meinte er. Dass es gestohlenes, ja sogar geraubtes Geld war, davon wollte er nichts wissen. Ich sollte ihm noch am selben Tage fünftausend Mark besorgen, dann würde er niemandem in der Stadt etwas sagen, wer ich seiner Meinung nach sei. Er hatte eine Liste von Vaters Hauptkunden, die er alle informieren wollte, falls ich nicht zahlte. Mit dir wollte er auch sprechen.“
„Und dann?“
„Ich konnte doch Paps nicht fragen. So bin ich zu einem Onkel gefahren, der Paps’ Bruder ist, aber nichts mehr von Paps wissen will. Ich habe mich mit ihm auf jener Baustelle getroffen. Er hat mir das Geld geliehen. Das habe ich Hans gebracht.“
„Und damit, glaubst du, ist alles vorbei?“
„Nein. Er hat schon wieder einen Brief geschrieben. Er möchte mich heute Abend sprechen.“
„Deine Eltern wissen nichts?“
„Nein.“
Dr. Wolf lächelte.
„Du scheinst vom Pech verfolgt zu sein. Und als du bei ihm zum ersten Male gewesen bist, ist die Sache mit dem Unfall passiert?“
Sie nickte.
„Ich war fertig. Aber dann, als das noch geschah, war es ganz aus. Ich weiß nicht, aber es war schon mehr als ein Kurzschluss.“
„Das würde sogar der Richter verstehen.“
„Um Himmels willen! Das darf niemand wissen. Wenn jemand das hört, der denkt: Na ja, dieses Mädchen sagt so, und der Kerl sagt so, aber so ganz stubenrein wird das Mädchen schon nicht sein.“
„Sehr wahrscheinlich. Aber gehen dich die anderen Leute etwas an? Hast du daran gedacht, als die Sache mit dem Lastwagen passierte und du Gas gegeben hast statt zu bremsen? Hast du da an andere Leute gedacht?“
„Nein“, bekannte sie ehrlich, „ich habe nur an mich selbst gedacht. Selbst jetzt tue ich das.“
„Reue ist etwas Schönes, Inge. Die Erkenntnis, etwas falsch gemacht zu haben, ebenfalls. Sag mir die volle Wahrheit: Ist die Geschichte mit diesem Hans so verlaufen, wie du gesagt hast? Oder seid ihr wirklich ein Ganovenpärchen gewesen?“
„Gert!“, sagte sie heftig. „Aber Gert, das kannst du doch nicht im Ernst gefragt haben!“
Er sah sie an.
„Ich habe das in vollem Ernst gefragt, Inge. Und zwar deshalb, weil ich nicht nochmals Halbheiten hören möchte. Du erwartest doch Hilfe von mir?“
Sie nickte zögernd.
„Ich hoffe, dass du mir hilfst.“
„Gut. dann muss ich alles wissen. Alles!“
„Ich hatte Hans nach dem Durchfall durchs Examen nicht mehr gesehen. Bis zu jenem Abend, als er mit der Tasche ankam. Und dann nicht mehr bis vorgestern. Das ist die reine Wahrheit.“
„Du warst seine Geliebte, nicht wahr?“
„Ich habe von dir damals noch nichts gewusst“, erwiderte sie entschuldigend.
„Du