Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts. Sandy Palmer
Читать онлайн книгу.trug Kitty Kolbert angeblich eine große, dunkle Sonnenbrille. Im Dezember!
Jedermann wusste, dass sie dahinter ein blaues Auge verbarg. Gewalttätig war Gideon Arendt also auch. Langsam begriff Antje, dass die Trennung von ihm für sie ein Glücksfall war.
Wenn ein Mann eine Frau schlägt, ist das das Letzte, dachte die werdende Mutter verächtlich.
Gideon hätte mit Sicherheit eines Tages auch gegen sie die Hand erhoben. Sie war froh, dass ihr das erspart geblieben war.
Seit Antje nicht mehr mit Gideon zusammen war, machte sich Bernd Riepel Hoffnungen. Er rechnete sich Chancen bei seiner Kollegin aus, und er tat alles in seiner Macht stehende, um sie für sich zu gewinnen, doch seine Bemühungen waren und blieben erfolglos.
Während Antje Büchners seelischen Abstiegs trat ihre Freundin Jutta Sibelius zu einem wundervollen Höhenflug an. Erich Gloger war für sie der netteste, sympathischste, liebenswerteste Mensch auf der Welt.
Sie erzählte Antje oft von ihm, und die Freundin gönnte ihr neidlos dieses Glück.
»Ich wollte, ich könnte dir ein klein wenig von meinem Glück abgeben«, sagte Jutta Sibelius einmal. »Es schmerzt mich, dich immer so ernst - und traurig zu sehen.«
Antje nickte mit düsterer Miene. »Ich glaube, ich habe das Lachen verlernt.«
»Warum gehst du nicht aus?«, wollte Jutta Sibelius wissen.
»Wozu?«, fragte Antje lustlos.
»Um auf andere Gedanken zu kommen«, gab die Freundin zur Antwort.
»Mit wem sollte ich ausgehen?«, fragte die werdende Mutter.
»Mit Erich und mir. Wir nehmen dich jederzeit mit, wenn du möchtest«, antwortete Jutta.
»Ich wäre das fünfte Rad am Wagen«, sagte Antje. »Es ist besser, ihr amüsiert euch allein. Ich würde euch ja doch nur die gute Laune verderben.«
»Geht es wenigstens dem Baby gut?«, fragte Jutta.
»Mit dem Kind ist alles in Ordnung«, antwortete Antje Büchner.
»Hoffentlich kommt es nicht mit Depressionen auf die Welt«, sagte Jutta. »Kannst du dich nicht ein bisschen zusammenreißen, Antje? Man sagt, das Leben ist ein Wellental, mal ist man unten, dann wiederum oben. Herrgott noch mal, du kannst doch nicht ständig unten bleiben. Mach ein paar Ruderbewegungen, schwimm dich frei, komm endlich wieder hoch. Du warst so ein nettes, lebenslustiges Ding, als du oben warst.«
»Und was hat es mir eingebracht? Ein Kind und einen Laufpass«, entgegnete Antje Büchner verbittert.
»Du hast Angst, es könnte noch mal passieren«, meinte die Freundin.
»Kannst du mir das Gegenteil garantieren?«, fragte Antje.
»Niemand ist vor einer Enttäuschung gefeit, aber ich würde daran nicht zerbrechen. Ich würde das Wagnis immer wieder eingehen. Das ist die einzige richtige Lebenseinstellung. Man darf sich niemals unterkriegen lassen. Wie oft habe ich dir das schon gesagt?«
»Zu oft«, antwortete Antje kurz.
»Dann richte dich endlich danach. Gideon Arendt ist kein Thema mehr für dich, und das finde ich gut, denn was man so über ihn hört. Naja.« Jutta wiegte den Kopf. »Aber es gibt so viele andere Männer auf der Welt...«
»Nicht für mich«, fiel Antje ihrer Freundin ins Wort.
»Auch für dich«, sagte Jutta bestimmt. »Und einer davon kann dich glücklicher machen, als es Gideon Arendt jemals vermochte.«
Das hörte sich zwar großartig an, aber Antje glaubte nicht, dass es stimmte. Es musste im Leben auch Verlierer geben, und zu denen zählte sie sich.
27
Zum Jahreswechsel hatte Erich Gloger keinen Dienst. Freudestrahlend holte er Jutta Sibelius von der Bank ab und zeigte ihr Schlüssel, die ihm nicht gehörten.
»Die Schlüssel zum Paradies«, nannte er sie.
Jutta wollte wissen, wem sie gehörten.
»Einem Freund«, erzählte Erich grinsend. »Der Himmel möge ihn mir lange erhalten. Er ist nicht gerade arm. Sein Vater besitzt eine Glasfabrik. Der Familie gehört eine kleine Jagdhütte, die in letzter Zeit kaum noch benutzt wird. Der Vater hat keine Zeit, der Sohn fliegt lieber in den Sommer - und die Hütte steht leer.«
»Dann hat dir dein Freund also die Schlüssel zu dieser Jagdhütte überlassen«, meinte die junge Frau.
»Genauso ist es«, bestätigte Erich Gloger. »Wenn du möchtest, feiern wir dort Silvester. Wie würde dir das gefallen? Würdest du den Mut dazu aufbringen?«
»Wieso gehört Mut dazu?«, fragte sie lächelnd.
»Na hör mal, du wärst mit mir dort ganz allein«, antwortete er schmunzelnd.
»Muss ich Angst vor dir haben?«, fragte Jutta weiter.
»Ich weiß nicht«, antwortete Erich.
»Ich überlege es mir«, entgegnete die Frau.
»Aber nicht zu lange, sonst ist der Silvester vorbei.«
Eigentlich hatte sich Jutta schon entschieden. Sie würde mit Erich zu dieser Jagdhütte fahren und dort den schönsten Silvester ihres Lebens feiern.
Sie sagte nur deshalb nicht sofort ja, damit sich Erich nicht zu viel erwartete. Es sollte nicht so aussehen, als wäre sie ganz wild darauf, von ihm verführt zu werden.
Am einunddreißigsten Dezember brachen sie gleich nach dem Mittagessen auf. Sie fuhren mit Erichs Wagen, und sie hatten alles mit, was sie für die Feier brauchten - einschließlich guter Laune.
Sie sangen während der Fahrt und waren fröhlich. Nur einmal wurde Jutta ein wenig ernst. Erich fiel es auf, und er fragte sofort, was sie habe.
»Antje«, sagte Jutta traurig. »Sie sitzt allein zu Hause. Niemand wird mit ihr den Silvester verbringen.«.
»Sie will es nicht anders. Es gäbe bestimmt genug Leute, die mit ihr feiern würden«, entgegnete Erich.
»Mir kommt es so vor, als würde ich sie im Stich lassen«, meinte die junge Frau nachdenklich.
»Das darfst du nicht denken«, sagte Erich. »Das ist nicht wahr. Du kümmerst dich sehr viel um deine Freundin. Wenn sie wieder Tritt fassen möchte, muss sie selbst auch ein bisschen was dazu beitragen.«
Die Hütte war größer, als Jutta Sibelius sie sich vorgestellt hatte - ein hübsches Blockhaus aus Rundholz, mitten im Wald, auf einer idyllischen Lichtung.
Der Krankenpfleger war noch nie hier gewesen, das fiel Jutta auf. Er probierte die Schlüssel durch, bis er den richtigen gefunden hatte, mit dem sich das Türschloss aufschließen ließ.
Und drinnen wurde Jutta Sibelius noch mal überrascht. Sie hatte eine primitive Einrichtung erwartet, hatte angenommen, es würde nur das Allernötigste da sein, doch es gab Telefon und Fernsehen, Radio und HiFi-Turm, ein Schlafzimmer, ein Gästezimmer, im Wohnzimmer stand eine gemütliche Sitzgruppe vor dem offenen Kamin, der Holzboden war versiegelt und glänzte sauber, an den Wänden