1000 Seiten Krimi Spannung - Acht Top Thriller. Pete Hackett
Читать онлайн книгу.Müller-Sowieso.
"Wem gehört diese Tasche?", fragte Rehfeld.
"Sie gehört Annette Friedrichs."
Rehfeld ging zum Tisch und schüttete den Inhalt der Handtasche darauf aus.
Einige Tablettenröhrchen kamen da zum Vorschein: Beruhigungsmittel, Aufputscher, Kopfschmerztabletten, Mittel gegen Migräne.
Ein paar Kleinbildfilme waren auch dabei.
Eine Packung mit Tampons lag neben einem Schlüsselbund. Und dann war da noch ein kleines Briefchen, dessen Inhalt wie Waschpulver wirkte.
Ich hatte kein gutes Gefühl, als Rehfeld das Briefchen nahm, es öffnete und zur Nase führte. "Kokain, schätze ich", sagte er dann. Und er sprach dieses Wort wie ein Todesurteil aus. Er blickte in meine Richtung, sagte aber nichts.
In seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Triumph und Ernst. Humor war nicht dabei. Nicht eine Unze, aber wen konnte das wundern? Wo Rehfeld auftauchte, da hörte der Spaß eben auf.
"Das Zeug gehört nicht mir", erklärte ich einigermaßen gelassen.
"Ich hatte nicht erwartet, dass Sie etwas anderes sagen würden, Hellmer."
Ich deutete mit dem Finger auf das Briefchen in Rehfelds Hand.
"Glauben Sie, dass die Friedrichs wieder versucht hat, damit zu dealen?"
Er schüttelte den Kopf.
"Nein, das glaube ich nicht. Diese Menge ist wohl eher für den Eigenbedarf gedacht."
"Sie können ja Fingerabdrücke von der Tasche nehmen, wenn Sie mir nicht glauben, dass es wirklich die Tasche der Friedrichs ist", schlug ich respektloserweise vor.
Rehfeld verzog das Gesicht und reichte das Briefchen an Müller-Sowieso.
"Das werden wir auch. Darauf können Sie Gift nehmen!"
"Lieber nicht."
"Was?"
"Gift nehmen!"
"Ich mag Ihre Witze nicht, Hellmer."
"Ich Ihre auch nicht!"
"Ich mache nie welche, falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist."
"Es gibt auch so etwas wie unfreiwillige Komik."
"Wollen Sie mich beleidigen? So etwas ist strafbar, und ich habe hier jede Menge Zeugen dabei."
Ich winkte ab. "Es war eine allgemeine Feststellung. Wenn Sie sich den Schuh anziehen, ist das nicht mein Problem."
Er atmete tief durch. "Ich könnte Sie festnehmen, Hellmer!"
"Wegen dem Kokain?"
"Ja."
"Ich dachte schon wegen Beamtenbeleidigung."
"In dem Punkt wurden die Gesetze in den letzten hundert Jahren leider sehr liberalisiert", murmelte er.
Ich zuckte die Schultern. "Tun Sie's oder lassen Sie's. Ich werde Ihre Entscheidung wohl kaum beeinflussen können."
"Ich lasse Sie auf freiem Fuß."
"Und das wollen Sie mir jetzt als besondere Gnade Ihrerseits verkaufen?"
"Nehmen Sie es, als was Sie wollen! Aber seien Sie auf der Hut!"
"Sie wissen genau, dass das nicht reicht, was Sie gegen mich zu haben glauben, Rehfeld. Und ich würde Ihnen empfehlen, sich auf andere Spuren zu konzentrieren!"
"Ihre scheint mir aber besonders interessant zu sein!"
"Dass ich nicht lache!"
"Das Lachen wird Ihnen noch früh genug vergehen!"
"Ich zergehe vor Furcht!"
"Wie kommt die Friedrichs dazu, Ihnen ihr Kokain zur Aufbewahrung zu geben? − Vorausgesetzt, es ist wirklich ihre Tasche und Sie benutzen sie nicht als eine besonders schlaue Tarnung. Wäre doch auch möglich, oder? Vielleicht nehmen Sie selbst ab und zu eine Prise von dem weißen Zeug, wenn Sie in einem Ihrer Schundromane nicht weiter wissen oder mit den Terminen unter Druck sind."
"Träumen Sie ruhig weiter!"
"... und was macht so ein Kerl, der sich für besonders schlau hält wie Sie? Er kauft sich eine Damenhandtasche und kann dann jederzeit behaupten, dass das Zeug nicht ihm gehört."
"Überprüfen Sie die Fingerabdrücke und lassen Sie mich zufrieden, bis das passiert ist."
"Na schön. Aber meine Frage können Sie eigentlich trotzdem beantworten."
"Welche Frage?"
"Warum die Friedrichs Ihnen ihre Sachen zur Aufbewahrung gibt?"
"Das wüsste ich selber gerne. Vielleicht hat sie sie einfach vergessen."
"Tattrig ist sie doch wohl noch nicht!"
"Haben Sie eine bessere Erklärung?"
"Ich wollte eine von Ihnen hören!"
"Da muss ich Sie leider enttäuschen."
Er schnaufte heftig und blies mir dabei seinen abgestandenen Atem ins Gesicht.
Irgendwann in den letzten Stunden musste er Zwiebeln gegessen haben. Jedenfalls roch er danach. Nicht, dass ich etwas gegen Zwiebeln hätte, aber so aus zweiter Hand ist das nicht das Wahre ...
16
Ich war froh, als die Bande endlich fertig war. Jetzt konnte ich wenigstens duschen. Rehfeld zog ziemlich knurrig ab. Ich weiß nicht, was er erwartet hatte.
Berge von Kokain vielleicht? Koffer voll Schwarzgeld?
Glaubte er, dass ich Annette Friedrichs mit Drogen belieferte − wenn vielleicht auch nur für den eigenen Bedarf?
Rehfeld schien mir ein kompletter Idiot zu sein. Aber die Idioten sind immer die Gefährlichsten. Man kann nie im Voraus sagen, auf welche absurden Ideen sie als Nächstes kommen.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Fall in den Händen dieses dicken Mannes nicht besonders zügig einer wie auch immer gearteten Auflösung entgegenging.
Ich hämmerte ein paar Seiten von den ›Gnadenlosen Wölfen‹ in die Tastatur, aber heute Morgen ging es wirklich äußerst zäh voran. Und als ich das, was ich geschrieben hatte, noch einmal überflog, bemerkte ich, dass ich so wenig bei der Sache gewesen war, dass ich doch glatt einen Toten hatte wiederauferstehen lassen!
Man kann den Lesern eine Menge erzählen und es ihnen plausibel machen. Sie glauben es einem, weil sie es glauben wollen.
Außerdem wissen sie selbst auch nicht so genau Bescheid, was Geographie und Geschichte des amerikanischen Westens angeht.
Ich nehme im Allgemeinen nur wenig Rücksicht auf die Fakten. Ich schaue mir auch nur selten einmal eine Landkarte vorher an. Wenn ich Berge brauche, lasse ich Berge auftauchen. Wenn ich einen Fluss brauche, lasse ich ihn fließen.
Kein Mensch prüft nach, ob es diesen Fluss und diese Berge gibt, oder ob man in einem Tagesritt wirklich von A nach B gelangen kann und so weiter und so fort.
Aber einen Mann wieder auftauchen zu lassen, der schon erschossen wurde − einen derart freien Lauf durfte ich der Phantasie nun auch wieder nicht lassen.
Ich hatte die Sache gerade einigermaßen bereinigt, da bekam ich einen Anruf, mit dem ich nun wirklich nicht gerechnet hatte.
Es war die Friedrichs, ich erkannte sie sofort an der Stimme.
"Hallo", sagte sie. "Kennst du mich noch?"
"Klar kenne ich dich noch, Annette", gab ich ihr den ersten Schuss vor den Bug. Ich war einfach mal gespannt darauf, wie sie reagieren würde. Außerdem wollte ich ihr deutlich machen, dass ich kein Dummkopf war. So ausgeschlafen wie sie war ich nämlich schon lange. Jedenfalls glaubte ich das.
Ich