Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd

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Sechs utopische Thriller - Conrad Shepherd


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auf; es blendete ihn sekundenlang. Als sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten und der grelle Schein schwächer wurde, hörte er Leute eintreten.

      Er blinzelte.

      Dann sah er einen Mann, der sympathisch wirkte.

      Auf den ersten, flüchtigen Blick.

      Schmales Gesicht, in die Stirn frisiertes schwarzes Haar. Schlank und groß. Die Haut über den Backenknochen hatte einen leicht gelblichen Schimmer.

      Der Mann trat an Brett heran und betrachtete ihn. Seine Augen waren kalt und ausdruckslos wie Glas.

      Brett hatte selten in leblosere Augen gesehen.

      »Hat es Sinn, gegen diese Art der Behandlung zu protestieren?«, murrte er, da ihm das Schweigen auf die Nerven ging. In den achtundvierzig Jahren seines Lebens war er schon in vielen scheinbar ausweglosen Situationen gewesen. Zum ersten Mal jedoch hatte er ein äußerst merkwürdiges Gefühl. Es handelte sich um eine Unsicherheit höchsten Grades, die sich bei jedem etwas weniger disziplinierten Mann als Angst ausgewirkt hätte; ihm verursachte sie nur Unbehagen.

      »Ich fürchte nein«, sagte der schwarzgekleidete Unbekannte.

      »Warum bin ich hier?«, fragte Brett Foss.

      »Darüber würde ich mir keine Gedanken machen«, kam die Erwiderung. Der Schwarzgekleidete machte sich unter dem Tisch zu schaffen.

      Brett spürte, wie die Fesseln von ihm abfielen.

      Im gleichen Moment warf er sich vom Tisch und stürzte zu Boden, rollte sich zur Wand und stand auf.

      Spöttisches Lachen aus zwei Kehlen gleichzeitig.

      Brett Foss begann zu ahnen, dass er sterben würde, dass sich hier und heute sein Schicksal erfüllte, als er den zweiten Mann zu Gesicht bekam.

      Dieser war an der Tür stehen geblieben. Nun schloss er sie nachdrücklich und kam in die Mitte des Raumes. Er war groß, mindestens zwei Meter, und unglaublich massig. Seine Schulterbreite betrug knapp einen Meter. Muskulöse Arme ragten aus einer ärmellosen, hochgeschlossenen schwarzen Weste militärischen Zuschnitts mit aufgesetzten Taschen. Er trug schwarze Hosen, die in Kampfstiefeln endeten. Der Riese hatte ein breites, flaches Gesicht, das auf eine Mischung von slawischem und asiatischem Blut schließen ließ. Und eine Tätowierung über der linken Augenbraue, der Kopf einer zustoßenden Viper.

      Ein Söldner!

      Ein Hybrid!

      Langsam ging er auf Brett Foss zu.

      Der schlanke Schwarzhaarige blieb, wo er war. In der Mitte des Raumes. Seine Augen verfolgten teilnahmslos die sich abwickelnden Geschehnisse.

      Schweigen. Foss spannte die Muskeln, seine Gedanken liefen auf Hochtouren.

      Der Angriff des Riesen kam ohne jede Vorwarnung.

      In einer Entfernung von fast zwei Metern setzte er zum Sprung an. Sein Fußtritt kam ansatzlos und war kaum zu sehen, so schnell wurde er ausgeführt.

      Trotz Foss' unerhört schnellem Reaktionsvermögen traf ihn beinahe die volle Wucht des frontal ausgeführten Fußtrittes; etwas Schemenhaftes explodierte über seinem Solarplexus. Er schlug einen Salto nach rückwärts. Krachte gegen die Wand, die seine Bewegung stoppte. Mit schmerzenden Lungen fuhr er wieder hoch. Holte keuchend und japsend Luft.

      Das Gesicht des Riesen blieb starr und ausdruckslos. Jetzt stand er vor Foss. Die Hände hingen locker herab. Foss versetzte ihm eine gerade Linke, die wie beiläufig mit dem linken Unterarm pariert wurde. Dann zuckte die gekrümmte rechte Hand des Hybriden wie ein Blitz durch die Luft. Foss spürte einen irrsinnigen Schmerz an der linken Kopfseite, der ihm sekundenlang den Blick trübte. Er kämpfte mit einem emporschießenden Brechreiz.

      Diese halbe Sekunde der Unachtsamkeit genügte dem Riesen.

      Seine rechte Hand peitschte im Halbkreis auf Foss zu.

      Der Hieb traf seine Halsschlagader und trennte die Wirbelsäule durch.

      Foss war tot, noch ehe er den Boden berührte.

      Der Riese beugte sich über ihn und untersuchte ein Auge. Dann nickte er dem Schwarzgekleideten zu.

      Mehrere Sekunden lang war außer dem schwachen Summen der Klimaanlage kein anderer Laut in dem aseptisch wirkenden Raum zu hören.

      Dann ging der Schwarzgekleidete zur Wand, betätigte die Taste einer Sprechanlage und sagte befehlend: »Schickt jemand zum Aufräumen her. Und lasst ihn nicht gleich vor unserer Haustür liegen. Kapiert? – Was ist mit dem Kurier? Ihr habt ihn nicht? – Wie? Ach so, dann kann ja nichts schiefgehen.«

      Er unterbrach den Kontakt und warf noch einen Blick in die Mitte des Raumes. In seinen Augen stand kein Bedauern. Mit einem Schulterzucken ging er hinaus.

      *

      Es war sieben Uhr morgens, als Julee Camara aus dem knallgelben Hover mit der Aufschrift der Fluggesellschaft stieg. Sie schulterte die Bordtasche. Strahlende Morgensonne und lange kühle Schatten lagen auf der futuristischen Kuppel des modernen Shuttleport.

      Prüfend streckte sie ihr wohlgeformtes Näschen in die Morgenbrise. Noch zeigten sich keine Vorboten der kommenden Hitze.

      Julee setzte sich in Bewegung. Zielstrebig ging sie über den Weg auf den Nebeneingang des Shuttleport zu. Julee Camara war Flugbegleiterin in einer Mitsubishi-Boeing XII. In einer halben Stunde – wie sie durch einen Blick auf ihre Uhr feststellte – begann ihr Dienst an Bord des schnellen Atmosphären-Shuttle.

      Mit schwingenden Hüften ging sie durch den Luftvorhang des Personaleingangs, vorbei an den Auslagen der Shops, blieb kurz stehen und kramte in ihrer Bordtasche nach der Chipkarte. Sie brauchte noch ein paar Journale, Zigaretten und einen neuen Lippenstift.

      Dann setzte sie sich wieder in Bewegung.

      Der melodische Gong der Start- und Landedurchsagen erklang. Julee schenkte der Automatenstimme kein Gehör. Sie ließ Blumenshop und Souvenirläden rechts liegen, blieb vor dem Verkaufsstand stehen und kaufte sich vier Packungen Zigaretten. Sie zahlte, nickte dem Verkäufer zu und ging tiefer in die Halle hinein. Sie spürte die Blicke des Mannes auf ihrem Körper und änderte unwillkürlich ihren Gang.

      Julee Camara war vierundzwanzig. Mit ihrem jungen, sinnlichen Körper und ihrer schwarzen jamaikanischen Schönheit, mit ihren großen grünen Augen und dem aparten Gesicht sprach sie die Sinne fast jeden Mannes an. Etwas, was sie beabsichtigte. Dabei ging sie ganz offen vor. Auch versuchte sie in keinem Fall die Tatsache zu verheimlichen, dass sie nur aus dem Grund Flugbegleiterin geworden war, um interessante und vor allem betuchte Vertreter des männlichen Geschlechts kennenzulernen. Sie war auf der Suche nach einem finanzkräftigen Adam. Dabei machte es ihr auch nichts aus, mit einem interessanten männlichen Wesen zu schlafen, dem sie eine Einladung zum Dinner und einigen Drinks wert war.

      Sie ging zurück zur Rolltreppe. An ihrem Fuß sprachen zwei junge Kopiloten ungeniert über ihre Erfahrungen der vergangenen Nacht.

      Julee grinste, ließ sich von der Treppe zur nächsten Ebene tragen, wurde gegrüßt und grüßte zurück, schwenkte dann am Ende der Passage nach links und betrat das Büro der Fluggesellschaft.

      »Hier«, sagte die Hostess hinter dem mit Computern und Bildgebern überladenen Schreibtisch, »die Passagierliste.«

      Julee nahm den Ausdruck mit einem Nicken entgegen und lächelte.

      »VIPs?«, erkundigte sie sich interessiert.

      »Ein paar.«

      Julee nickte wieder, zündete sich eine Zigarette an und studierte die Liste. Sie war relativ mager diesmal. Das Shuttle würde nur zur Hälfte besetzt sein. Egal. So würde es ein ruhiger, erholsamer Flug werden. Hoffentlich.

      »Sind die Jungs noch beim Frühstücken?«, fragte sie.


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