Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett
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Der Schnee schmolz. Der Frühling hielt nach einer langen Kälteperiode Einzug ins Land. Zartes Grün begann die Sträucher und Bäume zu verfärben. Der wilde Ginster blühte goldgelb. Bienen summten in den Sträuchern auf der Suche nach Nektar.
Lieutenant Whitlock war zu Colonel McIntosh befohlen worden. Er meldete sich unverzüglich. Der Colonel forderte ihn auf, sich zu setzen, dann sagte er: »Ich habe einen Sonderauftrag für Sie, Lieutenant.«
»Sir!«
»Victorio und seine Krieger müssen nach Tularosa gebracht werden. Für diese Aufgabe habe ich Sie ausersehen. Mit Victorio sind es fünfunddreißig Apachen.«
»Wann sollen wir aufbrechen, Sir?«
»Sie stellen keine Fragen?«
»Sicher haben Sie bereits alles organisiert, Sir.«
Ein angedeutetes Lächeln umspielte die Lippen des Colonels. Er nickte. »Sie haben Recht. Sie reisen mit vier Wagen und einer Eskorte von zwanzig Mann. Nachdem zugesagt wurde, dass auch die Familien der Krieger das White Mountain Reservat verlassen dürfen, geht von Victorio und seinen Männern keine Gefahr aus.«
Der Colonel erhob sich, ging zum Fenster, schaute hinaus und sprach weiter: »Ich denke, Sie sind der richtige Mann für diese Aufgabe, Lieutenant. Sie bekommen damit Gelegenheit, Ihren guten Ruf zu festigen. General Bronson war im Übrigen sehr angetan von Ihnen.«
»Danke, Sir.«
»Sie brechen übermorgen früh auf, Lieutenant. Über zweihundertzwanzig Meilen durch menschenfeindliche Wildnis. Es wird sicher nicht leicht, denn es gibt weder Weg noch Steg. Aber ich bin überzeugt davon, dass Sie es schaffen.«
»Ich werde mein Möglichstes tun, Sir.«
»Das ist mir klar.«
Am übernächsten Tag, es war noch dunkel, brach der Zug auf. Die Apachen saßen auf drei Schlutterwagen, die von jeweils vier Maultieren gezogen wurden. Das vierte Fuhrwerk beförderte Proviant. Zwei Scouts ritten voraus, um den Weg zu erkunden. Sergeant James Burmester war wieder mit von der Partie, jener Unteroffizier, der schon die erste Patrouille in die Mimbres Mountains unter dem Kommando Major Garretsons begleitet hatte.
Die Eskorte ritt in Dreierreihe. Whitlock und Burmester ritten neben dem Zug. Die Fuhrwerke rumpelten, die Aufbauten ächzten, die Achsen quietschten in den Naben. In die Geräusche mischte sich das Stampfen der Hufe, vereinzeltes Wiehern, Husten, Räuspern, das Klirren der Gebissketten und das Knarren von brüchigem Sattelleder.
Sie wandten sich nach Südwesten. Die Wildnis nahm sie auf. Es hatte in der Nacht noch einmal leicht gefroren. Tagsüber hatte die Sonne schon an Kraft gewonnen. Sie leckte mit ihrer Wärme den Schnee von den Kämmen und Abhängen, und nur die Nordseiten der Hügel waren noch mit Schnee bedeckt.
Der Himmel war wolkenverhangen. Alles mutete grau in grau an, obwohl es längst Tag geworden war. Die Berge lagen im Dunst. Der Boden war feucht und die Räder sanken tief ein, von den Maultieren wurde das Doppelte an Kraft und Zähigkeit verlangt. Die Indianer auf den Ladeflächen der Wagen wurden durch und durch geschüttelt. Der harte Bohlenboden war nur mit einer dünnen Lage Stroh ausgepolstert worden.
Das Land war ihr Feind. Sie kamen nur langsam voran, denn sie mussten weite Umwege in Kauf nehmen, Höhenzüge überwinden und Creeks durchqueren. Die Zuni Mountains stellten sich als ein nahezu unüberwindliches Hindernis dar. Es war ein natürlicher Pfad, der sich in Windungen nach oben schwang. Die Zugtiere legten sich in die Gespanne. Die Apachen waren abgesessen und stemmten sich mit aller Kraft gegen die Speichen der großen Räder, um die Maultiere, in ihrem Bemühen, die schweren Wagen nach oben zu befördern, zu unterstützen.
Mit heiserem Gebrüll trieben die Männer auf den Böcken die Maultiere an. Die Räder drehten sich kaum schneller. Kleine Steine wurden knirschend unter den Eisenreifen zermalmt. Die Tiere legten sich in die Geschirre, stemmten die Hinterbeine wie Säulen gegen das Gefälle, Peitschenschnüre klatschten auf ihre Rücken, die Leinen waren zum Zerreißen gespannt und knarrten bedenklich.
»Vorwärts! Nicht nachlassen! Treibt sie an! Sie dürfen nicht stehen bleiben!« Whitlock schrie sich fast die Seele aus dem Leib.
Unerbittlich wurden die Tiere vorwärtsgepeitscht. Schaum trat aus ihren Nüstern und tropfte zu Boden.
Dann erreichte das erste Fuhrwerk den Kamm der Anhöhe. Es polterte darüber hinweg und wurde auf dem sich anschließenden Plateau sofort zur Seite gelenkt, um Platz für das nächste zu machen.
Schließlich war auch der letzte Wagen oben. Trotz der Kälte schwitzten Menschen und Tiere. Die Maultiere röchelten und röhrten. Und nach einer Stunde Pause ging es weiter. Sie zogen, bis die Nacht kam. Dann fuhren sie die Gefährte in einem Hochtal zu einem Karree zusammen.
Die Nacht verlief ruhig und ohne Zwischenfälle. Indianer und Kavalleristen lagen in einem totenähnlichen Schlaf. Sie waren erschöpft. Die Strapazen des zurückliegenden Tages hatten von jedem das Letzte verlangt und waren an die Substanz gegangen.
Am übernächsten Tag schwenkte der Zug in die Schlucht des Rio San Jose ein. Der Fluss hatte seinen Ursprung in den östlichen Ausläufern des Zuni Plateaus und seine schmutzigbraunen Fluten strömten dem Rio Puerco entgegen.
An den Wänden der tiefen Spalte waren noch die Schlammspuren zu sehen, die verrieten, wie hoch die Schmelzwasser im Februar noch die Schlucht überschwemmt hatten. Von den Bergen heruntergespültes Geröll lag überall herum und musste oftmals erst mühsam zur Seite geräumt werden, damit die schwerfälligen, kaum zu manövrierenden Gefährte passieren konnten. Sie zogen auf dem natürlichen Weg neben dem tosenden und gischtenden Fluss entlang.
Noch war die Schlucht ziemlich breit. Dann machte der Creek eine Krümmung. Eine Felswand schob sich bis an den Fluss heran. Nach rechts öffnete sich eine Schlucht. Die Scouts trieben ihre Pferde hinein. Der Zug folgte. Die Schlucht endete und sie folgten den Windungen zwischen den Felsen und Hügeln. Irgendwann schwenkten sie wieder nach Südosten ein und zogen die Route parallel zum Creek, von dem den Wagenzug gigantische Felsmonumente trennten.
Der Abend nahte. Die Konturen wurden unscharf, grauer Dunst verzerrte die Umrisse der Felsen, die den Trail säumten. Dahinter erhob sich fast bedrohlich die schweigende Bergwelt.
Als die Dunkelheit kam und eine Weiterfahrt unmöglich machte, lagerten sie. Feuer wurden angezündet.
»Wie lange werden wir benötigen, um Tularosa zu erreichen?«, fragte Burmester.
»Knapp einen Monat«, versetzte Whitlock. »Vorausgesetzt, wir schaffen jeden Tag acht Meilen.«
Der Sergeant verzog das Gesicht. Fast dreißig Tage Hölle ...
Am darauf folgenden Tag ging es weiter. Jeder neue Tag bedeutete eine Steigerung der Strapazen, schürte Lustlosigkeit und Unzufriedenheit und zermürbte Soldaten und Apachen gleichermaßen. Mal schneite es, dann fiel Regen, dann brannte wieder die heiße Märzsonne gnadenlos vom Himmel. Der Marsch forderte das Letzte von Mensch und Tier.
*
Die Bande erreichte Fort Wingate. Wallace, Baker, Cramer und Connor wagten nicht, das Fort zu betreten. Sie trugen noch immer ihre heruntergekommenen Uniformen und man würde sie sofort als Deserteure erkannt haben. Vielleicht war auch die Kunde von ihrem Ausbruch schon nach Fort Wingate gelangt.
Nach ihrer Flucht aus Fort Bliss hatten sie Colonel Miles laufen lassen, nachdem sie in den Organ Mountains untergetaucht waren und ihre Spur verwischt hatten. Sie hatten tagelang eine Zickzack-Fährte durchs Land gezogen, um etwaige Verfolger abzuschütteln. Als sie sicher sein konnten, nicht mehr verfolgt zu werden, hatten sie sich auf den Weg nach Norden gemacht.
Die Deserteure kampierten außerhalb des Forts. Glenn Farley blieb bei ihnen. Auch er fürchtete, erkannt