Von Geistern, Zombies und Unsterblichen. Эдгар Аллан По

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Von Geistern, Zombies und Unsterblichen - Эдгар Аллан По


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Er war wie eine der zierlichen Gestalten auf einer gestickten Tapete oder in einem Spiel, deren Freuden einem fremd zu sein scheinen, aber deren Schmerzen den Schönheitssinn erschüttern und deren Wunden wie rote Rosen sind.

      Seele und Körper, Körper und Seele – wie voller Geheimnis war das alles! Es war Animalisches in der Seele, und der Körper hatte seine spirituellen Momente. Die Sinne konnten geläutert werden, und der Geist konnte versinken. Wer konnte sagen, wo der fleischliche Trieb aufhörte und der psychische anfing? Wie seicht waren die willkürlichen Definitionen der gewöhnlichen Psychologen! Und wie schwer war es doch, zwischen den Aufstellungen der verschiedenen Schulen eine Entscheidung zu treffen! War die Seele ein Schatten, der im Haus der Sünde saß? Oder war der Körper in Wahrheit in der Seele, wie Giordano Bruno gemeint hatte? Die Trennung des Geistes und der Materie war ein Geheimnis, und die Vereinigung des Geistes mit der Materie war wiederum ein Geheimnis.

      Er fing an, darüber zu sinnen, ob wir wohl je die Psychologie zu einer so absoluten Wissenschaft machen könnten, dass jedes kleine Triebrad des Lebens uns seinen Sinn offenbarte. Wie es heute darum stand, missverstanden wir uns selbst immer und verstanden nur selten andre. Die Erfahrung hatte keine ethische Bedeutung. Sie war nichts als der Name, den die Menschen ihren Irrwegen gaben. Die Moralisten hatten sie in der Regel als eine Art Warnung betrachtet, hatten für sie eine gewisse ethische Wirksamkeit für die Charakterbildung beansprucht, hatten sie als ein Mittel gepriesen, das uns lehrte, welche Wege wir einschlagen und was wir vermeiden sollten. Aber es lag keine bewegende Kraft in der Erfahrung. Sie war so wenig eine aktive Ursache wie das Gewissen. Alles, was sie in Wirklichkeit dartat, war, dass unsere Zukunft die nämliche sein würde wie unsere Vergangenheit, und dass wir die Sünde, die wir einmal und damals mit Abscheu getan hatten, viele Male tun würden, und dann mit Freuden.

      Es stand ihm fest, dass die experimentelle Methode die einzige sei, durch die man zu irgendeiner wissenschaftlichen Analyse der Leidenschaften gelangen könnte; und sicher war Dorian Gray ein Objekt, das wie für ihn geschaffen war und reiche und wertvolle Resultate erwarten ließ. Seine plötzliche wilde Liebe zu Sibyl Vane war eine psychologische Tatsache von nicht geringem Interesse. Kein Zweifel, die Neugier hatte viel damit zu tun, Neugier und das Verlangen nach neuen Erlebnissen; aber es war keine einfache, sondern eher eine komplizierte Leidenschaft. Was von dem rein sinnlichen Trieb des Knaben-Jünglings darin lag, war durch das Eingreifen der Fantasie umgeformt worden, zu etwas gewandelt, das dem Jüngling selbst frei von Sinnlichkeit schien und gerade darum umso gefährlicher war. Die Leidenschaften, über deren Ursprung wir uns selbst täuschen, beherrschten uns gerade am heftigsten. Unsere schwächsten Motive waren die, deren Natur uns bewusst war. Es kam oft vor, dass, wenn wir an andern zu experimentieren gedachten, wir in Wahrheit an uns selbst experimentierten.

      Während Lord Henry noch dasaß und diesen Dingen nachsann, klopfte es an die Tür; ein Bediensteter trat ein und erinnerte ihn, dass es Zeit war, sich zu Tisch umzukleiden. Er stand auf und blickte auf die Straße hinab. Der Sonnenuntergang hatte die oberen Fenster der Häuser auf der andern Seite in rotglühendes Gold getaucht. Die Scheiben glühten wie erhitzte Metallplatten. Der Himmel über ihm war wie eine verwelkte Rose. Es gemahnte ihn an das ganze feuerfarbene Leben seines Freundes, und die Frage kam ihm: Wie würde das alles enden?

      Als er etwa um halb ein Uhr nachts nach Hause kam, fand er auf dem Tisch des Vorraums ein Telegramm liegen. Er öffnete es und sah, dass es von Dorian Gray kam. Sein Inhalt war, dass sich Dorian mit Sibyl Vane verlobt hatte.

      Fünftes Kapitel

      »Mutter, Mutter, ich bin so glücklich!«, flüsterte das Mädchen und begrub ihr Gesicht im Schoß der verblühten, müde aussehenden Frau, die mit dem Rücken gegen das grelle Licht, das hereindrang, in dem einzigen Lehnstuhl saß, den das armselige Wohnzimmer aufzuweisen hatte. »Ich bin so glücklich!«, wiederholte sie, »auch du sollst glücklich sein!«

      Frau Vane zuckte etwas zurück und legte ihre dünnen Hände, die weiß wie Wismut waren, auf den Kopf ihrer Tochter. »Glücklich!«, sprach sie ihr nach; »ich bin nur glücklich, Sibyl, wenn ich dich spielen sehe. Du musst an nichts andres als an deine Rollen denken. Herr Isaacs ist sehr gut zu uns gewesen, und wir sind ihm Geld schuldig.«

      Das Mädchen sah auf und verzog den Mund. »Geld, Mutter?«, rief sie, »was liegt am Geld? Liebe ist mehr als Geld.«

      »Herr Isaacs hat uns tausend Mark Vorschuss gegeben, damit wir unsere Schulden bezahlen und James ordentlich einkleiden können. Du darfst das nicht vergessen, Sibyl. Tausend Mark sind eine sehr große Summe. Herr Isaacs ist sehr entgegenkommend gewesen.«

      »Er ist kein Gentleman, Mutter, und ich hasse die Art, wie er zu mir spricht.«, sagte das Mädchen, das aufstand und ans Fenster trat.

      »Ich weiß nicht, was wir ohne ihn machen sollten«, antwortete die Alte in ihrem jämmerlichen Tone.

      Sibyl Vane warf den Kopf zurück und lachte. »Wir brauchen ihn nicht länger, Mutter. Prinz Wunderhold sorgt jetzt für unser Leben.« Dann hielt sie inne. Das Blut schoss ihr in die Wangen und färbte sie dunkelrot. Schneller Atem teilte ihre blühenden Lippen. Sie zitterten. Ein Glutwind der Leidenschaft brauste über sie hin und erschütterte die glatten Falten ihres Gewandes. »Ich liebe ihn«, sagte sie einfach.

      »Närrisches Kind! Närrisches Kind!«, waren die papageienhaften Worte, die zur Antwort herüberkamen. Dabei gingen die gekrümmten Finger, an denen falsche Steine glänzten, ängstlich beschwörend hin und her, sodass die Worte eine komische Wirkung taten.

      Das Mädchen lachte wieder. Der Jubel eines gefangenen Vogels lag in ihrer Stimme. Ihre Augen fingen die Melodie auf und gaben sie strahlend wieder; dann schlossen sie sich einen Augenblick, als wollten sie ihr Geheimnis verbergen. Als sie sich wieder öffneten, war der Hauch eines Traumes über sie hinweggegangen.

      Aus dünnen Lippen sprach Weisheit zu ihr von dem zerrissenen Stuhl aus, verwies auf die Klugheit und sagte Stellen aus dem Buch der Feigheit, das vom gesunden Menschenverstand verfasst ist. Sie hörte nicht hin. Sie war frei in ihrem Kerker der Leidenschaft. Ihr Prinz, Prinz Wunderhold, war bei ihr. Sie hatte das Gedächtnis aufgerufen, ihn herzuschaffen. Sie hatte ihre Seele auf die Suche nach ihm geschickt, und die hatte ihn zurückgebracht. Sein Kuss brannte wieder auf ihren Lippen. Ihre Lider waren wieder erwärmt vom Hauch seines Mundes.

      Dann änderte die Weisheit ihr Verfahren und sprach vom Auskundschaften und Erforschen. Dieser junge Mann war vielleicht reich. Wenn dem so war, musste man an die Heirat denken. An die Muschel ihres Ohres schlugen die Wellen weltlicher Schlauheit. Die Pfeile der Verschlagenheit flogen an ihr vorbei. Sie sah, wie die dünnen Lippen sich bewegten, und lächelte.

      Auf einmal empfand sie das Bedürfnis zu sprechen. Das wortreiche Schweigen verwirrte sie. »Mutter, Mutter«, rief sie, »warum liebt er mich so sehr? Ich weiß, warum ich ihn liebe. Ich liebe ihn, weil er so ist, wie die Liebe selbst.«

      »Ich dächte, du könntest ein paar Küsse für mich übrig behalten«, sagte der Bursche mit gutmütigem Brummen.

      »Ach! Du machst dir ja gar nichts aus Küssen, Jim«, rief das Mädchen. »Du bist ein schrecklicher alter Bär.« Und sie lief durch die Stube zu ihm hin und umschlang ihn.

      James Vane blickte seiner Schwester zärtlich ins Gesicht. »Ich wollte dich bitten, mit mir spazieren zu gehn, Sibyl. Ich glaube nicht, dass ich dieses gräßliche London je wiedersehe. Ich bin sicher, ich werde nie Verlangen danach tragen.«

      »Mein Sohn, sprich nicht so schreckliche Dinge«, sagte Frau Vane, nahm seufzend ein geschmacklos ausstaffiertes Theaterkostüm zur Hand und fing an, es auszuflicken. Sie war ein wenig enttäuscht, dass er sich der Gruppe nicht angeschlossen hatte; es hätte die malerische Wirkung der Szene erhöht.

      »Warum nicht, Mutter? Ich meine es im Ernst.«

      »Du peinigst mich, mein Sohn. Ich hoffe, du wirst als reicher Mann aus Australien zurückkehren. Ich glaube, es gibt in den Kolonien keine eigentliche Gesellschaft, nichts, was ich Gesellschaft nenne; daher musst du, wenn du dein Glück gemacht hast, zurückkommen und dich in London zur Geltung bringen.«

      »Gesellschaft«, murrte der


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