Die Perfekte Nachbarin. Блейк Пирс
Читать онлайн книгу.merkte, dass die Frage etwas anschuldigend rüberkam, was sie allerdings nicht beabsichtigt hatte.
„Er sollte den Schlüssel nach ein paar Stunden zurückbringen. Als er nicht zurückkam, bin ich hingefahren, um nach ihm zu sehen, und …“ Er unterbrach sich, da ihn die Gefühle übermannten.
Jessie wollte fragen, warum jemand der Polizei so spät einen Schlüssel zurückgeben wollte, aber sie sah, dass der junge Mann nicht weiterreden konnte, also beließ sie es dabei.
„Danke für Ihre Hilfe, Officer“, sagte sie stattdessen. Da sie nicht wusste, was sie sonst noch sagen konnte, um ihn zu trösten, ging sie zum Haus.
Sie zeigte dem Beamten, der die Tür bewachte, ebenfalls ihre Marke. Dieser trat zur Seite, um sie reinzulassen. Sie schaute auf den Boden des Foyers und sah die Kreide, die wohl zu dem ersten Opfer gehörte. Dann blickte sie nach oben, wo sie mehrere Stimmen hören konnte. Eine davon klang wie Ryans.
Sie ging in Richtung der Treppe, als ein weiterer Beamter, der an deren Fußende stand und aussah wie ein Sergeant, seine Hand hob. Im Gegensatz zu Officer Timms war er älter und sah kriegserfahrener aus.
„Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?“, fragte er höflich, aber bestimmt.
„Ich arbeite mit Detective Hernandez zusammen“, sagte sie und hielt ihre Marke zum dritten Mal hoch.
„Ich werde ihn wissen lassen, dass Sie hier sind“, sagte der Sergeant, auf dessen Namensschild „Breem“ stand, trat aber nicht zur Seite.
„Ich höre seine Stimme“, sagte sie gereizter, als ihr lieb war. „Ich kann ihn selbst wissen lassen, dass ich da bin, wenn ich oben bin.“
„Es tut mir leid, Ma’am. Detective Hernandez hat sehr deutlich gemacht, dass niemand ohne seine ausdrückliche Erlaubnis nach oben gehen darf. Er will, dass in diesem Fall gründlich und vorschriftsmäßig vorgegangen wird.“
„So ist er bei jedem Fall“, antwortete Jessie mit Nachdruck. „Was macht diesen Fall anders?“
Der Sergeant sah sie verblüfft an. Er öffnete den Mund, um zu antworten, doch bevor er etwas sagen konnte, hörte sie eine vertraute Stimme aus dem zweiten Stock rufen.
„Jessie?“, fragte Ryan und sah vom Treppenabsatz herunter. „Was machst du denn hier?“
Sie sah zu ihm auf und konnte sofort erkennen, dass ihm etwas zu schaffen machte. Und zwar etwas, das nichts damit zu tun hatte, dass sie unangekündigt aufgetaucht war. Sie starrte ihn an und ein Gefühl der Furcht begann, sich in ihr breitzumachen. Sie rannte die Treppe hinauf, bevor Sergeant Breem sie aufhalten konnte. Er begann ihr zu folgen, aber sie sah, wie Hernandez den Kopf schüttelte.
„Es ist okay, Sergeant“, sagte er.
„Was ist los, Ryan?“, fragte sie leise, als sie ihn oben erreichte.
„Ich muss draußen unter vier Augen mit dir reden“, flüsterte er.
„Nein. Was ist hier los? Wo ist Garland?“, fragte sie, ging an ihm vorbei und schaute ins Schlafzimmer.
Sie blinzelte langsam und hoffte, dass das, was sie auf dem Schlafzimmerboden sah, eine Fata Morgana war. Aber als sie die Augen wieder öffnete, war er immer noch da. Zwischen dem Gerichtsmediziner und einem Tatort-Techniker lag Garland Moses auf dem Boden. Er war tot.
KAPITEL NEUN
Jessie spürte, wie ihre Brust sich zusammenzog, und sie konnte kaum atmen.
Sie versuchte zu sprechen, aber alles, was sie zustande brachte, war ein leises Röcheln. Sie schluckte mehrmals, um ihren plötzlich trocken gewordenen Hals zu befeuchten. Dann streckte sie ihre Hand nach der Brüstung aus und sah Ryan mit zusammengekniffenen Augen an, als würde das vielleicht etwas ändern.
„Es tut mir leid“, sagte er und streckte die Hand nach ihr aus.
Sie schüttelte heftig den Kopf und er blieb stehen.
„Was?“, fragte sie abwesend, obwohl sie ihn ganz genau gehört hatte.
„Komm mit“, sagte er, ergriff ihren Arm und führte sie zu einem Balkon am Ende des Flurs.
Er drehte sich zu ihr und öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte heraus. Er schloss ihn wieder und schien mit sich zu ringen, wie er am besten anfangen sollte. Dann versuchte er es nochmal.
„Es sieht so aus, als sei er gestern Abend hierher zurückgekommen, um eine Spur zu verfolgen. Nach dem, was wir bisher herausgefunden haben, scheint er im Hauptschlafzimmer angegriffen worden zu sein. Es gab eindeutig einen Kampf. Er wurde ermordet, zu Tode erdrosselt.“
Jessie spürte, wie ihr Verstand außer Kontrolle geriet und die Gedanken nur so hin und her stoben. Sie versuchte, ihn zu bändigen. Ein Teil ihres Gehirns stellte bereits Fragen zum Tathergang. Aber wütend über sich selbst brachte sie ihn zum Schweigen und drückte ihre Augen fest zu, als könne sie ihre Gedanken damit irgendwie abstellen.
Garland. Er war tot. Der legendäre Profiler, mit dem sie sich anfangs nicht getraut hatte, zu reden. Der Mann, der dann irgendwann ihr Mentor geworden war und später ein Vertrauter, dem sie ihre dunkelsten Geheimnisse anvertraut hatte. Nie wieder würde er sie aufziehen oder auf die Probe stellen oder sie unterstützen. Er war nicht mehr da.
Jessie spürte, wie eine Welle der Trauer über sie hinweg rollte, und sie hörte die echten Wellen in der Ferne. Es war, als kannte der Ozean ihren Schmerz und versuchte, einen dazugehörigen Soundtrack zu kreieren. Sie beugte den Oberkörper nach vorne und zwang sich, mehrmals tief einzuatmen, bevor sie wieder etwas sagen würde.
Als sie den Eindruck hatte, dass sie ihren Körper wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, richtete sie sich wieder auf. Ryan betrachtete sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck.
„Es geht mir gut“, sagte sie, zweifelte aber daran, dass das stimmte. „Bring mich auf den neuesten Stand.“
Ryan starrte sie an, als sei sie verrückt geworden.
„Das kann ich nicht“, sagte er ungläubig. „Du bist momentan nicht in der Verfassung, ein Verbrechen zu analysieren.“
„Und du bist es?“, fragte sie und spürte, wie sich in ihrem Bauch Wut breitmachte, die ihm gegenüber allerdings völlig unangemessen war. „Du hast ihn auch gekannt.“
„Ja“, räumte Ryan ein. „Ich kannte ihn und ich mochte ihn. Aber ich stand ihm bei weitem nicht so nahe wie du. Dennoch war es schrecklich für mich. Tatsächlich habe ich Trembley angerufen, damit er mir hilft, da es mir so zu schaffen machte.“
„Ist er nun da drinnen?“, fragte Jessie. Alan Trembley war der Junior Detective in der Sondereinheit der Mordkommission der Central Station. Trotz seiner jungen Jahre war er ein dynamisches und kompetentes Mitglied des Teams.
„Ja, und er leistet hervorragende Arbeit. Ich werde ihn bitten zu übernehmen, damit ich dich nach Hause bringen kann.“
„Nein“, beharrte sie. „Ich will nicht, dass du etwas Wichtiges verpasst, weil du nicht da warst.“
„Jessie. Wir haben da drinnen alles unter Kontrolle. Wir nutzen bei dieser Untersuchung nicht das MBPD. Die Beamten dort bei Trembley sind aus unserem Revier. Der stellvertretende Gerichtsmediziner und die Tatort-Techniker gehören uns. Captain Decker bestand darauf, unsere eigenen Leute einzusetzen, und der Chief von Manhattan Beach hat keinerlei Widerspruch geleistet. Es werden gerade Fotos gemacht und Videos gedreht. Alles, was getan werden kann, wird getan. Lass mich dich nach Hause bringen. Ich werde veranlassen, dass jemand dein Auto zurückfährt. Glaub mir, du willst da nicht reingehen.“
Jessie blickte über seine Schulter hinweg auf den Strand in der Ferne. Der Nebel begann sich langsam zu verziehen. Zwar konnte sie das Wasser immer noch nicht sehen, allerdings die schemenhaften Figuren einiger Leute, die dort entlang spazierten.
Wer geht um diese Zeit am Strand spazieren?
Sie schüttelte den Kopf, wütend über sich selbst.
Das ist doch jetzt völlig egal. Reiß dich zusammen!
„Okay“,