Blutige Verlockung. Victory Storm
Читать онлайн книгу.Gegenwart nie wohl gefühlt.
Was mich im Moment jedoch am meisten verblüffte, war der Grund dieser ganzen Geheimnistuerei, vor allem gegenüber meiner Tante, die immerhin die Cousine meiner Mutter war.
Ich wies meine Tante darauf hin, die mich mit einem noch traurigeren Ausdruck ansah.
„ Es brauchte dich nur eine Minute lang in meinen Armen halten, um zu wissen, wie sehr ich dich liebte. Du warst das süßeste und schönste Geschöpf der Welt. Jedes Mal, wenn du mich angelächelt hast, schien mir meine Entscheidung, die Gelübde aufzugeben, um mit dir zusammen sein zu können, immer richtiger. Mir wurde klar, dass ich auch so glücklich sein konnte, indem ich dem Herrn anders diente. Wie auch immer..." begann meine Tante, aber sie brachte die Worte nicht über ihre Lippen.
„ Aber sie ist nicht wirklich deine Tante, auch wenn sie dich so liebt, wie eine Mutter ihr Kind", beendete er Pater Dominick traurig den Satz für sie.
Ich war wie versteinert.
Tante Cecilia war gar nicht nicht meine Tante?
Das konnte nicht wahr sein.
Das war einfach zu viel.
Ich brachte kein Wort mehr heraus.
Ich war erschüttert.
Ich sah meine Tante an, die neben mir auf dem Rücksitz im Auto saß und leise weinte, während sie immer wieder sagte: "Verzeih mir".
Ich hatte das Gefühl, in Trance zu fallen, in einen Zustand des Halbbewusstseins.
Alle meine Gewissheiten waren zusammengebrochen.
Stunden vergingen.
Ich blieb in diesem Zustand, bis wir am späten Nachmittag in Dublin ankamen.
Ich erinnerte mich nur noch daran, dass das Auto direkt vor einem Hotel, dem Jolly Hotel, anhielt.
Der Mann an der Rezeption fragte uns noch nicht einmal nach unseren Papiere, sondern reichte uns einfach die Schlüssel zu den Zimmer.
Meine Tante und ich wurden in das Zimmer 112 geführt, während Pater Dominick allein zur Tür 115 ging.
Der Raum war recht klein und mit gelben Tapeten versehen, genau wie die Vorhänge und Decken.
Es gab zwei Einzelbetten. Ich setzte mich auf das hintere Bett in der Nähe des Fensters.
Ich stellte meine Tasche auf den Boden und starrte auf die von den Straßenlaternen erleuchtete Straße vor dem Fenster.
„ Hast du Hunger?", fragte meine Tante und schreckte mich auf. Nachdem sie mir gesagt hatte, dass sie gar nicht meine Tante war, hatte sie kein Wort mehr zu mir gesagt.
„ Nein, danke."
„ Bist du sicher? An der Tankstelle, an der wir zum Mittagessen angehalten haben, hast du auch nichts gegessen ", meinte sie besorgt.
Ich hätte sie gerne gefragt, warum sie sich so sehr für mich interessierte, obwohl ich ja eigentlich gar nichts mit ihr zu tun hatte, tat es dann aber doch nicht.
Ich schüttelte den Kopf.
Ohne Abendessen gingen wir dann beide zu Bett, obwohl es noch sehr früh war.
Ich war überhaupt nicht müde.
Mein Kopf war voll von Gedanken, aber einer hämmerte am stärksten: meine Tante, oder besser Schwester Cecilia.
Wenn das überhaupt ihr richtiger Name war.
Ich zerbrach mir eine Stunde lang den Kopf und suchte nach einer Verbindung, einer Logik zu dem Ganzen.
Vor vierundzwanzig Stunden saß ich noch im Wohnzimmer auf dem Sofa und zappte mich durch die Fernsehprogramme, während meine Tante die Küche aufräumte, und jetzt lag ich in einem sehr unbequemen Bett in einem lächerlichen Hotelzimmer mit einer möglicherweise unbekannten Frau.
Das ergab keinen Sinn.
Ich wollte mein Haus und meine Tante zurück.
Ich erkannte, dass es weitaus schöner gewesen war, als ich noch in völliger Unkenntnis und in einer Fantasie gelebt hatte, als mit der Nase auf die rohe und ungerechte Realität gestoßen zu werden.
Wenn Pater Dominick es noch einmal wagen würde, mit mir über göttliche Gerechtigkeit zu sprechen, würde ich ihm was erzählen!
Aber jetzt ließ sich nichts mehr ändern. In diese absurde Realität gezwungen, neben dem Menschen, den ich bis vor kurzem noch zuvor wahnsinnig verehrt hatte, während ich jetzt befürchten musste, ihn gar nicht zu kennen.
Ich konnte nicht länger schweigen.
„ Warum hast du dich all diese Jahre um mich gekümmert?", fragte ich sie leise.
Ich war überzeugt, dass sie mich gar nicht gehört hatte. Nicht, weil sie nicht schlief. Ich wusste, dass sie nicht schlief, weil meine Tante im Schlaf ziemlich stark schnarchte, aber meine Kehle brannte und meine Brust war so schwer, dass ich fast erstickte, sodass die Worte nur schwach und unsicher herauskamen.
„ Kannst du dir das nicht vorstellen?", antwortete sie mit ihrer gewohnten vertrauten Lieblichkeit.
„ Weil sie es dir befohlen hatten, richtig?"
„ Nein, Dummerchen. Weil ich dich wahnsinnig liebe. Auch wenn es eigentlich gar nicht stimmt, in Wirklichkeit bist du mein kleines Mädchen. Du bist das Wichtigste in meinem Leben. Ich hatte gehofft, dir das in all den gemeinsamen Jahren vermitteln zu können".
Ja, ich wusste, dass sie mich liebte. Sie hatte mir in schwierigen Zeiten immer geholfen, sie war immer bereit, mir zu helfen und trotz der finanziellen Schwierigkeiten hatte es mir nie an irgendetwas gefehlt. In allem, was sie tat, war immer ihre Liebe zu spüren, und ich hatte sie immer mit wahrgenommen und offenen Armen willkommen geheißen.
Sie war eine Mutter, aber auch eine Freundin gewesen, da ich wegen meiner Gesundheit nie Freunde gefunden hatte. Alle meine Schulkameraden hatten mir gegenüber immer ein gewisses Misstrauen gezeigt, weil ich bei einer Tante lebte und oft krank war, abgesehen davon, dass ich Patty Shue's stärkste Feindin war, die bei allen anderen total beliebt war.
„ Ich weiß, dass du mich liebst, und ich liebe dich auch, aber all diese Nachrichten haben mich einfach umgehauen. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, wer du bist...", seufzte ich.
„ Du hast Recht. Ich hätte dir viele Male die Wahrheit sagen wollen, aber der Orden hatte es mir absolut verboten".
„ Du hättest es mir heimlich sagen können. Bei Pater August und Dominick hätte ich so getan, als wüsste ich es nicht".
Meine Tante brach in Gelächter aus.
Ich lächelte auch und merkte, dass alles beim alten geblieben war.
Cecilia war immer noch meine liebe Tante, hörte sich meinen Unsinn an und lachte darüber.
„ Hör zu, Vera. Es tut mir so leid, dass ich dir nicht die Wahrheit gesagt habe, aber das geschah zu deinem eigenen Wohl. Wenn wir Kardinal Siringer treffen verspreche ich dir, ihn um Erlaubnis zu bitten, dir alles zu erzählen zu dürfen. Jetzt ist es nur fair, dass du die ganze Geschichte kennst", sagte meine Tante, die wieder ernst geworden war.
„ Eben, ich muss schließlich wissen, wer mich tot sehen will", versuchte ich, es herunterzuspielen.
„ Ich lasse nicht zu, dass dir jemand wehtut", sagte meine Tante resolut.
An diesem Abend war nicht mehr aus meiner Tante herauszubringen.
Wir plauderten die ganze Nacht lang, aber nur über unser nun schon altes Leben auf dem Bauernhof und suchten zumindest in unseren Erinnerungen Trost.
DAS TREFFEN
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