APEX. Ramez Naam

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APEX - Ramez  Naam


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      Alles was er jetzt noch tun musste, war, alles zu leugnen. Zu verhindern, dass jegliche Fakten bestätigt werden würden. Es würde keine Beweise geben. Er war mit dem System mehr als vertraut. Das DHS hatte schon längst gelernt, dass es in einem Überwachungsstaat unerlässlich war, bestimmte Leute in bestimmten Situationen zu übergehen. Eine Standardisierung der Codes quer über kommunale, staatliche und lokale Ebenen hinweg hatte dies möglich gemacht. Als das DHS Fördergelder in Milliardenhöhe für den Verfassungsschutz ausgegeben hatte, konnten sie die Bedingungen festlegen und die Gelder dazu nutzen, an die Daten zu gelangen, die sie brauchten. Sie waren dadurch befähigt gewesen ihre Software großflächig zu verbreiten.

      Und genau das hatten sie getan.

      Er war einer der wenigen, der das System dazu bringen konnte, Dinge zu übersehen. Einer der wenigen, die überhaupt wussten, dass dies möglich war. Und so gab es keine Belege für seinen Trip nach DC. Keine Verkehrskamera hatte in dieser Nacht auch nur irgendeine Information über sein Auto gespeichert. Kein Mobilfunkmast konnte Daten zu einem Kontakt abrufen, den er auf diesem Trip mit seinem Handy aufgebaut hatte. Kein Tor, kein Aufzug und keine Tür im ERD hatten sein Gesicht oder seinen Ausweis im entscheidenden Moment registriert.

      Die PLF konnte nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden. Die Server, auf denen seine Dateien gespeichert waren, sahen nie seinen wahren Aufenthaltsort oder seine Identität, wenn er eine Verbindung aufbaute – er leitete sie immer über eine anonymisierende Cloud um. Eine, von der er wusste, dass die NSA sie noch nicht hinreichend überwachen konnte. Und der Rest – Holtzmans Aktenkoffer, der kleine Vorrat an winzigen, grünen Pillen, die anderen technischen Werkzeuge – das alles war in einem sicheren Lagerraum verwahrt, der keine Belege dafür aufwies, dass er jemals dort gewesen war. Geschweige denn Spuren seiner Fingerabdrücke oder DNA.

      Es würde alles gut werden. Nur ruhig bleiben. Alles abstreiten. Er würde großartige Anwälte anheuern. Sie würden Ungereimtheiten in den Aufzeichnungen finden. Demonstrieren, dass das alles hätte gefaked sein können. Vielleicht würden sie ihre eigenen gefälschten Aufzeichnungen hinzuziehen, die zeigten, dass Elvis den Mann getötet hatte. Oder Gandhi. Und das war’s.

      Er tippte Notizen an sich selbst in sein Telefon, stellte einen Wecker für 6 Uhr morgens und zwang sich einzuschlafen.

      Noch bevor sein Wecker losging, wachte er auf. Es war 3.33 Uhr in der Nacht. Wünsch dir was, flüsterte eine Stimme in ihm. Die Stimme seiner Mutter. Sein Vater hätte ihn blutig geschlagen, hätte er einen so schwachen Gedanken wie diesen geäußert. Der Sturm dort draußen klang, als würde er abklingen, immer schwächer werden, während Zoe sich im Landesinneren langsam beruhigte.

      Eine Idee kam in ihm hoch. Ein Gedanke.

      Holtzman hatte das Video unter Einfluss von Nexus aufgenommen. Er hatte das in der ganzen Flut schlechter Nachrichten vollkommen ignoriert. Das Ausmaß dieser Erkenntnis machte ihn sprachlos. Holtzman hatte unter Einfluss von Nexus gestanden? Er hatte bemerkt, dass der Mann neben der Spur war. Aber Nexus? Wirklich?

      Stellte das nicht die ganze Situation infrage? Vielleicht hatte Holtzman in seinem Drogenrausch das Ganze nur geträumt und war tatsächlich an einem Herzinfarkt gestorben.

      Er setzte sich kerzengerade in seinem Bett auf, setzte seine Füße auf den Boden und griff nach seinem Telefon, um eine schnelle Notiz zu verfassen. Vielleicht sollte er ein Memo an einen der Pressesprecher des Weißen Hauses senden.

      Plötzlich sah er durch die Bildschirmbeleuchtung seines Telefons eine Bewegung, einen verschwommenen Schatten, der von der Seite auf ihn zukam.

      Barnes schrie auf. Er drehte sich um, hob seine Hand, um den Schatten abzuwehren.

      Plötzlich stach etwas in seinen Oberarm. Eine Nadel.

      Er holte mit seiner anderen Hand aus, versuchte nach dem Umriss in der Dunkelheit zu schlagen. Doch er schlug ins Nichts.

      »HOUSE RED!«, schrie er. Sein Notfallruf. Der Satz, der seine Alarmsysteme lautstark aktivieren sollte und die Polizei und die DHS verständigen sollte, dass sich ein Eindringling in seinem Haus befand. Der Satz, der die elektronischen Gegenmaßnahmen seines Hauses aktivieren sollte …

      Nur dass die Alarmsysteme bereits längst hätten losgehen sollen. Der Eindringling hätte niemals an den Schlössern vorbeikommen dürfen.

      »Ufffff!« Ein harter Faustschlag traf ihn in den Solarplexus und zwang alle Luft aus ihm heraus, schleuderte ihn gegen das Kopfende seines Bettes in dem immer noch dunklen und stillen Haus.

      »Licht«, sagte eine Stimme, die nicht seine Eigene war. Eine Stimme, die er kannte …

      Das Licht ging auf Befehl des Eindringlings an.

      Er sah einen Schatten vor sich. Die verzerrte Gestalt eines Mannes zeichnete sich vor dem Hintergrund seiner Wand und dem Teppichboden ab. Die Gestalt bewegte sich auf ihn zu und seine Umrisse wurden schärfer. Es war also keine Highend Chamäleontechnologie, die hier eingesetzt worden war. Es war etwas billigeres und gröberes.

      »Ich habe Geld«, sagte Barnes.

      »Ich will kein …«

      Barnes nutzte diesen Moment der Ablenkung und setzte zu einem Sprung an. Er warf sich auf den Mann, attackierte den Eindringling mit all seiner Muskelkraft und warf ihn von seinem Bett herunter und schnurstracks gegen die Wand.

      Doch die Gestalt machte einen fast unmenschlich schnellen Schritt zur Seite und zog sein Knie an. Barnes fiel auf den Boden, rollte sich nackt und nach Luft schnappend in sich zusammen, während sich ein stechender Schmerz in ihm ausbreitete.

      Etwas drückte gegen seine Schulter. Ein bestiefelter Fuß. Er zwang ihn auf seinen Rücken. Eine verschwommene Hand griff nach seinem anderen Arm.

      Barnes fühlte den Stich einer Nadel, die aus seinem Arm herausgezogen wurde. Er erhaschte einen Blick auf die Spritze, die bis zum Anschlag durchgedrückt war. Die Nadel hatte sich verbogen, als er sich über sie gerollt hatte.

      Barnes schnappte nach Luft, er konnte kaum atmen.

      »Ich werde dich lehren ein Aufseher zu sein«, sagte die Gestalt über ihm.

      Diese Stimme. Diese Stimme.

      »Die Menschheit muss überwunden werden«, fuhr die Stimme fort.

      Oh Gott. Oh Gott.

      »Was hast du getan, um sie zu überwinden?«

      »Breece …« Barnes schnappte nach Luft, bemühte sich, den Namen des Mannes auszusprechen. »Breece … ich …«

      Zu spät sah er, wie Breeces getarntes Bein ausholte, verstand zu spät, was diese Bewegung bedeutete. Und als er es begriff, blieb ihm nichts anderes übrig, als die fürchterlichen Schmerzen abzuwarten.

      Der gestiefelte Fuß des Mannes krachte in Barnes’ nackten Schritt. Und das mit einer hodenzerschmetternden Wucht!

      »Aaa…« Barnes schnappte nach Luft. Seine Augen quollen aus seinem Gesicht. Sein ganzer Körper krümmte sich, rollte sich vor Schmerzen zusammen. Seine Gliedmaßen zitterten, als er aufstöhnte. »Uuuhhh…«

      »Was hast du getan, um sie zu überwinden?«, flüsterte Breece zu ihm herunter.

      Barnes saß in Anzug und Krawatte gekleidet in seinem Auto.

      Er war einen Block von der Auffahrt auf die Brücke entfernt, die sich über die schnellen und rauen Gewässer des Susquehannas erstreckte und war gefangen in seinem eigenen Körper.

      Nexus war in der Spritze gewesen. Nexus, das in die Lage versetzte, vollkommene Kontrolle über ihn zu haben. Dieselben Kräfte, die sein Haus gehackt und seine Sicherheitssysteme außer Gefecht gesetzt hatten, um Breece hineinzulassen, hatten die Droge benutzt, um sich in sein Gehirn zu schleusen und an jedes Geheimnis und jedes Passwort zu gelangen. Ihm jedes einzelne Bisschen an Kenntnissen zu entlocken, das er über das ERD, die PLF, das DHS und über Stockton hatte. Alles, was er wusste.

      Und jetzt das.

      »Maximilian Barnes«,


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