H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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      Selbst in­ner­halb des Fünf-Mei­len-Krei­ses blieb die große Mehr­heit der Leu­te gleich­mü­tig. Das Be­tra­gen der Män­ner und der Frau­en, mit de­nen ich sprach, habe ich schon be­schrie­ben. Im gan­zen Um­kreis setz­ten sich die Leu­te am Mit­tag und am Abend zu Tisch; Ar­bei­ter be­sorg­ten nach dem Ta­ge­werk ih­ren Gar­ten, Kin­der wur­den zu Bett ge­bracht; jun­ge Leu­te und Lie­bes­paa­re lust­wan­del­ten in den He­cken­we­gen; Ge­lehr­te sa­ßen über ih­ren Bü­chern.

      Mag sein, dass in den Dorf­stra­ßen al­ler­lei wir­re Re­den gin­gen, dass in den Schen­ken ein neu­er und sieg­rei­cher Ge­sprächss­toff auf­tauch­te, dass ab und zu ein Bote, oder so­gar ein Au­gen­zeu­ge der jüngs­ten Er­eig­nis­se, einen Sturm von Auf­re­gung, wil­des Ge­schrei und er­schreck­te Zu­sam­men­läu­fe ver­ur­sach­te. Aber im großen Gan­zen ging das all­täg­li­che Trei­ben, Ar­bei­ten, Es­sen, Trin­ken, Schla­fen wei­ter wie seit un­ge­zähl­ten Jah­ren — als ob es kei­nen Pla­ne­ten Mars am Him­mel gäbe. Selbst auf der Sta­ti­on Wo­king, in Hor­sell und in Chob­ham war das der Fall.

      Am Kno­ten­punkt von Wo­king sah man noch in spä­ter Stun­de Züge hal­ten und ab­fah­ren, an­de­re wur­den ver­scho­ben, Rei­sen­de stie­gen aus und war­te­ten, und al­les ging in der ge­wohn­ten Wei­se vor sich. Ein Zei­tungs­jun­ge von der Stadt ver­kauf­te, un­be­küm­mert um Mr. Smit­hs Mo­no­pol, die Blät­ter mit den Neu­ig­kei­ten des Nach­mit­tags. Das Klir­ren und Sto­ßen der Las­ter und die gel­len­den Pfif­fe der Lo­ko­mo­ti­ven ver­misch­ten sich mit sei­nem Ge­schrei: »Män­ner vom Mars!« Um neun Uhr ka­men ei­ni­ge er­reg­te Leu­te mit un­glaub­wür­di­gen Be­rich­ten auf den Bahn­hof, rie­fen aber kei­ne grö­ße­re Ver­wir­rung her­vor als etwa Be­trun­ke­ne. Leu­te, die in der Rich­tung nach Lon­don fuh­ren und durch die Wa­gen­fens­ter in die Dun­kel­heit hin­aus­blick­ten, sa­hen nur einen selt­sa­men, fla­ckern­den, im­mer wie­der er­lö­schen­den und im­mer wie­der auf­tau­chen­den Licht­schein ge­gen Hor­sell zu schim­mern, sa­hen eine rote Glut und einen dün­nen Schlei­er Rauch zum Him­mel trei­ben; und sie dach­ten wei­ter nichts, als dass dort ein Hei­de­feu­er bren­ne. Nur als der Zug am letz­ten Stück des Wei­de­lan­des vor­über­fuhr, konn­te man ei­ni­ge Auf­re­gung be­mer­ken. An der Ge­mein­de­gren­ze von Wo­king brann­ten etwa sechs Land­häu­ser. In al­len Häu­sern der drei Dör­fer auf der Wei­de­sei­te brann­te Licht und die Leu­te wach­ten bis Ta­ge­s­an­bruch.

      Neu­gie­ri­ge Men­schen­hau­fen hiel­ten sich hart­nä­ckig auf den Brücken in Chob­ham und in Hor­sell auf. Leu­te ka­men und gin­gen, aber die Men­ge blieb. Ei­ni­ge wag­hal­si­ge Ge­sel­len schli­chen sich, wie man spä­ter hör­te, in die Dun­kel­heit hin­aus und kro­chen ganz nahe an die Mars­leu­te her­an; aber sie kehr­ten nie wie­der zu­rück; denn von Zeit zu Zeit folg­te ein Licht­strahl wie der Schein­wer­fer ei­nes Kriegs­schif­fes über die Wei­de, und der Hit­ze­strahl folg­te un­mit­tel­bar dar­auf. Von die­sen Un­ter­bre­chun­gen ab­ge­se­hen, schi­en jene große Flä­che Wei­de­lan­des schwei­gend und ver­las­sen; und die ver­kohl­ten Lei­chen la­gen die gan­ze Nacht un­ter den Ster­nen auf der Erde und blie­ben dort den gan­zen nächs­ten Tag. Ein Geräusch von der Gru­be her, das wie Häm­mern klang, wur­de von vie­len Leu­ten ge­hört.

      Das war der Stand der Din­ge Frei­tag nachts. Im Mit­tel­punkt stak in der Rin­de un­se­res al­ten Pla­ne­ten wie ein ver­gif­te­ter Wurfs­peer, der Zy­lin­der. Doch das Gift war kaum noch wirk­sam. Rund um­her lag ein Stück schwei­gen­den Wei­de­lan­des, das an ei­ni­gen Stel­len glimm­te, und hier und dort la­gen ei­ni­ge dunkle un­deut­li­che Kör­per in ver­zerr­ten Stel­lun­gen. Ab und zu brann­te ein Strauch, ein Baum. Dar­über hin­aus ein Fla­ckern von Er­re­gung, aber über die­ses Fla­ckern war der Brand nicht hin­aus­ge­wach­sen. In der üb­ri­gen Welt floss der Strom des Le­bens hin, wie er seit un­denk­li­chen Jah­ren hin­ge­flos­sen war. Das Fie­ber des Krie­ges, das in kur­z­er Zeit Adern und Ve­nen ge­rin­nen lässt, Ner­ven er­tö­ten und das Ge­hirn zer­stö­ren soll­te, muss­te erst ent­ste­hen.

      Die gan­ze Nacht hin­durch häm­mer­ten die Mars­leu­te und wa­ren un­abläs­sig, schlaf­los, un­er­müd­lich, mit den Ma­schi­nen, die sie in­stand setz­ten, be­schäf­tigt. Im­mer wie­der fuhr eine Mas­se grün­lich-wei­ßen Rau­ches zum ster­nen­hel­len Him­mel auf.

      Ei­ni­ge Se­kun­den nach Mit­ter­nacht sah die Men­ge in der Chert­sey-Stra­ße in Wo­king einen Stern in nord­west­li­cher Rich­tung in das Fich­ten­ge­hölz ein­fal­len. Er fiel un­ter grün­li­chen Licht­er­schei­nun­gen und ver­ur­sach­te ein Zu­cken von Licht wie ein som­mer­li­cher Blitz. Das war der zwei­te Zy­lin­der.

      1 sie­he Ma­xim-Ma­schi­nen­ge­wehr <<<

      IX. Der Kampf beginnt

      Der Sams­tag lebt in mei­ner Erin­ne­rung als ein Tag ban­ger Er­war­tung. Er war auch ein Tag der Mat­tig­keit, heiß, und schwül; wie man mir mit­teil­te, wech­sel­te das Baro­me­ter un­auf­hör­lich. Mei­ner Frau war es ge­gönnt, bald ein­zu­schla­fen; ich hat­te nur we­nig Schlaf ge­fun­den und stand früh auf. Vor dem Früh­stück ging ich in den Gar­ten und blieb dort lau­schend ste­hen. Aber in der Rich­tung ge­gen die Wei­de reg­te sich nichts als eine Ler­che.

      Der Milch­mann kam wie ge­wöhn­lich. Ich hör­te das Ras­seln sei­nes Kar­rens und ging ums Haus her­um zum Sei­ten­p­fört­chen, um von ihm die letz­ten Neu­ig­kei­ten zu er­fah­ren. Er er­zähl­te mir, dass im Lau­fe der Nacht die Mars­leu­te von den Trup­pen um­zin­gelt wur­den und dass man Ge­schütz er­war­te. Ich hör­te (ein ver­trau­tes, be­ru­hi­gen­des Geräusch!) einen Zug Rich­tung Wo­king zu fah­ren.

      »Man will sie nicht tö­ten«, sag­te der Milch­mann, »wenn es nur ir­gend­wie ver­mie­den wer­den kann.«

      Ich sah einen Nach­bar in sei­nem Gar­ten ar­bei­ten, plau­der­te eine Wei­le mit ihm und schleu­der­te ge­mäch­lich ins Haus zu­rück, um zu früh­stücken. Es war durch­aus kein un­ge­wöhn­li­cher Mor­gen. Mein Nach­bar war der An­sicht, dass es den Trup­pen ge­lin­gen wür­de, die Mars­leu­te wäh­rend des Ta­ges ent­we­der ge­fan­gen zu neh­men oder zu ver­nich­ten.

      »Es ist wirk­lich scha­de, dass sie sich so un­nah­bar ma­chen«, sag­te er. »Es wäre doch in­ter­essant zu hö­ren, wie man auf ei­nem an­de­ren Pla­ne­ten lebt; und wir könn­ten das eine oder das an­de­re von ih­nen er­fah­ren.«

      Er kam an den Zaun her­an und hielt mir eine Hand­voll Erd­bee­ren hin; denn sei­ne Lie­be zur Gärt­ne­rei


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