Der Kettenträger. James Fenimore Cooper

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Der Kettenträger - James Fenimore Cooper


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Wort, lieh mir dieser Gentleman fünf Dollars Silber, welche für meine augenblicklichen Bedürfnisse ganz genügten, und die, wie ich hoffentlich kaum nöthig habe ausdrücklich zu sagen, gebührender Weise zurückerstattet wurden.

      Es war eine glückliche Stunde für mich, als ich mich als Titularmajor, in der That aber als freien Mann sah, ungehindert zu gehen, wohin ich wollte. Der Krieg hatte seit der Gefangennehmung von Cornwallis und dem Schweden der Friedensunterhandlungen so wenig Abwechslung oder Abenteuer geboten, daß ich der Armee müde zu werden begann, und nunmehr das Land triumphirt hatte, ganz bereit war, sie zu verlassen. Die Familie, das heißt meine Großmutter, Mutter, Tante Mary und meine jüngere Schwester, nahmen noch zu rechter Zeit wieder Besitz von Satanstoe, um im Herbst 1782 noch einen Theil des trefflichen daselbst wachsenden Obstes zu genießen; und früh im folgenden Jahre, nachdem der Friedensschluß unterzeichnet war, die Engländer aber noch in der Stadt blieben, war meiner Mutter die Rückkehr nach Lilaksbush möglich. In Folge dieser vorgängigen Schritte fanden mein Vater und ich, als wir wieder bei den beiden Familien eintrafen, die Dinge schon in besserem Stande und größerer Ordnung, als sonst wohl der Fall gewesen wäre. Der Landhals war bepflanzt und es war ihm die Wohlthat einer Bearbeitung während des Frühlings zu Gute gekommen, während die Gärten und Ländereien von Lilaksbush durch den gereiften und geübten Geschmack meiner vortrefflichen Mutter neu hergestellt und in guten Stand gesetzt worden waren. Ja, wahrhaft bewundernswerth war meine Mutter in allen Verhältnissen des Lebens! Wahrhaft weiblich in Gefühlen und Lebensgewohnheiten, theilte sie Allem, was sie berührte, Etwas von ihrem Gemüth und Zartgefühl mit. Selbst die leblosen Dinge ihrer Umgebung verriethen durch solche Züge, daß sie in Verbindung standen mit einer Frau, begabt mit den schönsten Eigenschaften ihres Geschlechts. Ich erinnere mich, daß Oberst Dirck Follock eines Tages, als wir mit einander die Wirthschafts- und Gesindestuben besichtigt hatten, eine Bemerkung gegen mich äußerte, welche auf diesen Zug in meiner Mutter Charakter ganz ihre Anwendung fand, und dabei vollkommen richtig war.

      »Niemand,« sagte er, »kann auch nur die Küche der Mrs. Littlepage sehen, ohne zu merken, daß sie von einer Lady geleitet und beaufsichtigt wird, obgleich sie gar nie selbst hineinzukommen scheint. Es gibt eine Menge Küchen, die ebenso sauber, ebenso groß und ebenso gut eingerichtet sind, aber nicht leicht findet man eine Küche, welche Einem denselben Eindruck macht von gutem Geschmack in Betreff des Tisches und des ganzen Haushalts.«

      Wenn dies seine Wahrheit hatte schon in Bezug auf die untergeordneteren Theile der Wohnung, wie viel mehr bewährte es sich noch in Beziehung auf die besseren, die Wohnzimmer der Familie. Da sah man meine Mutter in Person, umgeben von den Dingen und Geräthschaften, welche einen feinen, gebildeten Geschmack beurkunden, ohne doch eine Spur von dem hochgesteigerten Luxus, von welchem wir in den Schilderungen älterer Länder lesen. In Amerika hatten wir viel schönes Porzellan und nicht wenig massives Silber, mit Ausnahme förmlicher Service, schon vor der Revolution, und meine Mutter hatte Beides in ungewöhnlicher Menge geerbt; aber das Land wußte noch wenig von jener bequemen und üppigen Einrichtung des häuslichen Lebens, welche bei uns, in Folge des ungeheuer gesteigerten Handels, rasche Fortschritte macht.

      Obgleich der Reichthum des Landes während eines sieben Jahre lang in seinem Innern tobenden Krieges gewaltige Stöße erlitten hatte, begann doch die Elasticität einer jungen und lebenskräftigen Nation bald das Uebel wieder gut zu machen. Es ist wahr, der Handel belebte sich erst wieder vollkommen, die mit ihm zusammenhängenden Interessen kamen erst wieder in bedeutenden Schwung nach der Annahme der Constitution, welche die Staaten einer Reihe gemeinsamer Zollbestimmungen unterwarf; aber doch bewirkte schon Ein Jahr eine offenbare, höchst wohlthätige Veränderung. Man konnte jetzt schon mit einer gewissen Sicherheit Schiffe ausrüsten, und das Land fühlte augenblicklich die Folgen. Das Jahr 1782 war gewissermaßen eine Zeit des Aufathmens für die Nation, obwohl lange vor seinem Ablauf schon die Knochen und Sehnen der Republik anfingen sichtbar und fühlbar zu werden. Da lernte dieses Gemeinwesen zuerst, als Volk, den unermeßlichen Vortheil erkennen, den es dadurch errungen, daß es seine eignen Interessen leitete und sie als solche behandelte, welche denen keines andern Landes der Welt nachstünden. Das war der große Gewinn von allen unsern Mühen.

      Drittes Kapitel.

      Er sagt ihr Etwas,

       Das sie erröthen macht, wahrhaftig, sie

       Ist Königin von Milch und Rahm

      Wintermährchen.

      Glückliches, glückliches Lilaksbush! Nie werde ich das Entzücken vergessen, womit ich über seine Höhen und durch seine Thäler schweifte, und wie ich in der Wonne des Gefühls schwelgte, wieder in gewisser Art Herr und Meister zu seyn an den Orten und Scenen, welche der Tummelplatz meiner Knabenjahre gewesen waren. Es war im Frühjahr 1784, als mich meine Mutter wieder in ihre Arme schloß, und dies nach einer Trennung von beinahe zwei Jahren. Kate lachte und weinte und umhalste mich, gerade wie sie fünf Jahre früher gethan haben würde, obgleich sie jetzt eine liebenswürdige Jungfrau war, die eben das neunzehnte Jahr überschritten hatte. Tante Mary schüttelte mir die Hand, gab mir ein paar herzliche Küsse und lächelte mich freundlich und liebevoll an ihrer ruhigen, sanften Art. Das Haus war in einem förmlichen Tumult, denn mit mir kam auch Jaap zurück, sein Wollenhaar ziemlich grau gesprenkelt, und ganze Haufen kleiner Satanstoe's (denn dies war sein Familienname, obgleich Mrs. Jaap sich Miß Lilaksbush nannte), Kinder und Enkel, waren da ihn zu bewillkommnen. Die Wahrheit zu gestehen, das Haus war während der ersten vierundzwanzig Stunden nicht in einem Zustand anständiger Ruhe.

      Nach Verfluß dieser Zeit bestellte ich mein Pferd, um nach Satanstoe hinüberzureiten und meine verwittwete Großmutter zu besuchen, welche allen Versuchen widerstanden, die man gemacht hatte, sie zu bereden, die Sorgen der Haushaltung abzugeben und nach Lilaksbush zu kommen, um daselbst zu leben. Der General, denn so nannte Jedermann jetzt meinen Vater, begleitete mich nicht, denn er war ein paar Tage zuvor in Satanstoe gewesen, wohl aber meine Schwester. Da die Straßen während des Krieges sehr vernachlässigt worden waren, machten wir den Weg zu Pferde, denn Kate war eine der beherztesten Reiterinnen, die ich kannte. Mittlerweile hatte sich Jaap das Privilegium erworben, gerade nur das zu thun, was seiner Neigung zusagte, oder, um mich richtiger auszudrücken, er war nicht viel zu brauchen, außer bei zufälligen, nicht zur gewöhnlichen Ordnung gehörigen Geschäften, welche so lange Zeit seine Hauptaufgabe und Obliegenheit gewesen waren; und er ward ein paar Stunden ehe wir selbst ausbrachen, abgeschickt, um Mrs. Littlepage, oder seine »gar alte Missus,« wie der Bursche immer meine Großmutter nannte, zu benachrichtigen, wen sie zum Mittagessen zu erwarten habe.

      Ich habe sagen gehört, es gebe Länder in der Welt, wo die Leute so verkünstelt und verschroben werden, daß die allernächsten Verwandten nicht einmal sich eine solche Freiheit nehmen dürfen. Der Sohn nehme sich nicht heraus, an seines Vaters Tisch sich zu setzen, ohne die Förmlichkeit zu beobachten, anzufragen, oder sich einladen zu lassen. Der Himmel sey gepriesen, bis zu dieser Höhe haben wir in Amerika es noch nicht gebracht. Welche Eltern oder Großeltern bis auf die entfernteste Generation zurück, die das Leben hat, würden einen Abkömmling anders als mit einem Lächeln, mit einem herzlichen Willkomm empfangen, möchte er kommen wann und wie er wolle! Wenn kein Zimmer da ist, oder keine Vorbereitungen, so müssen die Mängel durch die Wärme des Willkomms vergütet werden; oder wenn förmliche Unmöglichkeiten dazwischentreten, die nicht durch rasche Besonnenheit überwunden werden können, wie dies doch bei den meisten solchen »Unmöglichkeiten« der Fall ist, so wird die Wahrheit offen herausgesagt und das Vergnügen des Zusammenseyns auf einen günstigeren Zeitpunkt verschoben. Es ist nicht meine Absicht, einer vorangeschritteneren Civilisation einen unwissenden und gemeinen Hohn ins Gesicht zu schleudern, wie dies nur zu leicht und zu häufig die Neigung der Unwissenheit und provinzieller Lebensgewohnheiten ist; denn ich weiß recht gut, daß die meisten Bräuche jener hochgesteigerten Gesellschaftszustände in der Vernunft begründet sind und ihre Rechtfertigung finden in einem gebildeten, gesunden Menschenverstande; aber am Ende hat doch Mutter Natur ihre Rechte, und diese dürfen nicht allzu keck angegriffen und überschritten werden, ohne daß solche Überschreitungen selbst ihre verdienten Strafen mit sich bringen.


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