Der Kettenträger. James Fenimore Cooper
Читать онлайн книгу.dem Gebrauche, wie natürlich, mich zu fügen. Dies waren die Begriffe Mr. Mordaunt Littlepage's zu Anfang dieses Jahrhunderts, und dies seine Empfindungsweise kurz nach dem Frieden von 1783. Nichts der Art veranschaulicht vollständiger die allgemeine Veränderung, die mit dem Land in Sitten, Gewohnheiten und materiellen Dingen vorgegangen ist, als der Unterschied zwischen den Reisen von damals und von jetzt. Damals zog die Abfahrt einer Schaluppe oder die Einschiffung eines Passagiers an der Küste ganze Schaaren Menschen an die Werften, und Taschentücher wehten, wie wenn die Zurückbleibenden das Verlangen fühlten, ihre Freunde so lang als möglich mit den Augen zu verfolgen. Jetzt kommen und gehen täglich Tausende, im buchstäblichen Sinne, welche so viel Stunden auf dem Hudson zubringen, als ihre Großväter Tage; und das Händeschütteln und Abschiednehmen wird gewöhnlich zu Hause abgemacht. Das müßte eine kecke Dame seyn, die jetzt sich einfallen ließe, einem Flußdampfboot auf dem Hudson mit dem Taschentuch zuzuwinken! D. H. Demgemäß steuerte Mr. Bogert das Schiff mit gutem Bedacht der Küste zu, und ich sah die ganze Familie auf einem niedern Felsen, nahe beim Wasser, sich versammeln, um mir den Scheideblick zuzuwerfen. Im Hintergrund standen die Satanstoes, eine dunkle, wollige Gruppe, die Mrs. Jaap und zwei Generationen von Abkömmlingen in sich begreifend. Die Weißen weinten, d. h. meine liebe Mutter und Kate; und die Schwarzen lachten, obgleich die Alte ihre Zähne beinahe ebenso übereinander klemmte, als sie sie zeigte. Eine lebhafte Empfindung hat beinahe unabänderlich beim Neger ein Gelächter zur Folge, und nur ganz besonders ernste Fälle und Veranlassungen machen hier eine Ausnahme.
Ich glaube, wenn die Wahrheit bekannt wäre, Mr. Bogert empfand einen großen Triumph über die stattliche Bewegung seiner Schaluppe, wie sie an der Küste hinstrich, in nicht großer Entfernung von den Felsen, ihre Hauptsegel aufgesetzt und gebläht; man konnte wohl sagen, der Adler bewegte sich in all seiner Herrlichkeit. Er fuhr so nahe an den Felsen hin, als verachtete er alle Gefahr. Damals war noch nicht die Zeit der ängstlichen Berechnung, wie sie später eintrat. Damals machte sich ein Schiffer von Albany noch nichts daraus, ein paar hundert Fuß Abstand bei einer Bewegung zu verlieren, während es heutzutage keine leichte Sache wäre, einen Liverpooler Kauffahrer zu bereden, um so viel seitwärts zu steuern, um ein fremdes Schiff mitten auf dem atlantischen Meer anzureden, wenn er nicht anders im Fall ist, sich bei dem andern Schiffe hinsichtlich des Längengrades Rathes zu erholen.
Als die Schaluppe an dem Felsen vorbei strich, wurde ich mit Verbeugungen, Schwenken von Hüten und Tüchern und guten Wünschen salutirt, genug um für die ganze Reise auszureichen. Auch Jaap bekam seinen Theil; und »lebt wohl Jaap!« kam mir zu Ohren, von der süßen Stimme Kate'ns ihm zugerufen. Dahin fuhren wir, in stattlicher, holländischer Bewegung, langsam, aber sicher. In zehn Minuten lag Lilaksbush hinter uns, und ich war wieder auf Monate hinaus allein und einsam in der Welt.
Jetzt hatte ich Zeit, mich umzusehen, wer meine Begleiter auf dieser Reise waren. Der Kapitän und die Matrosen bildeten wie gewöhnlich den Haupttheil der Gesellschaft; dann die Lootsen, Beide Weiße und Beide von holländischer Abkunft, ein alter runzliger Neger, der sein Leben auf dem Hudson im Dienst am Vordermast zugebracht hatte, und zwei jüngere Schwarze, von welchen Einer den Ehrentitel des Kajütenverwalters führte. Auch zahlreiche Passagiere waren da, von welchen einige höhern Klassen anzugehören schienen. Sie waren von beiden Geschlechtern, aber mir insgesammt fremd. Auf dem Hauptdeck befanden sich sechs oder acht stämmige, anständige, gesetzte, achtbar aussehende Arbeiter, welche sichtlich zur Klasse der Landbauer gehörten. Ihre Päcke lagen auf einem Haufen, unten am Mast, und es entging meiner Beobachtung nicht, daß ebenso viele Aexte da lagen als Päcke.
Die amerikanische Art! Sie hat mehr wirkliche und bleibende Eroberungen gemacht als das Schwert irgend eines kriegerischen Volkes, das je gelebt; aber es sind Eroberungen gewesen, welche statt Verderben und Verwüstung, Gesittung in ihrem Gefolge gehabt haben. Ueber eine Million Quadratmeilen Landes Heutigen Tages mehr als zwei Millionen. sind, aus dem Schatten des Urwaldes heraus, erschlossen worden, um die Wärme der Sonne aufzunehmen; und Anbau und Ueberfluß haben sich da verbreitet, wo vor kurzer Zeit noch die Thiere des Waldes, vom Wilden gejagt, sich umtrieben. Und hievon ist das Meiste ausgeführt worden zwischen dem Tage, wo ich an Bord des Adlers ging, und demjenigen, wo ich dies niederschreibe. Ein kurzes Vierteljahrhundert hat diese wunderbaren Veränderungen eintreten sehen und ihnen allen liegt zu Grunde das schöne, preiswürdige, stets bereite, wirksame Werkzeug – die amerikanische Art!
Es wäre nicht leicht, dem Leser einen klaren Begriff zu geben von der Art und Weise, wie die jungen Männer, und Männer jeden Alters, aus den ältern Gebieten der neuen Republik nach den Wäldern strömten, um das Geschäft des Fällens der Forste und der Bloßlegung der Geheimnisse der Natur zu beginnen, sobald die Nation sich vom Drucke des Krieges erhob, um sich der Freiheit des Friedens zu erfreuen. Die Geschichte jener Zeit in New-York, welcher Staat an der Spitze stand in dem rühmlichen Kampfe des Fortschritts und der Verbesserung, und seither immer so edel seinen Vorrang behauptet hat, ist noch nicht geschrieben. Wenn sie wird gehörig dargestellt seyn, werden Namen der Vergessenheit entrissen werden, die mit größerem Rechte Statuen und Nischen in dem Tempel des Nationalruhms verdienen, als die von Vielen, welche ihnen den Vorrang abgelaufen haben, bloß in Folge des Umstandes, daß die öffentliche Meinung sich leichter für glänzende Thaten und Unternehmungen begeistern und bestechen läßt, als sie die Verdienste der wahrhaft humanen und nützlichen Bestrebungen anerkennt.
Es war nicht gewöhnlich, daß Ansiedler (settlers), wie man diejenigen zu nennen pflegte, welche zuerst neue Ländereien übernehmen und sich darauf niederlassen, ihre Reisen aus der Nähe der See in das Innere anders als zu Lande machten: einige Wenige aber, die von Connektikut über New-York kamen, reisten von hier den Fluß hinauf in den Schaluppen. Von dieser Art waren diejenigen, die ich an Bord des Adlers traf. Wir hatten im Ganzen sieben solcher Männer unter uns, welche am ersten Tag unserer Fahrt mit mir ins Gespräch kamen, und ich war etwas überrascht, als ich entdeckte, wie viel sie schon von mir, meinem Thun und Treiben und meinen Planen wußten. Bald jedoch fiel mir Jaap ein, als derjenige, von welchem sie wahrscheinlich ihre Kunde von mir geschöpft hatten: und wie ich mich erkundigte, fand ich, daß dies wirklich der Fall war.
Die Neugier und Fragelust des Volkes von Neu-England ist so allgemein von den Schriftstellern und Commentatoren über den amerikanischen Charakter zugestanden worden, daß ich glaube, man hat das Recht, die Wahrheit dieses Charakterzuges unbedingt zu behaupten. Ich habe ihn schon auf verschiedene Weise erklären hören; und unter andern hat man als Erklärungsgrund ihre Geneigtheit zum Auswandern genannt, wovon eine nothwendige Folge die Erkundigungen nach dem Befinden von Freunden und Verwandten in der Ferne seyen. Mir jedoch scheint es, dies heiße den Grund dieses Zuges sehr eng auffassen; vielmehr möchte ich diese Eigentümlichkeit von der regen Geistesthätigkeit überhaupt ableiten, die unter einem Volke herrscht, das den Zwang konventioneller Gebräuche in künstlicheren Gesellschaftszuständen nicht kennt. Auch die Gewohnheit, sich in so Vielem der Stimme und Ansicht des Gemeinwesens zu unterwerfen, übt einen großen Einfluß auf alle Meinungen dieses eigentümlichen Theils der amerikanischen Bevölkerung, denn sie scheint das Recht einzuräumen, sich nach Dingen zu erkundigen, welche anderswo durch das geheiligte Gesetz der Privatsphäre des Individuums geschützt sind.
Dem sey wie ihm wolle, meine Axtmänner hatten aus Jaap Alles herauszubringen gewußt, was ihm von Ravensnest und Mooseridge, sowie von meinen Beweggründen, die gegenwärtige Reise zu unternehmen, bekannt war. Nachdem sie im Besitz dieser Aufschlüsse waren, säumten sie nicht, sich mir vorzustellen, und die Frage an mich zu richten, welche ihre Gemüther vor allen beschäftigten. Natürlich gab ich ihnen solche Antworten, wie sie die Natur des Falles mit sich brachte, und es knüpfte sich gleich am ersten Tag eine Art Geschäftsbekanntschaft zwischen uns an. Da die Reise mehrere Tage dauerte, war, bis wir Albany erreichten, von der einen oder der anderen Seite so ziemlich Alles vorgebracht, was sich über den Gegenstand sagen ließ.
Was Ravensnest betraf, mein eigenes Besitzthum, so hatte mein Großvater in seinem Testament den Wunsch ausgesprochen, daß die Güterstücke pachtweise möchten verliehen werden, wobei er mehr meiner Kinder als meinen Nutzen im Auge hatte. Sein Wunsch war mir Gesetz, und ich hatte den festen Entschluß gefaßt, die noch nicht vergebenen Ländereien dieses Gutes,