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Ich muß tanzen und springen! Und Du, Effendi, Du springst mit! Komm, komm!«

      Er faßte mich und zog mich von meinem Sitz empor. Er wollte sich mit mir im Kreise drehen. Ich wehrte mich. Das gab Lärm. Die Pferde sprangen auf. Mein Syrr besah sich die Sache ohne Aufregung; Assil Ben Rih aber wieherte laut auf, als er seinen Herrn in einer so seltenen, freudigen Erregung sah. Das befreite mich von Halef. Er ließ mich los und wendete sich zu dem Rappen:

      »Recht so, Assil, recht so! Wenn der Effendi nicht mit mir tanzen will, so tanze ich mit Dir. Du hast mehr Verstand als er. Paß auf! Es geht los!«

      Er schwang sich mit einem federkräftigen Satze auf den Rücken des Pferdes, jagte es einige Male im Kreise herum und galoppierte dann fort, hinaus in die mondhelle Nacht. Syrr legte sich wieder nieder. Ich verabschiedete mich von ihm und kehrte nach der Wohnung zurück. Ich bitte, nicht darüber zu lächeln, daß ich sage, ich habe mich von meinem Pferde verabschiedet. Ein so hochedles Roß wie Syrr ist ein ganz anderes Wesen als ein gewöhnlicher Gaul unseres heimischen Schlages, hat ganz andere Regungen, und muß darum auch ganz anders behandelt werden. Wir werden auf dieses ganz eigenartige und hochinteressante Gebiet noch oft zu sprechen kommen.

      Es war mir unmöglich, schlafen zu gehen. Der Gedanke, die beiden geheimnisvollsten Gegenden der Erde besuchen zu dürfen, wäre mir zu jeder Zeit von höchstem Interesse gewesen. Hier aber handelte es sich um mehr, als nur um einen gewöhnlichen, zwecklosen Besuch. Ich hatte einen hochwichtigen Auftrag auszuführen. Dieser Auftrag war von Marah Durimeh als eine Mission bezeichnet worden. Worin er bestand, das wußte ich heut noch nicht, aber daß er von größter Wichtigkeit war, darüber gab es keinen Zweifel. Das erweckte in mir das Gefühl einer ungewöhnlichen Verpflichtung, einer außerordentlichen Verantwortlichkeit, welches mich unruhig machte und nach der Bibliothek trieb, wo ich bis zum frühen Morgen über den Büchern und Karten saß, um mir später sagen zu können, daß ich nichts versäumt habe, was nötig gewesen sei, den Anforderungen zu genügen, die Marah Durimeh an mich stellte.

      Auch sie war schon früh munter, ebenso Schakara. Sie fanden mich in der Bibliothek. Dann gingen wir zum Frühstück auf den Söller. Dort erfuhr ich, daß die >Wilahde< genau um Mittag die Anker lichten werde. Meine Mission bestand einzig nur darin, dem ‘Mir von Dschinnistan so schnell wie möglich einen Brief von Marah Durimeh zu überbringen. Das Wie und Wo wurde den Verhältnissen und meiner Einsicht überlassen. Schakara sollte mich bis zur Stunde unserer Ausschiffung begleiten, um mir bis dahin auf meine Fragen alle ihr mögliche Auskunft zu geben. Dann segelte sie direkt nach Ikbal zurück. Und der Brief, den ich zu besorgen hatte? Der war nicht auf Papier oder einen ähnlichen Stoff geschrieben, und den hätte wohl niemand, auch ich nicht, für einen Brief gehalten, wenn Marah Durimeh nicht gesagt hätte, daß er es sei.

      Als unsere Utensilien für die Fahrt verpackt werden sollten, legte sie noch einige Gegenstände bei, von denen sie sich Nutzen für uns versprach. Es befand sich auch ein blank poliertes Brustschild dabei, kein ganzer Panzer für den Oberleib, sondern nur ein Schild, leicht und dünn, der nur bestimmt war, das Herz und die Lunge zu schützen. Er war aus einem mir unbekannten Metall oder einer Metallegierung und so leicht gefügig, daß man ihn unter einem ganz dünnen Gewandstoff tragen konnte, ohne daß er auffiel.

      »Diesen Schutz legst Du an, noch ehe Du Ardistan betrittst,« sagte Marah Durimeh.

      »Glaubst Du, daß uns dort so große Gefahren drohen?« fragte ich.

      »Gefahren wird es geben, nicht wenige und nicht leichte,« antwortete sie. »Aber ich habe keine Sorge um Euch; Ihr werdet sie bestehen. Zwar ist dieser Schild wohl auch zu Deinem Schutz bestimmt und er hat Achselriemen, um auf Deiner Brust befestigt zu werden; aber an diesem Platze hat zugleich auch er den Schutz zu finden, der für ihn nötig ist, und zwar in hohem Grade. Denn er ist ja der Brief, den ich Dir anvertraue.«

      »Er? Der Brief?« fragte ich, indem ich ihn nun doppelt aufmerksam betrachtete. »Ich sehe keine Schrift!«

      »Du brauchst sie auch nicht zu sehen,« lächelte sie. »Er ist ja nicht an Dich gerichtet. Was Du nicht siehst, das sieht der ‘Mir von Dschinnistan. Er wird ihn lesen.«

      Auch Schakara lächelte, aber in anderer Weise. Sie nickte nach mir hin und sagte:

      »Vielleicht hat er die Schrift erkannt und entziffert, noch ehe er sie dem ‘Mir überreicht!«

      »Ich würde mich freuen, wenn er es zuweg brächte,« gestand Marah Durimeh. »Aber diese Schrift ist nicht Schrift, sondern mehr. So, wie hier auf diesem Schilde, schreibt man nur in Sitara, dem Lande der Sternenblumen, und diese Schrift kann nur der lesen lernen, der mich, die Herrin dieses Landes, kennt. Versuche, ob es Dir möglich ist, Effendi! Der Unterricht hierzu wird Dir werden, indem Ihr miteinander durch das gefahrvolle Ardistan reitet.«

      Das war meine ganze Instruktion. Ich durfte mich zwar als Gesandten fühlen, aber als einen, mit dem man wenig Federlesens macht. Doch war es grad diese Kürze, für die ich mich unendlich dankbar fühlte.

      Wir brachte unsere Pferde selbst an Bord. Sie waren so wertvoll, daß wir sie keiner anderen Person anvertrauten. Auch Schakara war dabei, und Marah Durimeh begleitete uns, einfach, bescheiden, wie ein gewöhnliches Weib, von allen, die uns unterwegs sahen, mit Ehrerbietung und Liebe gegrüßt, doch unauffällig, in selbstverständlicher und ungekünstelter Weise. So war der Abschied auch. Sie stand am Ufer und grüßte mit der Hand, als das Schiff den Anker hob. Hierauf ging sie. Kurze Zeit später sahen wir sie auf dem Söller erscheinen. Da stand sie, bis wir sie nicht mehr sehen konnten. Dann verschwand auch der Palast, die Stadt, das dunkle Gebirge, das ganze, uns bekannt gewordene Sitara, und wir sahen nichts mehr, als nur die unendlich weite See, der wir auf Treu und Glauben überliefert worden waren.

      Zu jeder anderen Zeit hätte ich mich um das Schiff, seine Bemannung und seine Einrichtung gewiß sehr eingehend bekümmert; jetzt aber hatte ich keine Zeit dazu. Ich mußte jede Minute ausnutzen, um mich zu unterrichten. Die Bücher, welche ich mitgenommen hatte, mußten mit Schakara wieder zurückgehen. Ich hatte sie also bis dahin durchzunehmen und las und las und schrieb und schrieb, um alles, was ich für wichtig hielt, zu notieren. Schakara half mir dabei. Als drei Tage vorüber waren, hatte ich einen ganzen, dicken Stoß von Notizen, deren Wert gar nicht abzumessen war. Mit ihrer Hilfe war es mir möglich, mich in jeder Lage und an jedem Orte zu orientieren.

      Es war uns während dieser drei Tage kein anderes Fahrzeug begegnet. Nun näherten wir uns dem Ziele unserer Fahrt. Wir durften erwarten, am Mittag des vierten Tages die Küste von Ardistan zu erreichen, aber auch da bekamen wir kein Schiff, nicht einmal einen Kahn, ein Boot zu sehen. Der Grund hiervon war, daß wir es vermieden, uns einem Hafen zu nähern. Unsere Landung mußte in der größten Heimlichkeit geschehen, und darum wählten wir einen ganz einsamen Teil der Küste, die da völlig unzugänglich zu sein schien, doch gab es eine Stelle, wo eine kleine, schmale Bucht zwar nicht erlaubte, den Anker zu werfen, aber doch Gelegenheit zum Ausbooten gab. Das Land fiel hier überall so schroff und so tief in die See hinab, daß kein Ankertau lang genug war, den Boden zu erreichen.

      Kurz nach Mittag tauchte eine dunkle Linie vor uns auf, der wir uns bei gutem Winde näherten. Das war Ardistan, eine niedrige, aus Sumpf und Moor bestehende Küste.

      »Das ist Dein Ziel,« sagte Schakara. »Und nun es vor Dir liegt, will ich Dir noch etwas Wichtiges sagen. Du wirst über die Bewohner dieses Landes wenig Freude haben. Sie stehen auf einer noch sehr niedrigen Stufe der Menschlichkeit. Aber es gibt doch hier und da einen Auserlesenen, dem es Bedürfnis ist, sich von dieser Niedrigkeit abzusondern und mit Gleichgesinnten zu vereinigen. So ist ein Bund entstanden, der sich >Insanija< nennt, die >Menschlichkeit<. Leider sieht er sich gezwungen, geheim zu bleiben, weil der ‘Mir von Ardistan ihn nicht dulden will. Seine Mitglieder stehen miteinander im Verkehr. Sie sind edle, opferwillige Menschen. Es gibt einige unter ihnen, die Marah Durimeh gesehen oder auch wohl gar gesprochen haben und sie fast vergöttern. Von ihnen hast Du Hilfe zu erwarten, sobald


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