Zeit für Weiblichkeit. Diana Richardson

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Zeit für Weiblichkeit - Diana Richardson


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und überfließend vor Liebe und Lebenslust daraus hervor.

      Heute haben wir wenig Gelegenheit für die Erfahrung von orgia. Die ganze Betonung hat sich weg vom physischen Körper, hin zum Intellekt verlagert. Statt Energie bei gemeinsamem Tanzen und Singen auszutauschen, trifft man sich heute lieber in größeren oder kleineren Gruppen, um Gedanken auszutauschen; es wird diskutiert, argumentiert oder über alles Mögliche getratscht. Wir haben die Verbindung zu unserer körperlichen Empfindsamkeit weitgehend verloren und unsere Körper reagieren wie auf Sparflamme. Dadurch bleibt beim sexuellen Austausch ein erfüllender Orgasmus häufig auf der Strecke.

      Im sinnlich reduzierten, kopflastigen Klima unserer Zeit hat die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau ihre naturgegebenen heilenden und regenerierenden Kräfte eingebüßt. Beide Geschlechter sind somit von der beseligenden spirituellen Verbindung abgeschnitten, die ihnen einstmals durch die sexuelle Verschmelzung über den Körper regelmäßig zugänglich war.

      Wir Menschen können erst dann hoffen, das gesellschaftliche Klima auf eine wirklich positive Weise zu beeinflussen und zu verändern, wenn im sexuellen Bereich eine drastische, radikale Neuorientierung eintritt, eine „sexuelle Re-Evolution“. Die in den letzten Jahrtausenden unserer Zivilisation vorherrschende Unterdrückung und Verdrängung der natürlichen, gesunden Sexualität hatte viele krankmachende Auswirkungen auf die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau, die ein so wunderbarer, natürlicher Ausdruck von Liebe sein könnte. Es lässt sich heute mit Gewissheit sagen, dass die Ursachen der meisten psychosozialen Störungen ebenso wie der Gewalttätigkeit im sexuellen Bereich liegen – genauer gesagt, in der sexuellen „Unterversorgung“ bzw. im Mangel an tiefen, befriedigenden, nährenden, erhebenden Erfahrungen im Sex.

      So wie es aussieht, krankt unsere ganze Gesellschaft am Sex, aber nicht der Sex an sich ist krank, sondern unser Denken über Sex. Die ganze Psychologie der Menschen rund um das Thema Sex ist verkorkst, ungesund, geradezu vergiftet. Das Ausmaß sexuellen Missbrauchs jeder Art, der Tag für Tag, Minute für Minute an irgendeinem Ort stattfindet, legt ein überaus schmerzvolles Zeugnis für den sexuellen Notstand unserer Gesellschaft ab.

      Durch übliche falsche Informationen wird die sexuelle Energie unbewusst auf Sparflamme gehalten und die schöpferische Kraft des Menschen beschnitten. Die vorherrschende Unwissenheit über das wahre Wesen des sexuellen Energieaustausches zwischen Mann und Frau führt dazu, dass Sex heutzutage nur noch selten als ganzheitlicher Ausdruck seines spirituellen, regenerierenden Potenzials erlebt wird.

      Es mag auf den ersten Blick nicht einsichtig sein, warum sexuelle Perversion, sexueller Missbrauch, Gewalttätigkeit und Krieg in direktem Zusammenhang mit dem Mangel an erfüllenden, nährenden orgasmischen Erfahrungen stehen, aber ganz sicher hat die Unterdrückung dieses wesentlichen Aspektes unserer Natur zu all diesen unerfreulichen Erscheinungen entscheidend beigetragen. Aufgrund der Missverständnisse über die Bedeutung der Sexualität, die über die reine Fortpflanzung hinausgeht, kann sich eine Frau leicht gezwungen sehen, ein liebloses, gefühlloses, aggressives Sexleben als gegeben hinzunehmen.

      In dem aufrichtigen Wunsch, Kinder zu gebären und liebevoll für ihre Familie zu sorgen und sie zu ernähren, widmen sich zahllose Frauen all diesen Dingen mit ganzem Herzen, ohne jemals aus der regenerierenden, beseligenden Erfahrung des Orgasmus neue Kraft schöpfen zu können. Der gleiche Mangel an sexueller Erfüllung herrscht aber auch bei den Männern. Die meisten von ihnen glauben selbst nach einem langen Leben sexueller Erfahrungen, dass Ejakulation dasselbe sei wie Orgasmus – was aber, wie bereits erwähnt, ein Trugschluss ist.

      Der biologische Mechanismus, durch den sich Leben hier auf Erden fortpflanzt, ist zweifellos die Basis der Sexualität. Ohne biologischen Sex würde das Leben, wie wir es kennen, ein Ende haben. Bei fast allen tierischen und pflanzlichen Lebensformen vereinigen sich das männliche und das weibliche Element, um neues Leben hervorzubringen. Manchmal befinden sich die beiden Elemente in zwei getrennten Lebewesen, manchmal nicht. Manchmal bedarf es einer körperlichen Vereinigung, manchmal nicht. Wie auch immer das Wunder der Befruchtung stattfinden mag: Sex hat die Funktion, neues Leben zu erschaffen und das kollektive Leben der Spezies fortzusetzen.

      Der sexuelle Vorgang durchdringt mit einer erstaunlichen Totalität und Bedingungslosigkeit sämtliche Ebenen des Lebens in all seinen Erscheinungsformen, um den Fortbestand der Arten zu sichern. Auch wenn es nichts Neues ist: Die menschliche Fortpflanzung wird für immer das Ehrfurcht gebietendste aller Wunder sein. Die Unschuld, Unversehrtheit und zarte Vollkommenheit des keimenden, durchscheinend leuchtenden, neuen Lebens berührt, fasziniert und wärmt unser Herz auf die wunderbarste Art und Weise.

      Die Fähigkeit, einen neuen Menschen zu erzeugen, ist aber nur der biologische Grundausdruck unserer Sexualität, unser sogenanntes „tierisches Erbe“, und als solches beruht er auf einer abwärts gerichteten Energiebewegung. Der männliche Same wird durch die Ejakulation ausgestoßen (unabhängig davon, ob die Frau einen Orgasmus hat oder nicht). Darauf folgen die Verschmelzung mit dem weiblichen Ei und dessen Befruchtung – und damit wird ein neues Leben erzeugt, das verschieden ist von den beiden Leben, die es hervorgebracht haben.

      Die Sexualität des Menschen beinhaltet jedoch sehr viel mehr als nur diese körperliche Funktion der Fortpflanzung. Die Natur hat uns das beglückende Mysterium der sexuellen Vereinigung nicht geschenkt, damit der Mann möglichst schnell seinen Samen los wird und die Frau kontinuierlich schwanger ist. Beim Menschen hat die Sexualität auch noch eine höhere Dimension. Die Vereinigung von Mann und Frau bedeutet mehr, als es auf den ersten Blick erscheint.

      Das Aufsteigen der sexuellen Energie

      Der Mensch ist so beschaffen, dass er erweiterte Bewusstseinszustände erfahren kann, glückselige Erfahrungen des Einsseins mit der ganzen Schöpfung. Diese orgasmische Fähigkeit unterscheidet uns von unseren Freunden im Tierreich (mit Ausnahme der Delfine, von denen bekannt ist, dass sie beim Liebesspiel höhere Energiezustände erleben). Unser Körper hat die angeborene Fähigkeit, sich durch das Sexzentrum energetisch auszudehnen, und wenn dies auf die richtige Weise geschieht, führt diese Ausdehnung zu erweiterten Bewusstseinszuständen – Tälern ekstatischer Entspannung und Gipfeln orgasmischen Ausdrucks.

      Das Wirken der aufsteigenden Sexualkraft ist im Westen relativ unbekannt und nur von wenigen Menschen erforscht worden. Wenden wir uns aber dem Osten zu, dann finden wir dort viel ältere Kulturen, deren Heilkundige diese Energiepraktiken zum Wohle der Gesundheit und Langlebigkeit den Menschen beibrachten. In Indien und in China hatten die alten religiösen Kulturen das spiralförmige Aufsteigen der Energie als spirituellen Aspekt der Sexualität erkannt und als geheiligte Form des Sex kultiviert.1 Wenn diese Energie zum vertikalen Aufsteigen gebracht wird, ist sie Ausdruck einer höheren, regenerierenden Form der Sexualität. Dann entfaltet der Sex seine schützende Wirkung auf den ganzen Körper und wird zu einer verjüngenden, Leben spendenden Kraft im Menschen.

      Dieser regenerierende Sex ist in Absicht und Funktion das ziemlich genaue Gegenteil des biologischen Sex. Es besteht keine biologische Notwendigkeit, den Samen auszustoßen (damit er auf ein Ei trifft). Es entsteht kein neues Lebewesen, sondern die sexuelle Energie wird stattdessen bewahrt und bleibt den Beteiligten erhalten, was eine Steigerung der Lebenskraft bewirkt. Auf diese Weise erneuert sich das bereits vorhandene Leben: Mann und Frau fühlen sich energetisiert und bereichert, voller Liebe und Freude.

      Diese nach innen und oben gerichtete Energiebewegung geschieht beim regenerierenden Sex ganz von selbst durch das Ausrichten und Harmonisieren des Energieflusses zwischen den männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen. Die Energie bewegt sich entsprechend der angeborenen geschlechtlichen Polarität, über die wir im 4. Kapitel ausführlicher sprechen werden. Gemeinsam generieren die Geschlechtsorgane einen biomagnetischen Energiestrom, der durch innere Kanäle aufsteigt und schließlich die endokrinen „Meisterdrüsen“ im Gehirn erreicht, womit er zum Ursprung sämtlicher hormoneller Informationen, die der Körper von dort erhält, zurückkehrt.

      Diese Drüsen, insbesondere die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und die Zirbeldrüse (Epiphyse), sind für die Sexualfunktion zuständig.2 (Bei einem hohen Grad an hormoneller Reinigung ist unser


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