E-Fam Exodus. Arno Endler

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E-Fam Exodus - Arno Endler


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      Arno Endler

      E-Fam Exodus

      Ein Fall für John Mayer und Otto

Polarise

      © 2020 Polarise

       Ein Imprint der dpunkt.verlag GmbH

       Wieblinger Weg 17

       69123 Heidelberg

       www.polarise.de

      1. Auflage 2020

       Autor: Arno Endler

       Lektorat: Martin Wohlrab

       Copy–Editing: Irina Sehling

       Covergestaltung: licarto

      Printed in Germany

      ISBN (Buch) 978-3-947619-53-5

       ISBN (PDF) 978-3-947619-54-2

       ISBN (ePub) 978-3-947619-55-9

       ISBN (Mobi) 978-3-947619-56-6

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über www.dnb.de abrufbar.

      Prolog

      Sie saß an der Bar. Obwohl ich nur ihren Rücken sah und die Beleuchtung sehr schummrig war, wusste ich, dass ich Bürgerin Rybinska gefunden hatte. Langsam schlängelte ich mich durch die Tischreihen, bemüht, keine Gläser abzuräumen und die Gäste nicht zu belästigen. Meine Schuhe erzeugten bei jedem Tritt Klettverschlussgeräusche, was an dem klebrigen Boden lag. Offenbar hatte jemand großzügig Saft oder süßen Alkohol verschüttet. Es passte nicht zu dem edlen Ambiente, aber das schien niemanden zu stören.

      Der Barhocker zur rechten Seite der Bürgerin war frei, was auch für alle weiteren Thekenplätze galt. So gewann ich sofort ihre Aufmerksamkeit, als ich mich dicht neben sie setzte. Die unausgesprochenen Regeln der Mega-City Neun missachtete man selten ungestraft.

      »Banzai«, murmelte ich leise und vermied Blickkontakt. Der automatische Barkeeper, ein grauer Metallkasten mit seitlich angebrachten Armen und einer Lautsprecherbox in der Mitte des Korpus, rollte heran und blieb zentral vor mir stehen.

      »Was darf es sein, Bürger?«

      »Ich nehme, was die Bürgerin trinkt«, gab ich meine Bestellung auf.

      »Ein Cola-Rum-Cocktail, sehr wohl.« Die Maschine sauste davon.

      »Sie sind unhöflich«, raunte mir Bürgerin Rybinska zu. Ihre Stimme war in der Realität noch tiefer als auf den Aufnahmen, die ich gesichtet hatte. Es hörte sich an, als hätte sie eine Erkältung. Der Klang erzeugte eine Gänsehaut bei mir.

      »Warum?«, fragte ich.

      »Sie wissen schon, Bürger Mayer.«

      Bitgefuckte Lage! Sie wusste, wer ich war. Den Überraschungseffekt konnte ich von der Liste meiner Pluspunkte streichen.

      »Nein, ich weiß nicht, Bürgerin Rybinska«, entgegnete ich. Ein Drink, ziemlich braun, von öliger Konsistenz mit viel Eis darin, tauchte plötzlich vor mir auf der Theke auf.

      »Sehr zum Wohl«, meldete der Automat.

      Rybinska nahm ihr eigenes Glas und hielt es mir zum Anstoßen hin. Das Geräusch, das die beiden aneinanderstoßenden Gläser ergaben, klang dumpf. Ich nippte an dem Mix-Getränk und spürte den ungewohnten echten Alkohol, der ein warmes Gefühl in meiner Kehle erzeugte.

      »Millionen von Menschen, eingepfercht in einen Turm«, ergänzte Rybinska im Plauderton. »Wenn uns eines die Epidemien von 18 und 25 gelehrt haben, dann, dass es nicht ratsam ist, zu sehr aufeinanderzuhocken, sollte es nicht unbedingt notwendig sein. Dies hält Sie jedoch nicht davon ab, sich ungefragt und uneingeladen neben mich zu setzen, obwohl es gleich mehrere freie Stühle gibt.«

      »Ich suchte Gesellschaft«, behauptete ich.

      Sie sah mich an, hob die rechte Augenbraue zu einem zweifelnden Widerspruch. »Niemand sucht in diesem Turm nach Gesellschaft, Bürger Mayer. Es ist eine Zweckgemeinschaft, entstanden aus purem Bevölkerungsdruck.«

      »Das Dilemma der Mega-City«, bestätigte ich. »Jedermann wollte in die großen Städte, bis diese aus allen Nähten platzten.«

      Sie nickte mir zu. »Besser bezahlte Jobs, mehr Freizeitangebote, das Verbot jeglichen privaten Fahrzeugverkehrs und natürlich die verschiedenen Umweltkatastrophen, die die Bürger zum Umziehen zwangen. Meine Familie, Bürger Mayer, entstammt den ehemaligen polnischen Kornkammern. Der Lebensraum von Millionen hat sich entvölkert.«

      »Das ist der heutige Sektor fünf, nicht wahr?«, fragte ich.

      »Ja. Gesperrt, verseucht, lebensfeindlich. Ich vermisse die alte Heimat, obwohl ich selbst nie dort gelebt habe und ein Kind des Turmes bin.«

      »Wohin hätte man auch mit all den Menschen gesollt? Es blieb wohl nur der Ausweg, den schwindenden Platz effizient zu nutzen und in die Höhe auszuweichen.«

      »Ja, Bürger Mayer. Das ist wahr. Nur leider ist damit der europäische Kontinent entvölkert worden. Was nicht gepflegt wird, verfällt. Und die Anzahl der Bürger, die noch natürlichen Boden unter den Füßen bevorzugen, fällt in den Sektoren weiter. Es konzentriert sich nahezu alles in diesem Turm zu Babel. Wer weiß, wohin diese Entwicklung uns noch führen wird. Wo es endet, wann es endet und wie das Ende aussieht. Aber genug des Smalltalks. Deswegen sind Sie ja nicht hier, nicht wahr? Wie haben Sie mich aufgespürt?«

      »Es war nicht leicht, Bürgerin Rybinska. Sie waren geschickt darin, Ihre Spuren zu verwischen.« Dennoch hatten wir sie gefunden. Nach einem ganzen Jahr mit Tausenden von losen Fäden, die Otto und ich zu einem Netz geflochten hatten. Nun, am Ende der Ermittlung, waren nur zwei Kandidatinnen übrig geblieben. Otto observierte derzeit Nummer zwei.

      Ich subvokalisierte ihm, dass ich fündig geworden war. Rybinska war der Treffer. Mein Auftraggeber würde zufrieden sein. »Otto?«, hakte ich subvokal nach, denn der E-Fam antwortete nicht. Das war seltsam. Verbunden mit der Tatsache, dass das Subjekt unserer Nachforschungen meinen Namen kannte, fühlte ich mich plötzlich ein wenig verunsichert.

      »Stimmt etwas nicht, Bürger Mayer?«, erkundigte sie sich. Eindeutig amüsiert, wie ich feststellen musste.

      Ich drehte mich um, schaute in den Gastraum der Bar. Viele Plätze hatten sich geleert. Nur vereinzelt saßen noch Gäste dort. Ein Pärchen, das sich über die Tischplatte hinweg verliebt in die Augen starrte. Ein trauriger, einsamer Trinker, der die Ansammlung von leeren Gläsern vor sich neu anordnete. Dazu drei weitere Tische, die besetzt waren. Niemand achtete auf uns.

      »Otto! Bitfucking! Melde dich!«, sendete ich eine verzweifelte stumme Nachricht in das allgegenwärtige Netz.

      Rybinska war gefährlich, hatte drei Vertragspartner vergiftet, zwei erstochen und nur einen am Leben gelassen, der jedoch sein gesamtes Vermögen eingebüßt hatte. Mein Auftraggeber.

      Ich vermutete, dass sie mir nichts antun würde, zumindest nicht hier in aller Öffentlichkeit. Doch einer Schwarzen Witwe traute niemand wirklich über den Weg.

      Ich wandte mich wieder um und nippte, Gelassenheit vortäuschend, an meinem Cocktail. Das Eis klimperte, aber viele Stücke waren klein geschmolzen.

      »Mein Mandant hat mich beauftragt, Sie aufzuspüren und zu ihm zu bringen«, sagte ich. »Keine Capcops, keine Schlägertruppe, die das Diebesgut aus Ihnen herausprügeln soll. Nur ein harmloses Gespräch unter ehemals Liebenden.«

      »Das soll ich glauben?«, entgegnete Rybinska, die eindeutig meine Aussage bezweifelte. »Sie kennen Timoteusz?« Ohne eine


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