Elfenzeit 2: Schattendrache. Verena Themsen

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Elfenzeit 2: Schattendrache - Verena Themsen


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und setzte sich dann etwas unbeholfen neben sie.

      »Was ist denn los?«, fragte sie. »Habt ihr euch wegen irgendetwas gestritten?«

      Nina hob den Kopf und starrte blicklos gegen die Wand. »Nicht gestritten, nein … ich bin gegangen. Ich glaube, das hat ihn wütend gemacht, so wie er die Tür zugeknallt hat. Aber ich konnte heute nicht bei ihm bleiben. Nicht, nachdem …« Ihr Gesicht verzog sich etwas, und sie schüttelte den Kopf. »Ich bin so dumm«, flüsterte sie.

      »Dumm? Du? Warum denkst du das?«

      Mit einem schiefen Lächeln wandte Nina Rian ihren Kopf zu. »Weil ich dumme Dinge tu, obwohl ich weiß, dass sie dumm sind. Weil ich dachte, ich könnte meine Gefühle unter Kontrolle halten und nehmen, was mir geschenkt wird. Deshalb habe ich mich darauf eingelassen. Weil … ach, vergiss es. Du kannst mir nicht helfen.« Nina lachte auf. »Immerhin ist er ja dein Bruder.«

      Rian betrachtete Nina einen Moment nachdenklich und schüttelte dann den Kopf.

      »Du hattest nicht wirklich eine andere Wahl, weißt du, er verzaubert die Frauen – so wie ich die Männer, die ich will.« Sie lachte hell auf und wedelte mit der Hand durch die Luft. »Warum soll nicht jeder mit jedem Freude teilen können? Wo wir herkommen gibt es solche Einschränkungen nicht, und darum sind wir es nicht gewohnt, besondere Rücksicht zu nehmen.«

      Rian hob etwas hilflos die Schultern. Sie verstand nicht so recht, was die Menschen in solchen Momenten bewegte, und es fiel ihr schwer, darüber nachzudenken, was Nina trösten könnte. Obwohl, etwas fiel ihr da schon ein. Ihr Augen leuchteten auf. »Ich habe eine Schachtel Trüffelpralinés dabei – möchtest du die haben? Mich machen die immer sehr glücklich.«

      Nina lachte auf. »Ja, ich glaube, so etwas könnte ich jetzt brauchen, auch wenn ich es sicher ebenfalls bereuen werde.«

      »Du solltest nichts bereuen, was Spaß gemacht hat«, meinte Rian und warf ihr die Schachtel zu. »Wenn es schlechte Folgen hat, kann man sich immer noch darum kümmern.«

      »Eine schöne Einstellung.« Nina begutachtete die weiche Füllung in der angebissenen Praline. »Nur leider funktioniert sie nicht immer. Wenn man einer Sache völlig verfällt, ist es schwer, hinterher mit dem Schmerz der Trennung fertig zu werden. Und Reue hält einen dann vielleicht beim nächsten Mal davor zurück, die gleiche Dummheit nochmal zu begehen.«

      »Mhmmm«, machte Rian nur. Reue gehörte zu den Worten, deren Bedeutung sie überhaupt nicht begriff, ein menschliches Konzept, das über ihren Horizont ging.

      Nina steckte die zweite Hälfte der Praline in den Mund, leckte die Finger ab, ließ sich rückwärts auf das Bett fallen und schloss die Augen.

      »Ich glaube, das Beste wäre, wenn ich jetzt einfach ein wenig schlafen würde«, meinte sie undeutlich. »Morgen sieht die Welt vielleicht schon ein bisschen anders aus. Morgen …«

      Rian bemerkte, dass Nina auf halbem Wege war, einzuschlafen. Sie hob die Beine der jungen Frau an und schob sie ganz aufs Bett, und mit einem halb genuschelten, halb geseufzten »Danke!« drehte Nina sich auf die Seite und zog die Decke über ihre Beine.

      Rian nahm sich noch eine Trüffelpraline, ehe sie die Schachtel neben Nina auf den Nachttisch stellte und die Lampe ausschaltete. Dann ging sie zur anderen Seite des Bettes und kroch unter ihr Laken.

      »Es ist eine Sache, etwas zu wissen, das nicht ausgesprochen wurde, und sich dennoch darauf einzulassen«, flüsterte Nina zittrig. »Aber es ist eine gänzlich andere Sache, es ins Gesicht gesagt zu bekommen.«

      Sie krümmte sich ein wenig mehr zusammen, und Rian sah, dass sie immer mehr von ihrer Decke zwischen ihre Arme zog, als könne dies ihr Halt geben. Die nächsten Worte kamen so leise, dass die Elfe sie beinahe nicht verstanden hätte.

      »Und ich heiße nun mal Nina, nicht Nadja.«

      Rian blinzelte, und ihr Mund formte ein »Oh«, das sie nicht aussprach.

      »Er hat dich Nadja genannt?«, fragte sie leise nach.

      Nina nickte kaum merklich.

      Rian legte eine Hand auf Ninas Rücken und streichelte sie sanft. Ihre Gedanken wanden sich indessen um das, was die junge Frau gesagt hatte, und versuchten, es zu begreifen. Niemals, so weit Rian wusste, war David so etwas passiert. Und warum sollte ihm ausgerechnet der Name einer Frau entschlüpfen, die ihn zurückgewiesen hatte? Sie schüttelte leicht den Kopf.

      Das wurde immer seltsamer.

      Als die beiden Frauen am nächsten Morgen aufstanden, benahm sich Nina, als sei nichts geschehen. Lediglich ihr Lächeln kam zögerlicher, und ihre Augen wirkten etwas matter.

      David schlief noch, als Rian unter Ninas Anweisung ihre erste Fahrstunde nahm. Es war nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte, aber schon zwei Stunden später hatte sie den Bogen heraus.

      Sie sammelten David auf (und für Nina unbemerkt Pirx und Grog), verließen Michelstadt in Richtung Süden auf einer Straße, die auf den Schildern sowohl als »Nibelungenstraße« als auch als »Siegfriedstraße« bezeichnet wurde. Rian betrachtete die Häuser der Ortschaften, durch die sie hindurchkamen, auf der Suche nach weiteren Perlen wie dem Michelstädter Rathaus. Doch hier waren die meisten Gebäude eher schlicht und zweckmäßig, obwohl dazwischen ebenfalls das eine oder andere Fachwerkhaus zu entdecken war. Die Dörfer waren ohnehin zumeist so klein, dass sie noch nicht einmal die großen gelben Namensschilder hatten, bei denen man langsamer fahren musste, wie Nina ihr erklärt hatte, sondern lediglich kleine grüne, die anscheinend keine Folgen für die erlaubte Fahrgeschwindigkeit hatten.

      Schließlich bogen sie nach Westen ab und fuhren in das ausgedehnte Waldgebiet hinein, das sie schon zuvor auf beiden Seiten des Tales begleitet hatte. Nach ein paar weiteren Dörfern sagte Nina, die das Steuer wieder übernommen hatte: »Wir sind gerade durch Hüttenthal hindurchgefahren. Der nächste Ort ist Hiltersklingen, dazwischen sollte es sein. Also haltet die Augen offen.«

      Sie bogen um eine Kurve, und Rian erspähte ein Stückchen voraus im Halbdunkel des schattigen Straßenrandes ein Hinweisschild auf einen Parkplatz und darunter ein dunkles Schild mit heller Aufschrift.

      »Da«, rief sie und zeigte darauf. »Lindelbrunnen steht da vorn dran, und in Klammern Siegfriedbrunnen. Das ist es.«

      Nina warf ihr einen kurzen verwunderten Blick zu. »Das kannst du von hier aus lesen? Wow. Solche Augen hätte ich gerne.«

      David lehnte sich vor, und Rian bemerkte, dass sein bisher mürrischer Gesichtsausdruck einem eher nachdenklichen gewichen war. Er legte eine Hand auf die Rückenlehne des Fahrersitzes, dabei wie zufällig mit seinen Fingern Ninas Schulter berührend.

      »Das ist das besondere Blut. Es steckt eine Art Magie darin«, sagte er.

      Dabei hob sich wieder das feine Glitzern von seinen Fingerspitzen, mit dem er Nina am ersten Abend eingewoben hatte, und glitt, für sie unsichtbar, wie ein feiner Nebelstreifen auf sie über.

      Im selben Moment versteiften sich Ninas Arme, und sie betätigte so plötzlich das Gaspedal, dass David den Halt verlor und nach hinten in den Sitz fiel. Das Hinweisschild sprang dabei förmlich näher, und Rian fürchtete schon, sie würden daran vorbeischießen, als Nina ebenso abrupt und heftig abbremste, wie sie Gas gegeben hatte.

      Rian wurde in den Gurt geschleudert und schrie überrascht auf. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass ihr Bruder, der wie immer nicht angeschnallt war, sich mit den Armen am Fahrersitz hatte abfangen können. Hinter sich hörte sie ein Quieken und ein unwilliges Knurren, das darauf hindeutete, dass auch Pirx und Grog heftig herumgeschleudert wurden.

      Mit quietschenden Reifen riss die junge Frau das Fahrzeug herum und in die Einfahrt hinein, dicht vor dem Schild und einem daneben stehenden großen grauen Stein vorbei. Die Elfe klammerte sich am Türgriff fest und starrte Nina an, während David mit der Schulter gegen das Fenster schlug und das Gesicht verzog.

      Dann waren sie herum, und das Auto rollte langsam einen Waldweg hinauf, vorbei an einer Stahlkonstruktion, die den Mord am Drachentöter Siegfried darstellte, und auf eine geschotterte


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